Petit-Lancy – Spätestens seit die US Notenbank am 3. März die Zinsen in einem überraschenden Schritt um 50bps gesenkt hat, muss der Rahmen für eine Analyse der Zinspolitik der Zentralbanken neu durchdacht und teils auch in Frage gestellt werden. Abgesehen von der Ausnahmesituation, in welcher wir uns aufgrund des COVID-19 befinden, hat zudem auch noch ein Ölpreisschock die Finanzmärkte zum Beben gebracht. Obwohl die Europäische Zentralbank und die SNB mit ihrer Antwort weiterhin zuwarten und die Situation insgesamt von grosser Unsicherheit geprägt ist, lassen sich dennoch einige vorsichtige Prognosen wagen.
Aktuell erwarten die Finanzmärkte von der Fed noch weitere stimulierende Massnahmen, besonders auch in Form von zusätzlichen Zinssenkungen. Im Vergleich dazu steht die EZB mit ihrem Leitzins schon bei -50bps und die SNB bei -75bps; viel Spielraum bleibt daher beiden Zentralbanken auf der Leitzinsseite nicht. Wir denken, dass die SNB diesmal ganz besonders unter Druck steht. Jedenfalls sind die Sichteinlagen in den letzten Wochen stark gestiegen und können als Zeichen für Devisenmarktinterventionen gedeutet werden. Dies wäre kein Novum, ist der Schweizer Franken – wenn Unsicherheit vorherrscht – bei Anlegern als «sicherer Hafen» beliebt. Dabei ist anzunehmen, dass die SNB mit einem Auge auch auf den US-Bericht bezüglich Währungsmanipulation schauen wird und weiss, dass sie mit dem aktuellen Niveau wahrscheinlich das dritte ausstehende Kriterium der Währungsintervention erfüllen wird. Daher gehen wir davon aus, dass die SNB die Zinsdifferenz zu Europa wieder ausbauen möchte und die Zinsen ein weiteres Mal senken wird, wahrscheinlich sogar um 25bp. Dies würde die Attraktivität des CHF schwächen und der SNB wiederum mehr Spielraum geben. Gleichzeitig bleibt die SNB am Devisenmarkt aktiv, da der Schweizer Franken weiterhin hoch bewertet bleibt.
Dabei wird es womöglich aber nicht bleiben, da die SNB sicherstellen muss, dass kein systemisches Risiko entsteht, wenn Unternehmen, welche besonders in diesem Umfeld in finanzielle Engpässe kommen, durch mögliche Ausfälle eine Kettenreaktion auslösen. Daher wird sie wohl weitere Mittel erwähnen, welche besonders der Liquidität dienen werden, um genau solchen Ausfällen entgegenzuwirken. Besonders seien an dieser Stelle die Bereiche Hotellerie/Tourismus und die Reisebranche erwähnt. Einen grossen Teil der abfedernden Massnahmen müssen hier aber fiskalpolitischer Natur sein, also in Bern entschieden werden, da nicht im Mandat der SNB liegend.
Zu guter Letzt würde ein Zinsschritt vor allem den Banken schmerzen, da ihre Margen noch weiter unter Druck kommen würden. Dem könnte die SNB entgegensteuern, indem sie die Freibetragsgrenze weiter erhöhen würde. Wir sind der Ansicht, eine Anpassung wäre hier jedoch lediglich marginaler Natur, da sie ebendiese schon vor wenigen Monaten angepasst hat. Rückblickend kann nun der damalige Entscheid als erster Schritt für weitere Zinssenkungen gesehen werden.
Wir erwarten somit einen weiteren Zinsschritt der SNB von 25 Basispunkten. Wenn nötig, obwohl wenig wahrscheinlich, sogar noch vor der nächsten Lagebeurteilung vom 19. März. Aufgrund grosser Unsicherheiten im aktuellen Umfeld verändert sich die Ausgangslage aber kontinuierlich. Ebenfalls erwarten wir einen zusätzlichen Fokus auf stabilisierenden Massnahmen, vor allem auf der Liquiditätsseite. Schliesslich gehen wir von einer Senkung der Inflations- und Wachstumsprognosen aus. (Lombard Odier IM/mc/ps)