Parlamentspräsident Bercow lässt Abstimmung über Brexit-Deal zu

Der britische Parlamentspräsident John Bercow hat einer dritten Brexit-Abstimmung ohne substanzielle Änderungen eine Absage erteilt.

London – Der britische Parlamentspräsident John Bercow hat die von der Regierung geplante erneute Abstimmung über das EU-Austrittsabkommen zugelassen. Bercow teilte am Donnerstag in London mit, die Vorlage der Regierung unterscheide sich «substanziell» von den vorhergehenden Anträgen. Damit kann das Unterhaus an diesem Freitag erneut über den Brexit-Vertrag beraten und abstimmen, den Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelt hatte.

Die britische Premierministerin Theresa May liess am Donnerstagnachmittag mitteilen, am Freitag erneut über ihren bereits zwei Mal im Parlament abgeschmetterten Deal zum EU-Austritt abstimmen zu lassen. Fraglich war jedoch bis am Abend, ob Parlamentspräsident John Bercow mitspielen würde.

Salamitaktik?
Die Regierung erwägt Berichten zufolge, das Vertragspaket zum EU-Austritt in zwei Teile zu zerlegen. Demnach könnte am Freitag nur der Vertrag über den Austritt, nicht aber die politische Erklärung über die künftigen Beziehungen zur Abstimmung stehen. Die Regierung könnte damit gleichzeitig die Anforderungen von Parlamentspräsident Bercow erfüllen und ihre Chancen auf einen Erfolg erhöhen. Nachteil wäre aber, dass auch bei einer Zustimmung des Parlaments eben noch nicht das gesamte Vertragspaket unter Dach und Fach wäre.

May zog alle Register, um ausreichend Unterstützung zu bekommen. Die Premierministerin hat ihren baldigen Rücktritt angeboten, sollte das Abkommen im Unterhaus doch noch angenommen werden. Etliche Widersacher in ihrer Konservativen Partei gaben ihren Widerstand daraufhin auf. Doch die nordirische Protestantenpartei DUP, auf deren zehn Stimmen Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, sperrt sich weiter. May muss daher auf Unterstützung aus der Opposition hoffen.

Teilnahme an Europawahl droht
Die Zeit drängt: Ende der Woche läuft eine von der EU gesetzte Frist ab. Sollte das Brexit-Abkommen bis dahin nicht angenommen sein, muss May möglicherweise eine Verlängerung über den 22. Mai hinaus beantragen – mit Teilnahme Grossbritanniens an der Europawahl.

Ohne Zustimmung zum Deal soll London vor dem 12. April eine Alternative vorlegen. Darüber würde wohl ein EU-Sondergipfel beraten. Welche Linie die Staats- und Regierungschefs dann abstecken, ist offen, wie ein hoher EU-Beamter nach dem Gipfel vor einer Woche sagte. Denkbar wäre ein langer Aufschub um Monate oder Jahre, wenn die Briten an der Europawahl vom 23. bis 26 Mai teilnehmen. Will London das nicht, könnte die Frist bis zum 22. Mai verzögert werden, dem Tag vor der Wahl. Die Frage wäre aber, wozu dies dienen soll.

Die EU-Kommission forderte Grossbritannien nochmals auf, eine klare Linie beim Brexit zu finden. Mit Blick auf die Voten des britischen Parlaments über das mögliche Vorgehen beim EU-Austritt sagte ein Kommissionssprecher am Donnerstag: «Wir haben gestern Abend acht Neins gezählt. Wir brauchen jetzt ein Ja zum Weg nach vorn.»

Auch für Alternativen keine Mehrheit
Die britischen Abgeordneten hatten über acht Alternativen zum Brexit-Kurs der britischen Premierministerin abgestimmt – doch hatte kein Vorschlag eine Mehrheit bekommen. Sehr klar war aber die Ablehnung der Variante, zum neuen Brexit-Termin 12. April ohne Vertrag aus der Europäischen Union auszuscheiden. Am Montag sind im Unterhaus weitere Abstimmungen geplant.

Die britische Wirtschaft zeigt sich zunehmend entnervt von der Blockade im britischen Parlament. Der Vorsitzende des britischen Handelskammerverbands BCC, Adam Marshall, machte am Donnerstag seinem Ärger Luft. «Wir sind frustriert. Wir sind verärgert», sagte Marshall. Die Politik habe die Wirtschaft im Stich gelassen und jage Chimären hinterher. «Drei Jahre sich im Kreise drehen. Drei Jahre sind genug» sagte Marshall. «Unternehmen sind kein bisschen schlauer, wie ein chaotischer Austritt am 12. April vermieden werden kann.» (awp/mc/ps)

10 Downing Street

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