LFDE: Rückkehr des antizyklischen Verwaltungsstils?

Michel Saugné

Michel Saugné, Chief Investment Officer LFDE. (Foto: zvg)

Von Michel Saugné, Chief Investment Officer, LFDE

Paris / Frankfurt – An der Börse wie im Boxring kann es zu überraschenden psychologischen Entwicklungen kommen. In der einen Ecke des Rings stehen die USA: unerschütterliches Wachstum, nimmersatte Verbraucher, hohe Erwartungen an Wahlen und eine Politik, die zwar von Ungewissheiten geprägt ist, aber klar den Schutz der amerikanischen Interessen in den Vordergrund stellt. In der anderen Ecke steht Europa: schwaches Wachstum, mehr Sparsamkeit als Konsumfreude bei den Haushalten und ein angesichts der Instabilität in Frankreich und der bevorstehenden Wahlen in Deutschland unruhiges politisches Umfeld. Auf dem Papier wirkt der Kampf noch ungleicher; das Ergebnis der ersten Runde ist eindeutig: Auf Eurobasis konnten sich Anleger im Jahr 2024 über einen Anstieg des S&P 500 um 33,6 % freuen, der Stoxx Europe 600 legte dagegen um 9,6 % zu.

Weg für Anleger am US-Markt wird steiniger
Mit Blick auf diese Bilanz und die sehr unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung der beiden Regionen sind zahlreiche Akteure am Markt natürlich geneigt, weiterhin von einer deutlichen Führung der USA auszugehen. Doch der Weg dürfte für die Vereinigten Staaten steinig werden. Der offensichtlichste Grund dafür ist Donald Trump. Die vom neuen Präsidenten angestrebten Massnahmen zielen zwar darauf ab, die Macht Amerikas weiter auszubauen, doch höhere Zölle, die Massenausweisung von Arbeitsmigranten und drastische Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben könnten die gut geölte US-Wirtschaftsmaschinerie ins Stocken bringen. Diese hat durchaus ihre Schwächen. So verschlechtert sich besonders die Lage am Arbeitsmarkt weiter. Seit einigen Monaten ist die Arbeitslosigkeit zunehmend auf den Nettoverlust von Stellen zurückzuführen. Es ist wichtig, zu beobachten, ob sich dieser Trend fortsetzt. Denn die Stärke des US-Konsums ist inzwischen weitgehend von der Aufrechterhaltung der Erwerbseinkommen abhängig. Ein gesunder Arbeitsmarkt ist umso wichtiger, da die Aktienmärkte angesichts der sehr hohen Bewertungen und der sehr optimistischen Positionierung der Anleger ein perfektes Szenario für die Konjunktur einpreisen. Eine asymmetrische Entwicklung jenseits des Atlantiks wäre somit wenig reizvoll: Für die aktuell solide Wirtschaftslage ist kaum mit positiven Überraschungen zu rechnen und die kleinste Verwerfung könnte einen erheblichen Rückgang der Bewertungskennzahlen bewirken.

Hoher Pessimismus in Bezug auf Europa aber mit Chancen verbunden
In Europa ist es umgekehrt. Aufgrund der schwachen Wirtschaftsdynamik und der politischen Instabilität ist der Pessimismus in Bezug auf die Vermögenswerte des Alten Kontinents auf dem Höhepunkt angelangt. Die rekordverdächtige Bewertungsdifferenz zwischen europäischen und US-amerikanischen Aktien bestätigt dies. Die Aussichten sind offenbar alles andere als rosig: Für 2025 wird ein äusserst schwaches Wachstum erwartet, zudem besteht das Risiko erhöhter US-Zölle. Doch gerade weil es wenig Licht am Ende des Tunnels zu geben scheint, könnte jede positive Überraschung eine ausserordentliche Wirkung entfalten. Das Ende des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine, ehrgeizige Konjunkturanreize in Deutschland, Wiederherstellung der politischen Stabilität in Frankreich, schnellere Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank, Aufschwung in China – all das sind mehr oder weniger unwahrscheinliche Hypothesen, die jedoch nicht unmöglich sind. Im Gegensatz zu den USA ist ein asymmetrisches Szenario in Europa also günstiger: In Zeiten einer Konjunkturflaute ist kaum mit negativen Überraschungen zu rechnen, und die kleinste gute Nachricht könnte zu einer deutlichen Verbesserung der Stimmung und einer spürbaren Erholung der Aktienmärkte führen.

Selbstverständlich geht es für Anleger nicht darum, naiven Träumen von wundersamen Regierungswechseln nachzuhängen. Es geht vielmehr darum, sich auf den Kerngedanken der antizyklischen Vermögensverwaltung zurückzubesinnen, die seit zwei Jahren unter schwindender Beliebtheit leidet: Gewinnmitnahmen wagen, wo alle anderen kaufen, und diversifizieren, wo alle anderen vor Investitionen zurückschrecken. (LFDE/mc/ps)

La Financière de l’Échiquier (LFDE)

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