Krebs: KI-basierter Ansatz zur Entwicklung neuer Medikamente

Von den Forschenden erstelltes Diagramm des «Theranostischen Genoms»: die 257 Theranostik-Gene, die in 13 Gruppen eingeteilt wurden. (Abb: Universität Luzern)

Luzern – Eine an der Universität Luzern koordinierte internationale Forschungsgruppe hat eine neuartige Methode zur Lokalisation und Behandlung verschiedener Krebsarten entwickelt. Diese kombiniert den Einsatz künstlicher und menschlicher Intelligenz.

Sogenannte theranostische Arzneimittel repräsentieren einen neuartigen Ansatz in der Krebstherapie. Sie ermöglichen gleichzeitig die Lokalisation von Tumoren, die Erstellung von Prognosen zum Krankheitsverlauf, die Therapie sowie die Überwachung des Therapieerfolges. Beispiele für solche Arzneimittel sind sogenannte Radiotracer wie das Radiojod für den Schilddrüsenkrebs, das DOTATATE für neuroendokrine Tumore und PSMA-Liganden für den Prostatakrebs. Diese Radiotracer werden üblicherweise intravenös verabreicht und dann gezielt von den Tumorzellen aufgenommen. Danach zerfallen sie und senden eine Strahlung aus, durch die Tumore spezifisch sichtbar gemacht und therapiert werden können.

Das «Theranostische Genom»
Der Bereich der Theranostika entwickelt sich derzeit mit hoher Geschwindigkeit; jedoch bestehen noch erhebliche Wissenslücken über die verfügbaren Radiotracer mit theranostischem Potenzial sowie die Krebszellen, die durch diese Tracer besonders gut angesteuert werden können. Die Studie «The Theranostic Genome», deren Ergebnisse kürzlich im Fachmagazin «Nature Communications» vorgestellt und als «Editors’ Highlight» ausgewählt wurden, schliesst nun diese Wissenslücken. Erstmals wird derjenige Teil des menschlichen Erbguts beschrieben, der sich mit theranostischen Arzneimitteln anvisieren lässt und der ein hohes Potenzial für die Entwicklung neuer Krebsmedikamente bietet.

«Das Theranostische Genom stellt einen spezifischen Abschnitt des menschlichen Genoms dar, der sowohl für die Krebsdiagnose als auch für die Behandlung entscheidend ist», erläutert Martin A. Walter, der die Forschungsgruppe geleitet hat und Titularprofessor für Medizinische Wissenschaften an der Universität Luzern und Facharzt für Nuklearmedizin an der Hirslanden Klinik St. Anna in Luzern ist. Das Theranostische Genom umfasst insgesamt 257 Gene, die 0,4 Prozent des menschlichen Genoms ausmachen. Es enthält dabei 13 relevante «Genfamilien», die eine besondere Rolle bei der Entstehung verschiedener Tumorarten spielen.

Menschliche und künstliche Intelligenz
Ziel der Studie war die Identifikationen potenzieller theranostischer Wirkstoffe für die Behandlung von Tumoren durch eine tiefe Analyse von Informationen des menschlichen Erbgutes. Dazu entwickelte die Forschungsgruppe eine neue Methode, die mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) verschiedene Forschungsdatenbanken abgleicht. Insgesamt wurden Daten von rund 17’000 menschlichen Geweben auf ihre Affinität für theranostische Arzneimittel untersucht.

Pablo Jané vom Universitätsspital Genf sagt dazu: «Der gezielte Einsatz von künstlicher Intelligenz ermöglichte es uns, grosse Mengen an Forschungsdaten zu extrahieren und im Sinne unserer Forschungsfrage miteinander abzugleichen. Bei der Interpretation und Gewinnung von Erkenntnissen aus den extrahierten Daten kam dann die menschliche Intelligenz zum Tragen.» Eine wichtige Rolle bei der Durchführung der Forschungsarbeiten spielte die Hirslanden Klinik St. Anna, die eine langjährige Partnerschaft mit der Universität Luzern pflegt. Die Partnerschaft zielt insbesondere auf die Schaffung optimaler Bedingungen für die Lehre sowie die Entwicklung und Umsetzung neuer, zukunftsweisender und klinikrelevanter Forschungsprojekte. Im Fall der Studie zum «Theranostic Genome» stellte die Klinik unter anderem die erforderliche Infrastruktur für die Umsetzung zur Verfügung.

Vielfältige Perspektiven für die Krebsbehandlung
Im Rahmen der Studie zeigte sich, dass das theranostische Genom für eine Vielzahl von Krebsarten bedeutsam ist. Auf diesen Informationen basierend sind künftig intelligente, anpassungsfähige und speziell auf das einzigartige Genom jeder Patientin und jedes Patienten zugeschnittene Krebstherapien denkbar. Xiaoying Xu, PhD, leitende Forscherin an der Universität Luzern, sagt: «Mit der Beschreibung des theranostischen Genoms können bestehende Herausforderungen in der Krebsbehandlung angegangen werden, indem Subpopulationen von Krebs genauer bestimmt werden können, die wiederum mit massgeschneiderten theranostischen Medikamenten behandelt werden können.» Als Beispiel für einen solchen Ansatz demonstriert die Veröffentlichung der Forschungsgruppe, wie verschiedene Stadien des Prostatakrebses von unterschiedlichen Radiotracern besonders gut anvisiert werden können.

Generell erhofft sich die Forschungsgruppe, dass das theranostische Genom die Entwicklung zielgerichteter Theranostika beschleunigt, indem es die Entwicklungszyklen und -kosten verkürzt, die Abbruchraten bei der Arzneimittelentwicklung senkt und die Wiederverwendung bestehender Radiotracer für therapeutische Anwendungen erleichtert. Neben der Behandlung von Krebs zeichnen sich darüber hinaus weitere mögliche Anwendungsbereiche ab, wie beispielsweise die Behandlung systemischer Entzündungskrankheiten wie der rheumatoiden Arthritis. (Universität Luzern/mc/pg)

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