Forscher empfehlen, die Steuer auf Kohlenstoffemissionen deutlich zu erhöhen. (Foto: Pixabay)
Zürich – Die Wälder im Amazonasgebiet oder das Grönlandeis sind kritische Stellen auf der Erde, an denen das globale Klima umschlagen könnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese sogenannten Kipp-Punkte eintreten, haben nun Forschende der Universität Zürich gemeinsam mit internationalen Kollegen untersucht. Sie zeigen, dass das Risiko zukünftiger klimatischer Kipp-Punkte zu tief bewertet ist und empfehlen deshalb, die Steuer auf Kohlenstoffemissionen deutlich zu erhöhen.
Der grönländische Eisschild, der Amazonas-Regenwald oder auch El Niño zählen für Klimaforscher zu sogenannten Kipp-Punkten: Sie könnten durch ein erhöhtes Abschmelzen, Austrocknen oder mittels veränderter Ozeantemperatur das Klima weltweit zum Kippen bringen. Forschende der Universitäten Zürich, Chicago, Stanford und Exeter haben in einer neuen Studie das Risiko, dass solche Kipp-Punkte überschritten werden, anhand eines stochastischen Modells berechnet. Sie können damit aufzeigen, dass das Risiko zukünftiger klimatischer Kipp-Punkte heute zu tief bewertet ist.
Da die ökonomischen Konsequenzen des Klimawandels erst in ferner Zukunft eintreten, stellt sich die Frage, wie diese aus heutiger Sicht zu bemessen sind. Die meisten aktuellen Modelle einer Kosten-Nutzen-Rechnung ignorieren potenzielle Kipp-Punkte und insbesondere deren Risiken. Oft wird bei solchen sogenannt deterministischen Modellen angenommen, dass Klimaschäden auf Jahrhunderte voraus exakt bekannt sind. Der UZH-Forscher Thomas Lontzek hat nun gemeinsam mit seinen Kollegen ein Modell entwickelt, welches auch die nicht genau vorhersehbaren Auswirkungen dieser Kipp-Punkte mitberücksichtigt.
Besteuerung von Emissionen stark erhöhen
Die Forschenden haben berechnet, dass die Wahrscheinlichkeit des Überschreitens eines Kipp-Punktes im Jahr 2050 bei 2,5 Prozent liegt, 150 Jahre später – im Jahr 2200 – bei knapp 50 Prozent. In Anlehnung an ihr Modell empfehlen die Autoren eine entsprechend hohe Besteuerung von Kohlenstoffemissionen. So sollten bereits heute die Kosten der Kohlenstoffemissionen um 50 Prozent – und bei einer sehr pessimistischen Bewertung um bis zu 200 Prozent – erhöht werden. «Angesichts der Gefahr sprunghafter und irreversibler Änderungen im Klimasystem sollten wir höhere Ausgaben in Kauf nehmen, um das Risiko von Klimakatastrophen zu reduzieren», kommentiert Thomas Lontzek. Die hohe Besteuerung von Kohlenstoffemissionen würde zu einer Reduktion der Emissionen führen und somit als eine Art Versicherungsprämie irreversible Klimaereignisse verzögern.
Optimale Diskontierung der Kipp-Punkte deutlich geringer
Für die Berechnung zukünftiger Klimaschäden ist die sogenannte Diskontrate eine Schlüsselgrösse. Geld, das, bevor es für den Klimaschutz ausgegeben wird, investiert wird, steigt im Wert. Schäden in zehn Jahren können folglich auf einen geringeren heutigen Geldwert diskontiert werden. Üblicherweise wird in Klimamodellen der Schaden von Kipp-Punkten im Klima deterministisch abgebildet. Er ist somit auf Jahrhunderte hinaus exakt vorbestimmt. Als Folge dieser restriktiven Annahmen ergibt sich ein relativ hoher Diskontsatz zur Bewertung zukünftiger Schäden von Klima- Kipp-Punkten.
Gemäss der aktuellen Studie führt die Annahme, dass die Schäden der Kipp-Punkte im Klimasystem nicht genau vorhergesagt werden können, zu einer deutlich geringeren Diskontierung. «Denn mittels einer schärferen Klimapolitik wird nicht nur der erwartete zusätzliche Schaden von Kipp-Punkten reduziert, sondern auch die Unsicherheit über den Schaden», erklärt Thomas Lontzek. «Unser Model ist das erste, welches aufzeigt, dass eine deutlich geringere Diskontierung zukünftiger Klimaschäden auch aus einem marktorientiertem Forschungsansatz resultieren kann. Es bedarf nicht moralischer Argumente, um das Wohlergehen zukünftiger Generationen mittels einer schärferen Klimapolitik zu unterstützen.» (Universität Zürich/mc/pg)