Lange Laufleistung und hohe Verdichtung in Winterthur

Lange Laufleistung und hohe Verdichtung in Winterthur
Marcel Pawlicek, CEO Burckhardt Compression. (Foto: Burckhardt)

Seit 1979 hält Marcel Pawlicek seiner 1844 gegründeten Arbeitgeberin die Treue. Anfangs als Maschinenzeichnerlehrling und Konstrukteur bei Sulzer-Burckhardt. Seit 2011 als CEO der Burckhardt-Compression-Gruppe. Ein Einblick in Beschaffung und Logistik eines Schweizer Traditionsunternehmens.

Interview: Mario Walser / procure.ch

Herr Pawlicek, wie beschreiben Sie einem Branchenfremden das Geschäftsmodell der Burckhardt-Compression-Gruppe?
Wir sind weltweit der Marktführer, wenn es um die Entwicklung, die Herstellung und den Verkauf von Kolbenkompressorsystemen geht. Unsere kundenspezifisch ausgelegten Anlagen werden vor allem bei der Öl- und Gasproduktion, beim Gastransport und bei der Gastlagerung, in Raffinerien und im Bereich der Chemie und Petrochemie und für Industrieanwendungen eingesetzt. Über unser globales Netzwerk bieten wir auch sämtliche Produkte und Dienstleistungen an, die es ermöglichen, die Lebenszykluskosten der Systeme zu minimieren. Ein Kolbenkompressor versieht seinen Dienst im Normalfall während Jahrzehnten. Unseren ältesten noch in Betrieb stehenden Kolbenkompressor haben wir 1943 hergestellt.

Ihr Unternehmen ist nochmals 100 Jahre älter. Welchen Wandel hat es in den letzten Jahren durchlaufen?
Seit 2002, als aus der Maschinenfabrik Sulzer-Burckhardt durch einen Management-Buy-out die Burckhardt Compression Gruppe entstand, haben wir beispielsweise den Umsatz und die Anzahl der Mitarbeitenden versechsfacht. Wir sind internationaler geworden: Früher waren zwei Drittel der Belegschaft in der Schweiz tätig. Der grösste Teil des Geschäfts findet jedoch im Ausland statt. Wir exportieren die meisten unserer Kompressorsysteme oder fertigen diese teilweise auch in unseren Werken in Südkorea, Indien oder den USA. Und so sind mittlerweile auch zwei Drittel unserer Belegschaft im Ausland stationiert. Mit unserer Serviceorganisation sind wir regional besser aufgestellt und können noch schneller und direkter in den jeweiligen Märkten auf deren Bedürfnisse reagieren.

Wie wichtig ist der Werkplatz Schweiz künftig noch für das Unternehmen?
Das Geschäft mit Kompressorkomponenten und -service wird sicher auch künftig durch den Vorstoss in neue geografische Märkte geprägt sein. Grundsätzlich werden wir vor allem im Auslandexpandieren. Dieser Anteil an Mitarbeitenden, die bei unseren ausländischen Tochtergesellschaften beschäftigt sind, wird im Zuge der verstärkten Internationalisierung weiter zunehmen. Nichtsdestotrotz: Die Schweiz als starke Heimbasis mit attraktiven Standortbedingungen bleibt nach wie vor wichtig. Dank dem dualen Bildungssystem haben wir hierzulande hervorragend ausgebildete Leute. Alleine am Standort Winterthur bilden wir rund 60 Lernende aus.

Machen Ihnen politische Unsicherheiten oder auch volatile Wechselkurse das Leben schwer?
Die Wechselkurssituation relativiert sich für uns, weil wir einen grossen Teil des Materials, das wir zur Fertigung der Kompressoren benötigen, beispielsweise Zubehör wie Elektromotoren, Kühler oder Dämpfer, im Euro- oder im Dollarraum zukaufen. In der Schweiz gibt es dafür keine Lieferanten. Das gilt auch für den Stahl, den wir im selben geografischen Raum beschaffen. Da ist ein starker Franken natürlich von Vorteil.

Der weltweite Energiebedarf wird wohl nicht abnehmen – ein Blankoscheck für Burckhardt?
Ein kompletter Verzicht auf fossile Energieträger innerhalb der nächsten Jahre ist meiner Ansicht nach realitätsfremd und illusorisch. Ausser Frage steht für mich jedoch, dass der durch die Verbrennung fossiler Energieträger verursachte Kohlenstoffdioxid-Ausstoss reduziert werden muss. Der Kohlenstoffdioxid-Ausstoss könnte weltweit um 25 Prozent reduziert werden, alleine durch die Substitution von Erdöl durch Erdgas. Selbstverständlich verfolgen wir aber die Weiterentwicklung alternativer Energieträger, wie zum Beispiel Wasserstoff, mit grossem Interesse.

Wie stellen Sie sicher, dass Burckhardt Compression auch künftig am Markt erfolgreich ist?
Wir konzentrieren uns auf unser Geschäft und auf Kolbenkompressoren und machen keine anderen Dinge nebenbei. Gerne illustriere ich das jeweils so: Wer fünf verschiedene Hobbys hat, ist in keinem richtig gut. Konzentriert man sich jedoch auf eines, sind brillante Leistungen möglich. Das Gleiche gilt fürs Geschäft. Wir haben uns zudem vor rund drei Jahren neu organisiert und eine divisionale Struktur geschaffen. Die beiden Divisionsleiter der Geschäftsbereiche «Neukompressoren» und «Services» rapportieren direkt an mich. Das gibt mir die Möglichkeit, vermehrt in die Welt hinauszugehen, unsere Kunden zu treffen und auch verstärkt an der Integration unserer Akquisitionen zu arbeiten.

Wie entwickeln Sie die Qualität Ihrer Produkte und Dienstleistungen weiter?
Indem wir Innovationen fördern und unsere Prozesse laufend verbessern. Das Resultat zeigt sich unter anderem in tiefen Garantiekosten. Zentral ist, dass unsere Qualitätsstandards international gelten – unabhängig vom Standort. Regelmässige Mitarbeiterschulungen, der Einsatz von standortübergreifender Software und Kommunikationsplattformen bilden die Basis.

Welche rechtlichen und ökologischen Rahmenbedingungen sind für Ihr Geschäft zentral?
Für unser Geschäftsmodell ist ein freier Handel zentral. Die ökologischen Rahmenbedingungen beeinflussen unser Geschäft beispielsweise, indem die Bestellungen für Schiffskompressoren wegen der Einführung strengerer Umweltrichtlinien für die Schifffahrt für das Jahr 2020 zugenommen haben. Denn viele Eigner rüsten ihre Schiffe nun auf einen dualen Antrieb um, der sowohl Schiffsdiesel als auch saubereres Erdgas verarbeiten kann.

Wie stellen Sie die Liefertermintreue für Ihre Kunden sicher?
Unter anderem indem wir das Netzwerk mit unseren Lieferanten pflegen und den Informationsfluss beidseitig sicherstellen. 2018 haben wir beispielsweise in der Schweiz und in Indien Lieferantentage durchgeführt. Jährlich zeichnen wir die besten Lieferanten in den verschiedenen Kategorien aus, mit dem Ziel, sie zu noch besseren Leistungen anzuspornen. Durch die globale, aber gleichwohl lokale Beschaffung von Anlagenzubehör sind wir nahe bei unseren Kunden und können so auch die Transportwege reduzieren. Mit internen Verbesserungsprogrammen optimieren wir unsere internen Logistik- und Beschaffungsprozesse konstant.

Und welchen Ansatz verfolgen Sie beim Servicegeschäft?
Um schnell Ersatzteile liefern zu können oder Wartungsarbeiten möglichst verzögerungsfrei ausführen zu können, haben wir ein weltweites Netzwerk und strategisch positionierte Servicecenter aufgebaut. Unsere Ersatzteil- und Komponentenlogistik basiert auf Originalteilen, für die wir mit unserer Herstellergarantie bürgen. Zum Dienstleistungsangebot gehören Wartung und Reparatur an Ort und Stelle, die technische Unterstützung rund um die Uhr, Engineeringdienstleistungen, die Aufrüstung und Modernisierung bestehender Anlagen, ein ausgefeiltes System zur Zustandsüberwachung und Diagnose auf Echtzeitbasis sowie technische Kundenschulungen für Betrieb und Wartung von Kolbenkompressoren.

Wie zentral ist eine moderne strategische Beschaffung für die Burckhardt Compression Gruppe?
Die strategische Beschaffung ist ein fester Bestandteil in unserem Führungsrhythmus. Die Verantwortlichen berichten in regelmässigen Abständen über die wichtigsten Veränderungen im globalen Einkaufsmarkt, beispielsweise über die Preisentwicklung bei Rohmaterialien und Fertigprodukten. Gemeinsam mit den Managementteams der Divisionen stellen wir sicher, dass unsere Versorgungsketten einwandfrei funktionieren.

Wie finden Sie noch immer genügend Fachkräfte?
Am Anfang des Unternehmenserfolges stehen immer die Mitarbeitenden. Ohne sie keine zufriedenen Kunden. Wir fördern den internen Wissenstransfer, die individuelle Weiterbildung und auch den Aufbau von Nachwuchskräften aktiv und systematisch sowie auf allen Ebenen. Jede neu zu besetzende Stelle schreiben wir auch intern aus. In zahlreichen Fällen gelingt uns eine interne Rekrutierung. Das hat den grossen Vorteil, dass wir auf bereits vorhandenem Wissen und vorhandener Erfahrung aufbauen können.

Sind vierzigjährige Firmenzugehörigkeiten und Karrieren, wie die Ihrige auch künftig denkbar?
Das glaube ich schon. Wir freuen uns, dass trotz der Internationalisierung der letzten Jahre und vielen neuen Mit- arbeitenden die durchschnittliche Firmenzugehörigkeit mit über acht Jahren sehr hoch ist. Damit gelingt es uns, Know-how über die Jahre weiter aufzubauen und firmenintern zu behalten.

Marcel Pawlicek
Der CEO von Burckhardt Compression hat ein beeindruckendes Weiterbildungs­ und Karriereportfolio vorzuweisen. Seine Berufskarriere startete der diplomierte Maschinenbauingenieur 1979 als Maschinenzeichnerlehrling bei der Maschinenfabrik Sulzer­Burckhardt. Danach war er zehn Jahre lang Projektleiter und Leiter Marketing und Verkauf für Burckhardt Kompressoren bei Sulzer USA. Während dieser Zeit erlangte er in Abendkursen an der Fordham University in New York einen MBA in Marketing und International Business. Zurück in der Schweiz, folgten von 2001 bis 2011 weitere Leitungsfunktionen bei Burckhardt Compression. Seit 2011 steht Marcel Pawlicek als CEO an der Spitze des Unternehmens.

Burckhardt Compression
Die Unternehmensgruppe mit Sitz in Winterthur beschäftigt rund 2350 Mitarbeitende, hat Tochtergesellschaften in 21 und Vertretungen in über 60 Ländern. Im Geschäftsjahr 2018 erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von rund 600 Millionen Schweizer Franken.
Burckhardt Compression

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