Bremen – Wie schnell kann sich ein Riff von einer Korallenbleiche erholen? Schneller als gedacht – wenn der Mensch es in Ruhe lässt. So lautet das Fazit eines internationalen Forschungsprojekts unter Leitung der Abteilung Marine Ökologie der Universität Bremen in Partnerschaft mit der Seychelles Islands Foundation (SIF). Nur vier Jahre, nachdem bis zu zwei Drittel eines Riffs im Indischen Ozean beschädigt worden waren, entdeckten die Forschenden Erstaunliches: Grosse Teile der Korallen hatten sich erholt.
„Diese Erholungsgeschwindigkeit gehört zu den schnellsten, die jemals für Riffe beobachtet wurde“, sagt Christian Wild, Leiter der Arbeitsgruppe „Marine Ökologie“. Anna Koester, Doktorandin der Arbeitsgruppe, ist Erstautorin einer Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlicht wurde. Die Meeresökologin geht davon aus, dass die überraschend schnelle Erholung vor allem mit der besonderen Lage des Riffs zu tun hat: Das Forschungsteam untersuchte den Zustand der Korallen im Aldabra Atoll, einer kaum besiedelten und weit draussen im Indischen Ozean gelegenen Inselgruppe. „Dort spielen menschgemachte lokale Faktoren wie der Eintrag von Nährstoffen, die Meeresverschmutzung und die Überfischung so gut wie keine Rolle“, erläutert die Wissenschaftlerin. Das ideale Gebiet also, um herauszufinden, wie sich der Zustand geschädigter Riffe verändert, wenn sie keinen menschengemachten Stressfaktoren ausgesetzt sind.
Tiefer gelegene Korallen erholen sich nur schleppend
Die Untersuchung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigte: Die Riffe, die in der ausgedehnten Lagune des Aldabra Atolls liegen, erholten sich in weniger als vier Jahren von der globalen Korallenbleiche der Jahre 2015/2016. Damals waren bis zu zwei Drittel der Korallen beschädigt worden. Auch die Korallen auf der dem offenen Meer zugewandten Seite regenerierten sich schnell, wenn auch nicht ganz so rasch wie in der geschützten Lagune. „Sie sind der Strömung und den Wellen ausgesetzt, das scheint eine Rolle zu spielen“, sagt Koester. Deutlich langsamer ging es in tieferen Regionen voran: Im Gegensatz zu den Riffen im flachen Gewässer erholten sich die tiefer gelegenen Korallen nur schleppend.
Lokale Stressfaktoren reduzieren
Das Fazit von Koester und Wild: Wenn es gelingt, lokale Stressfaktoren wie den Eintrag von Nährstoffen entscheidend zu reduzieren, dann können sich Korallenriffe gut und schnell von einer Bleiche erholen und haben eine Chance, weiterzuleben. Trotzdem sei es essentiell, die Auslöser von Korallenbleichen, vor allem die Ozeanerwärmung, zu reduzieren. Denn nicht jedes Riff regeneriere sich gleich gut – vor allem in weniger geschützter Umgebung werde mehr Zeit benötigt. „Alle Modelle sagen voraus, dass die Frequenz von Korallenbleichen in Zukunft zunehmen wird“, betont Wild. Dann würden auch für die bis jetzt privilegierten Korallenriffe in der Lagune von Aldabra harte Zeiten anbrechen. (mc/pg)