Lepra im Mittelalter: Neue Erkenntnisse zu Übertragungswegen durch Eichhörnchen

Eine Dame spielt mit einem Eichhörnchen, das ein Halsband trägt. Ausschnitt aus dem Luttrell-Psalter aus dem frühen 14. Jahrhundert. (Bild: British Library Board Ms Add. MS 42130 f. 33r / Unibas)

Von Catherine Weyer, Universität Basel

Basel – Forschende der Universität Basel und der Universität Zürich konnten nachweisen, dass britische Eichhörnchen bereits im Mittelalter Lepra-Erreger in sich trugen. Und nicht nur das: Ihre Ergebnisse zeigen, dass es eine Verbindung gibt zwischen den Lepra-Erregern in den mittelalterlichen Nagetieren und jenen in der mittelalterlichen britischen Bevölkerung.

Hautflecken, verformte Nasen, Geschwüre: Die Infektionskrankheit Lepra kann zu schwerwiegenden Symptomen führen. Das hauptsächlich dafür verantwortliche Bakterium, Mycobacterium leprae, welches bis heute insbesondere im globalen Süden jährlich rund 200’000 Menschen befällt, hat auch in Europa eine lange Geschichte. Die internationale Forschungsgruppe um die Paläogenetikerin Prof. Dr. Verena Schünemann (Universität Basel, früher Universität Zürich) konnte mittels archäologischer Funde rote Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) als Wirt für M. leprae im mittelalterlichen England nachweisen.

Die Forschenden stellten zudem fest, dass die Leprabakterien der mittelalterlichen Eichhörnchen sehr nah verwandt waren mit Leprabakterien, welche aus mittelalterlichen menschlichen Skeletten aus derselben Region isoliert wurden. Die Ergebnisse erschienen im Journal «Current Biology».

Vom Eichhörnchen auf den Menschen oder umgekehrt?
«Diese Ähnlichkeit zeigt uns, dass es wahrscheinlich einen Austausch der Bakterien zwischen Tier und Mensch zu dieser Zeit gab», sagt Verena Schünemann. Sie betont allerdings, dass nach dem heutigen Kenntnisstand nicht klar sei, auf welchem Weg dieser Austausch stattgefunden hat. «Wir wissen nicht, ob die Eichhörnchen die Menschen ansteckten oder ob Menschen die Erkrankung zu den Tieren brachten», so Schünemann.

Berührungspunkte gab es im Mittelalter jedenfalls einige: Einerseits durch den Pelzhandel, der insbesondere durch die Königshäuser florierte. So wurden im 11. und 12. Jahrhundert unter anderem Mäntel aus dem Fell der Nagetiere hergestellt. Andererseits gab es auch Eichhörnchen als Haustiere. So wissen die Forschenden unter anderem von Nonnenklöstern, in denen die Tiere gehalten wurden.

Genanalyse aus 20 Milligramm
Für ihre Untersuchung konzentrierten sich die Forschenden auf die Stadt Winchester im Süden Englands. Dort gibt es dank archäologischer Fundstätten genügend Material für die Genanalysen: die menschlichen Überreste stammen aus einem Leprosarium, einer Pflegeeinrichtung speziell für Leprakranke. Die mittelalterlichen Eichhörnchen konnten sie dank Hand- und Fussknochen untersuchen, die an einer früheren Kürschnerwerkstatt gefunden wurden. «Wir haben die Genanalysen an den winzigen Hand- und Fussknochen der Eichhörnchen durchgeführt, die zwischen 20 und 30 Milligramm schwer sind. Viel Material gibt es da nicht», erklärt Christian Urban, Erstautor der Studie.

Für die Forschenden sind die Ergebnisse besonders wichtig im Hinblick auf die künftige Bekämpfung von Lepra. Denn bis heute ist nicht vollends geklärt, wie sich die Krankheit verbreitet. «Mit unserem One Health-Ansatz, versuchen wir mehr über die Rolle der Tiere bei der Ausbreitung der Krankheit in der Vergangenheit herauszufinden», sagt Schünemann. «Indem wir alte tierische und menschliche Stämme direkt vergleichen, können wir potenzielle Übertragungsereignisse im Laufe der Zeit rekonstruieren und damit Rückschlüsse auf das langfristige zoonotische Potential der Krankheit ziehen.»

Die Ergebnisse sind auch für heute relevant, da Tiere als Wirte von Lepra noch immer sehr wenig Beachtung finden, auch wenn sie für das Verständnis der gegenwertigen Persistenz der Krankheit, trotz aller Ausrottungsversuche, von Bedeutung sein könnten. (Universität Basel/mc/ps)

Originalpublikation
Christian Urban et al.
Ancient Mycobacterium leprae genome reveals medieval English red squirrels as animal leprosy host
Current Biology (2024) doi: 10.1016/j.cub.2024.04.006
Universität Basel

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