Giovanni Infantino vor grossen Aufgaben.
von Patrick Gunti
Mit der Annahme des Reformpakets und der Wahl von Giovanni Infantino versucht die FIFA einen Neuanfang. Während sie beim Reformpaket wegen des grossen Drucks der US-Justiz und der Sponsoren keine andere Wahl hatte, standen bei der Wahl zum Präsidenten zumindest fünf Kandidaten zur Auswahl und erstmals nach über 40 Jahren kam es bei der Wahl überhaupt zu einem zweiten Wahlgang. Die Ansprüche und der Glauben an Demokratie bei der FIFA mögen nicht sehr gross sein, aber ein Anfang ist gemacht.
Dass die Wahl auf Infantino fiel, der seine Karriere im Schatten von Michel Platini lancieren konnte, mag überraschen. Aber seien wir ehrlich. Valable Gegenkandidaten standen auch kaum zur Verfügung. Dass sich die Delegierten der 207 Mitgliedsverbände gegen Scheich Salman entschieden, darf positiv gewertet werden. Ein Neuanfang mit einem Mann, dessen Rolle bei der Niederschlagung des Arabischen Frühlings in Bahrain nie ganz geklärt wurde, wäre ein schlechtes Zeichen bezüglich mehr Demokratie in der FIFA gewesen.
Der ehemalige englische Internationale und britische FIFA-Chef-Kritiker Gary Linker liess nach der Wahl verlauten, er habe das Gefühl, wenn Infantinos Maske falle, komme dahinter Sepp Blatter hervor. Es ist in der Tat erstaunlich, dass auf den umstrittenen Visper nun erneut ein Walliser folgt, einer, der durch die UEFA-Events ebenso wie ein Conférencier führte wie Blatter bei der FIFA. Charmant, eloquent, vielsprachig. Aber man sollte sich nicht täuschen. Auch wenn eine Wahl Infantinos ohne die Sperre gegen Platini nie im Bereich des möglichen gewesen wäre, so macht sie doch Sinn.
Es ist richtig, dass im Weltfussballverband ein Mann aus dem mächtigsten, reichsten und erfolgreichsten Kontinentalverband an der Spitze steht. Von der UEFA, die mit der Champions League neben der WM das wichtigste Fussballprodukt hat, leben alle gut. Ausserdem hat Infantino seine bisherige Karriere im Fussballgeschäft bisher relativ unbeschadet von Vorwürfen überstanden. Die UEFA ist bei der Umsetzung von Reformen auch nicht mit bestem Beispiel vorangegangen, dafür Infantino allein verantwortlich zu machen, ist aber Unsinn.
Mit der neuen Aufstellung der FIFA besteht auch nicht die Gefahr, dass Infantino wie seine Vorgänger als Sonnenkönig agieren kann. Als quasi Verwaltungsratspräsident wird er für die Umsetzung der Reformen verantwortlich zeichnen. Daran darf er gemessen werden, und nicht daran, ob die WM künftig mit 32 oder mit 40 Teams über die Bühne geht oder wie heiss es bei den WM-Spielen in Katar sein wird. Für das Tagesgeschäft wird es wichtig sein, dass Infantino den idealen Generalsekretär findet.
Nach den Jahren des FIFA- und Blatter-Bashings darf man dem Weltverband und Infantino nun auch eine Chance geben. Es werden noch viele Skandale ans Licht der Öffentlichkeit kommen und die Handschellen werden weiterhin klicken. Es wäre auch naiv zu glauben, dass sich nun von einem Tag auf den anderen alles zum Guten wendet. Wo es um viel Geld geht, werden involvierte Personen immer versuchen, sich zu bereichern und sich einen Vorteil zu verschaffen. Das ist im Fussball so wie in jedem anderen Milliardenbusiness.
Und zu diesem Milliardenbusiness wurde der Fussball nicht nur durch die legalen oder illegalen Vermarktungskünste der FIFA. Wo keine Aufmerksamkeit herrscht, kann man auch nichts vermarkten. Die FIFA, die UEFA, den Fussball und die immer extremer werdenden Geldsummen andauernd zu kritisieren, aber jeden Tag live im Stadion oder vor dem TV-Schirm die Künste der nationalen Stars und Superstars zu bewundern, ist verlogen. Dies sollte bei der künftigen Beurteilung der FIFA und ihres neuen Präsidenten nicht vergessen gehen.