Mit rekordhohen Covid-Fallzahlen geht die DACH-Region in den zweiten Corona-Winter. Im Südosten Deutschlands und in Österreich, wo die Siebentagesinzidenz nahe oder sogar über 1000 liegt, wurde das gesellschaftliche Leben erneut heruntergefahren. Zwar sind diese Teil-Lockdowns zunächst zeitlich begrenzt, aber dies war auch in früheren Wellen der Anfang gewesen. Erinnern wir uns: Der «softe» oder «Wellenbrecher»-Lockdown des frühen November 2020 war nur für wenige Wochen gedacht, musste dann aber bis weit ins Frühjahr hinein aufrechterhalten werden.
Warum nur ist die Covid-Bekämpfung in unserer Region so dramatisch schief gegangen? Während sich Soziologen noch darüber streiten, ob vielleicht die deutschsprachige Bevölkerung sich uneinsichtiger und renitenter gegen von der Regierung verhängte Massnahmen zeigt als sonstige Mitteleuropäer, ist der Zusammenhang mit den Impfquoten evident. Je besser der Immunschutz der Bevölkerung, desto weniger heftig scheint nun die vierte Infektionswelle zu verlaufen. So verzeichnen gerade Länder wie Italien, Spanien oder Portugal, die teils sehr dramatische Covid-Krisen erlebten, deutlich höhere Quoten an Genesenen, aber auch an Geimpften. Anders der Südosten Deutschlands, wo einerseits die Grenze zum impfskeptischen Osteuropa näher und zum anderen der Anteil der eingeborenen Impfgegner strukturell höher liegt.
Zu diesen einfachen Erklärungen regionaler Unterschiede kommt eine Fehleinschätzung der Politik hinzu, die sich offenbar viel zu sehr darauf verlassen hatte, mit den erreichten Impfquoten zwischen 60 und 70% und milden Schutzmassnahmen schon hinreichend sicher durch den Winter kommen zu können. Diese Hoffnung, die sich inzwischen als fatal naiv erwiesen hat, basierte auf einem offenbar zu festen Glauben an den mit der Impfung erreichten Ansteckungsschutz. Hatten Studien aus Israel nach der ersten grossen Impfwelle mit dem BionTech-Vakzin einen Ansteckungsschutz von fast 90% nahegelegt, ist inzwischen bekannt, dass die weit aggressivere Delta-Variante und ein bereits nach wenigen Monaten beobachtbarer Abbau von Antikörpern diesen Schutz schon nach sechs Monaten für den Durchschnitt der Bevölkerung auf nur noch 30-35% reduzieren. Für das Astra Zeneca-Präparat, das gerade zu Beginn der Impfkampagne vor allem für ältere Menschen eingesetzt, dann aber wegen seiner schwachen Wirkung gegen die Delta-Variante ganz aus dem Verkehr gezogen wurde, verschwindet der Ansteckungsschutz sogar schon nach 4-5 Monaten nahezu ganz. Diese Faktenlage, inzwischen von mehreren Studien gut belegt, wurde in Vorbereitung auf diesen Winter in Politik und Medien sträflich vernachlässigt. Die Folge ist, dass viele der im Frühjahr und Sommer doppelt Geimpften, darunter sehr viele betagte Menschen, sich in falscher Sicherheit wiegen und sich derzeit deswegen zu Zigtausenden infizieren.
Die designierte deutsche Ampel-Regierung, die am heutigen Dienstag ihren Koalitionsvertrag vorstellen möchte, zeichnete sich zuletzt durch irrlichternde, zum Teil verstörende Äusserungen ihres Spitzenpersonals bezüglich der Covid-Pandemie aus. Vor allem möchte sich das neue Bündnis freiheitsliebender und weniger restriktiv präsentieren als die bisherige Administration. Statt sich also mit Blick auf einen vielleicht furchtbaren Corona-Winter alle Massnahmen offen zu halten, lässt man am Donnerstag den nationalen Pandemie-Notstand auslaufen und ersetzt ihn durch eine eher wachsweiche Neufassung des Infektionsschutzgesetzes. Dadurch wird nebensächlich, wie gut und stringent die Ampel-Ideen zu Klimaschutz, Digitalisierung oder Europapolitik sind, die heute präsentiert werden. Covid dürfte dafür sorgen, dass diese Regierung einen reichlich holprigen Start hinlegt.
Der Höhepunkt der Inflationsdynamik liegt noch vor uns
Während der wirtschaftliche Neustart durch erneute Lockdowns abgeschwächt wird, dürfte die Inflationsdynamik zunächst noch zunehmen. Um 18,4% stiegen im Oktober die Erzeugerpreise in Deutschland, und weil derzeit die Preissetzungsmacht der Unternehmen hoch ist, dürfte einiges davon in den Verbraucherpreisen ankommen. Auch in den USA, wo in dieser Woche die Inflationszielgrösse (core PCE) der Zentralbank mit einem Anstieg auf 4,1% erwartet wird (nach 3,6% im Oktober), ist die Tendenz bis auf weiteres nach oben gerichtet. Erst mit Anfang des neuen Jahres werden dies- und jenseits des Atlantiks die Basiseffekte aus der Statistik zu verschwinden beginnen. Und selbst dann ist es möglich, dass entsprechende inflationsdämpfende Effekte von weiterhin bestehenden Lieferengpässen und Angebotsknappheiten überlagert werden. Auf ein unmittelbar bevorstehendes Verschwinden des Inflationsgespenstes zu hoffen, dürfte also voreilig sein. Im Euroraum wird wohl erst gegen Ende 2022 die Inflationsrate wieder unter die beruhigende 2%-Marke sinken. (BlackRock/mc/ps)