Marco Feusi, CEO HIAG Gruppe, im Interview

Marco Feusi

Marco Feusi, CEO HIAG Gruppe. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Feusi, nach dem Bewertungstaucher bei den Bestandsimmobilien um 14,7 Millionen im ersten Halbjahr 2023 ist nun die kurzfristige Preiserosion gestoppt. Im H1 2024 weist HIAG bereits wieder ein Plus bei den Neubewertungen von gesamthaft 11,6 Millionen Franken aus. Steht Ihre Firma beispielshaft für die Wende im Immobilienmarkt Schweiz?

Marco Feusi: Die Wertsteigerungen des HIAG-Immobilienportfolios im ersten Halbjahr erfolgten primär aufgrund massgeblicher Fortschritte im Projektentwicklungsgeschäft. Der Wert des Bestandsportfolios konnte dank Ertragssteigerungen in etwa konstant gehalten werden, obwohl der Diskontierungssatz in den Bewertungen nicht ganz überraschend nochmals um 4 Basispunkte anstieg und eigentlich zu einer Abwertung geführt hätte. Ich gehe davon aus, dass die Phase der marktbedingten Abwertungen der letzten Jahre nun weitgehend am Ende ist. In der Vergangenheit haben sich die Renditeerwartungen der Immobilieninvestoren nie im Gleichschritt mit den Kapitalmarktzinsen verändertet. Daher rechnen wir trotz der inzwischen wieder stark gesunkenen Zinsen noch nicht mit unmittelbar und spürbar ansteigenden Immobilienwerten.

«Wir rechnen trotz der inzwischen wieder stark gesunkenen Zinsen noch nicht mit unmittelbar und spürbar ansteigenden Immobilienwerten.»
Marco Feusi, CEO HIAG Gruppe

Es fällt auf, dass sich Ihre Leerstandsquote in diesem Jahrzehnt quasi Schritt für Schritt geviertelt hat. Jetzt ist sie nur noch bei 3,5 Prozent. Liegt das in erster Linie am ungebremsten Zuzug in die Zentren?

Die Leerstandsquote des gesamten Portfolios konnte wir in den letzten viereinhalb Jahren mit viel Effort kontinuierlich von über 15% auf diesen neuen Tiefststand senken. Die aktuelle Wohnungssituation ist jedoch nicht der Grund dieser markanten Verbesserung, da wir nur einen geringen Wohnanteil von rund 10% in unserem Portfolio haben. Dafür verantwortlich waren das sehr aktive Management unserer Gewerbe- und Retail-Liegenschaften sowie gezielte Massnahmen in der gesamten Unternehmens-Organisation. Beispielsweise erfolgt nun die gesamte Bewirtschaftung inhouse durch unsere eigenen Mitarbeitenden, und wir haben das Asset-Management sowie die Vermarktungsorganisation punktuell personell verstärkt.

Konsequent durchgesetzte Indexanpassungen bei Geschäftsmietverträgen und die Umsetzung des hypothekarischen Referenzzinssatzes bei den Wohnungsmieten führten zu Mehreinnahmen von fast einer Million. Wird das in der nun laufenden Zinssenkungsrunde drehen?

In den letzten zweieinhalb Jahren haben wir den Mietertrag durch die teuerungsbedingten Index- sowie Referenzzinsanpassungen sogar um fast 2.5 Millionen Franken erhöhen können, was einer Ertragssteigerung von fast 4% entspricht. Diese Mehreinnahmen konnten den Anstieg der Zinskosten unseres Fremdkapitals zu einem massgeblichen Teil kompensieren, womit unser Portfolio einen effektiven Inflationsschutz bietet. Da unsere aktuellen Mietverträge zu fast 70% LIK-indexiert (A.d.R., Landesindex der Konsumentenpreise) sind und einen Indexierungsgrad von fast 100% haben, rechnen wir mit weiter steigenden Mieteinnahmen, auch wenn diese aufgrund der aktuellen Teuerungsprognosen sicherlich nicht mehr so gross sein werden wie in den letzten Jahren.

Könnten Sie kurzfristig von den fallenden Zinsen durch Aufnahme von zusätzlichem Fremdkapital profitieren, nachdem die neuen Kredite für Sie letztens ja 0,3% teurer zu stehen kamen?

Der Grossteil unserer Fremdfinanzierung haben eine mittel- bis langfristige Zinsbindung. Auslaufende Finanzierungen oder allfällig zusätzliches Fremdkapital werden primär mittels einer Syndikatskreditlinie mit unterschiedlichen Finanzierungstranchen refinanziert, die wir teilweise an Zinssatzswaps mit unterschiedlichen und auch kürzeren Laufzeiten binden. Zudem setzten wir neu Private Placements mit kurzfristigen Laufzeiten ein. Hier profitieren wir direkt vom aktuell tieferen Zinsumfeld. Auch beim im letzten Sommer abgeschlossenen Syndikatskredit konnten wir attraktive Zinsmargen vereinbaren und für fünf Jahre fixieren. Wichtig für uns ist neben guten Zinskonditionen aber auch ein ausgeglichenes Zins-Fälligkeitsprofil sowie die Finanzierungssicherheit für unsere anstehenden Projekte. Auch möchten wir weiterhin am Anleihenmarkt tätig sein, falls uns die entsprechenden Konditionen wieder attraktiv scheinen

Sprechen wir über die laufenden Projekte: Auf Ihrem «Papieri-Areal» in Biberist bei Solothurn werden sehr spannende Freizeitangebote entstehen. Hätten Sie gedacht, dass auf dem Gelände der ehemals modernsten und dann bankrotten Papierfabrik der Schweiz einmal so etwas entstehen würde?

Die Wiederbelebung von ehemalig industriell genutzten Arealen ist ein Kerngeschäft von HIAG. Beim Kauf und der späteren Entwicklung auch bei einem solch grossen Areal in Biberist mit fast 275’000 Quadratmeter Grundstücksfläche bestehen Analysen und Konzepte, die zeigen, welche Nutzungen geplant und welche Art von Unternehmen zukünftig im Areal angesiedelt werden können. Bei solch grossen und langfristigen Entwicklungen ist für uns jeweils wichtig, dass wir möglichst flexibel auf Marktveränderungen reagieren und unseren Nutzungsmix variieren können. Neben klassischen Nutzungen wie Gewerbe und Wohnen sollen stets auch vielfältige Nutzungen wie auch ein Freizeitangebot realisiert werden können. Wir haben uns deshalb sehr gefreut, dass wir mit Padelta und Jump Factory zwei grössere und bereits bekannte Mieter für den Standort gewinnen konnten. Nach dem Umbau einer ehemaligen Fabrikhalle werden die beiden Freizeitanlagen im nächsten Frühjahr eröffnet.

«Die Wiederbelebung von ehemalig industriell genutzten Arealen ist ein Kerngeschäft von HIAG.»

Gemischte Nutzung aus Wohnen und Gewerbe entdeckt Freizeitpark. Ist das der allerneueste Trend?

Ich würde nicht von einem Trend sprechen. Bereits in der Vergangenheit wurde auch von anderen Investoren erkannt, dass bei grösseren Arealentwicklungen die Vielfalt der Nutzungen ein zentraler Erfolgsfaktor ist, was wiederum die Attraktivität des Standorts für die Menschen und Unternehmen vor Ort erhöht und das Areal nachhaltig belebt. Dies ist vergleichbar wie bei einem attraktiven Einkaufscenter, wo der Kunde einen breiten Mietermix mit verschiedenen Angeboten vorfindet und vor allem keine Monokultur herrscht.

Seit Mitte April verfügt Ihr «Papieri-Areal» über eine 4’500 m² grosse Photovoltaikanlage. Diese befindet sich auf dem fertiggestellten Neubau von «Librec» und wurde von HIAG Solar, Ihrer 49%igen Tochter, realisiert. Damit ist die HIAG als Gruppe auch ein Stromproduzent. Wo sind neben denen im Campus Reichhold in Hausen/Lupfig (AG) und im FAHRWERK Winterthur weitere Anlagen möglich?

Seit der Lancierung unserer Initiative im Jahr 2020, auf den grösseren Dächern unserer Liegenschaften auch Photovoltaikanlagen zu installieren und das Geschäftsmodell mit unserem Joint-Venture Partner Aventron zu skalieren, haben wir die Stromproduktion der HIAG Solar AG über die Jahre schrittweise erhöhen können. Aktuell ist eine Leistung von rund 6.5 MWp installiert und wir produzieren Solar-Strom von gesamthaft knapp 6 Gigawatt pro Jahr, was dem Stromverbrauch von circa 1’500 Haushalten entspricht. Ich gehe davon aus, dass wir unter den institutionellen Investoren aktuell der grösste Energieproduzent aus erneuerbaren Energien sind.

Mit der Realisierung von weiteren Gewerbeprojekten wie beispielsweise in Hausen/Lupfig oder auch in Winterthur, wo wir übrigens auch erstmals Photovoltaikfassaden realisieren, werden wir den Ausbau unserer erfolgreichen Solar-Initiative weiter vorantreiben. Unsere Projektpipeline ist nach wie vor gross und zudem werden auch laufend Dächer auf bestehenden Bauten erneuert, wo jeweils nach Möglichkeit auch neue Solar-Anlagen installiert werden.

«Ich gehe davon aus, dass wir unter den institutionellen Investoren aktuell der grösste Energieproduzent aus erneuerbaren Energien sind.»

Die Baubewilligung für die zweite Etappe auf dem Areal in Cham (ZG), direkt nach dem Papieri-Areal der CHAM Group, wurde im Berichtszeitraum rechtskräftig. Der Baustart der 140 Miet- und Stockwerkeigentumseinheiten ist gerade erfolgt. Sie erwarten einen Verkaufserlös für die 73 Eigentumswohnungen von 138 Millionen und einen künftigen jährlichen Mieterlös aus den 67 Mietwohnungen von 2,6 Millionen. Wissen Sie schon das Preisgefüge?

Die Preise unserer weiteren Eigentums- wie auch der Mietwohnungen werden sich an der aktuellen Marktsituation zum Zeitpunkt des Marktauftritts orientieren. Insbesondere durch die erfolgreiche Vermarktung der fast 130 Wohnungen der ersten Etappe im letzten Jahr kennen wir die potenzielle Marktnachfrage bereits gut. Die Vermarktungsstart der Eigentumswohnungen wird Anfang nächstes Jahr erfolgen. Die Mietwohnungen werden bei uns in der Regel neun Monate vor Bezug, also wohl Ende 2025 zur Vermietung ausgeschrieben.

Die kleinste Wohnung wird zweieinhalb Zimmer haben und wohl ungefähr eine Million kosten?

Eine rund 70 Quadratmeter grosse 2.5-Zimmer-Eigentumswohnung wird je nach Lage zwischen 1.2 bis 1.3 Millionen Franken kosten.

Das geplante Hochhaus ALTO in Zürich-Altstetten soll im Jahr 2026 sogar 6,3 Millionen Franken Mieteinnahmen abwerfen. Kommen wir in den Zentren der Schweiz wegen dem Platzmangel nicht mehr an Hochhäusern vorbei?

Leider lassen die aktuellen baurechtlichen Rahmenbedingungen bei der Realisierung von Hochhäusern kein höheres Nutzungsmass zu. Die mögliche Nutzfläche eines Wohnhochhauses ist also ungefähr gleich gross wie bei einer Überbauung mit sechs Geschossen und ist daher kein Heilmittel für den Wohnungsmangel, der aktuell primär an urbanen Lagen besteht. Die Realisierung von Hochhäusern reduziert aber den Fussabdruck des Gebäudes im Vergleich zu einer konventionellen Überbauung, was grössere und attraktivere Aussenräume für die Bewohner und auch für das Quartier ermöglicht.

Aber wie lassen sich der Wohnungsmangel und die entsprechend stetig steigenden Preise in gewissen Regionen und Städten aus Ihrer Sicht denn dann lösen?

Nur wenn mehr Wohnraum gebaut werden «kann». Dazu müsste in den betroffenen Orten flächendeckend aufgezont oder die von der Raumplanung gewollte innere Verdichtung effektiv umgesetzt werden können. Die rigiden Nutzungspläne müssten flexibler und die inzwischen hochkomplexen Baugesetze und -ordnungen grundlegend vereinfacht, die Einsprachemöglichkeiten der sogenannten NIMBY’s (Not In My Backyard) und ideologisch agierenden Umweltverbänden eingeschränkt werden. Auch sollten die verantwortlichen Politiker und Behördenvertreter unabhängig ihrer politischen Gesinnung und professioneller agieren.

Auf dem Schönau-Areal in Wetzikon (ZH) wurde der Gestaltungsplan im Frühling rechtskräftig. Wie werden die konkreten Bauprojekte aussehen?

Das rund 29’000 Quadratmeter grosse ehemalige Spinnerei-Areal ist ein wunderschönes und einzigartiges Areal im aufstrebenden Zürich-Oberland. Auf dem Areal befinden sich heute geschützte und identitätsstiftende Bestandsbauten, eine parkähnliche Anlage mit grosszügigen Grünflächen, altem Baubestand sowie ein eigener grossen Weiher. Nach einer über 10-jährigen Planungszeit ist hier vorwiegend Wohnnutzungen vorgesehen. Die insgesamt rund 90 neuen Miet- und Eigentumswohnungen werden eine hohe Vielfalt bieten und unterschiedliche Nutzer ansprechen. Aktuell erarbeiten verschiedenen Architektenteams die unterschiedlichen Bauprojekte, und wir planen auf den einzelnen Baufeldern, die ersten Baueingaben in den nächsten Monaten einzureichen. Insgesamt rechnen wir hier mit rund 62 Millionen Franken Investitionen, einem jährlichen Mietertrag von 1,2 Millionen sowie mit einem Verkaufserlös aus dem Wohneigentum von rund 75 Millionen.

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