von Sandra Willmeroth
Moneycab.com: Herr Feusi, Sie haben seit ihrem Amtsantritt anfangs 2020 die HIAG wieder in die schwarzen Zahlen zurückgeführt. Wie haben Sie das erreicht?
Marco Feusi: Nach meinem Eintritt Anfang 2020 haben wir die Unternehmensstrategie geschärft, den Fokus wieder voll und ganz auf das Immobiliengeschäft gelegt, die Organisation optimiert und das Team gestärkt. Tatsächlich konnten wir in den letzten 18 Monaten grosse operative Fortschritte erzielen: Es ist uns gelungen, die Altlasten aus dem Geschäftsjahr 2019 mit der Beendigung des Multicloud-Projekt von HIAG Data und dem Konkurs der damals drittgrössten Mieterin Rohner AG Pratteln zu bereinigen. Die Leerstände wurden deutlich reduziert. Weiter haben wir die Projekteentwicklungen vorangetrieben und vier Bauprojekte, die bereits vor Fertigstellung voll vermietete waren, wurden planmässig abgeschlossen. Sodann haben wir unser Immobilienportfolio mit Zukäufen und Verkäufen punktuell optimiert. Schlussendlich haben wir Mieterträge, Portfoliowert und das Nettoergebnis deutlich gesteigert und im 2020 ein solides Halbjahres- und Jahresergebnis erzielt.
Die Dividende von 2,30 CHF ist dennoch vergleichsweise gering. Früher zahlte HIAG seinen Eigentümern stets mehr als 3 Franken, im Jahr 2019 waren es sogar 3,90 CHF. Setzen Sie mit der geringen Dividende keine falschen Signale an die Aktionäre?
2020 war ein Übergangsjahr. Das Ergebnis war noch einmal von Folgekosten der ausserordentlichen Ereignisse im 2019 belastet. Aber grundsätzlich verfolgt der HIAG-Verwaltungsrat in Abstimmung mit dem Geschäftsgang eine attraktive und investorenfreundliche Ausschüttungspolitik. Für private Investoren ist auch attraktiv, dass Ausschüttungen weiterhin zur Hälfte aus von der Verrechnungssteuer befreiten Kapitalanlagereserven erfolgen können. Zudem streben wir mit der aktiven Bewirtschaftung unserer Immobilien eine kontinuierliche Steigerung des Unternehmenswerts über Generationen an. Das alles ist für Aktionäre attraktiv.
«Es ist uns gelungen, die Altlasten aus dem Geschäftsjahr 2019 mit der Beendigung des Multicloud-Projekt von HIAG Data und dem Konkurs der damals drittgrössten Mieterin Rohner AG Pratteln zu bereinigen.»
Marco Feusi, CEO HIAG
Inwieweit hat sich die Corona-Pandemie in den Büchern der HIAG niedergeschlagen?
Die Pandemie hat sich dank des ausgewogenen Geschäftsmodells von HIAG kaum auf die Ergebnisse ausgewirkt. Im 2020 sprechen wir rund 0,8% Mietzinsreduktionen und Mietzinsstundungen. Bis heute haben wir uns sehr gut durch die Corona-Krise manövriert. Dem HIAG-Team ist diese tolle Leistung dank grosser Mieternähe und einem grossen Effort gelungen.
Fürchten Sie Spätfolgen, etwa durch Konkurse von Mietern oder einer allgemeinen Rezession, die auch auf den Immobilienmarkt durchschlagen könnte?
HIAG hat in den letzten Monaten eine grosse Resilienz bewiesen. Unsere Liegenschaften befinden sich hauptsächlich in zukunftsorientierten Wachstumsregionen. Zudem erwirtschaften wir unsere Mieterträge schwergewichtig im Industrie-, Gewerbe- und Logistiksektor, die die jüngste Krise vergleichsweise gut überstanden haben. Sodann verfügen wir mit knapp acht Jahren über eine sehr komfortable durchschnittliche Vertragslaufzeit. Weiter wirkt der Wohnanteil von 15% stabilisierend in unserem Portfolio. Zu erwähnen ist auch, dass wir kürzlich erfolgreich eine im Juli 2021 auslaufende Anleihe über 100 Mio. CHF mit einem neuen Bond im Volumen von 160 Mio. CHF mit einer langen Laufzeit von 7 Jahre refinanziert haben. Mit dem Erlösüberschuss werden wir kurzfristige Bankdarlehen zurückführen. HIAG ist gut gerüstet.
Der Trend zum Homeoffice wird auch nach Corona anhalten, darin sind sich die meisten Beobachter einig. Was hiesse, das Unternehmen tendenziell weniger Büroflächen benötigen. Sehen Sie darin eine Gefahr für Ihr Geschäftsmodell?
Ich glaube, dass «Working from Home» im Dienstleistungssektor auch nach der Corona-Pandemie in einem gewissen Ausmass Bestand haben wird. In der Summe wird sich wohl der Gesamtbedarf an Büroflächen reduzieren, auch wenn sich der Flächenbedarf pro Mitarbeiter aufgrund notwendiger, neuer Bürokonzepte tendenziell steigen wird. Am meisten betroffen von dieser Entwicklung werden wohl periphere Bürolagen sein. Bei HIAG haben wir die Wahrscheinlichkeit möglicher Effekt des Trends zum Homeoffice genau analysiert und sind zum Schluss gekommen, dass der Homeoffice-Effekt bei der für uns relevanten Büronutzungen gering ist.
Einerseits stammen knapp 20% unserer Mieterträge aus Büroflächen, von denen sich aber weniger als ein Drittel in klassischen Bürogebäude befinden. Die Mieter dieser Flächen sind primär im Kommunikations- und Technologiebereich tätig und die Mietverträge laufen noch bis zu elf Jahren. Die verbleibenden Büroflächen sind primär mit der Kerntätigkeit der Mieter verknüpft, sei es für die Produktion, den Grosshandel, im Logistik- und Gesundheitsbereich oder in der öffentlicheren Administration. Büros sind hier also Mittel zum Zweck.
Im ersten Quartal hat HIAG vier Gewerbeliegenschaften gekauft und an den Verkäufer zurück vermietet. Ist dieses Sale-and-Lease-Back der neue Trend?
Sale-and-Lease-Back-Transaktionen sind für Verkäufer und Käufer gleichermassen attraktiv, weil sie die Liquidität der Verkäufer stärken und in der Regel langfristige Mietverträge abgeschlossen werden. Mit den jüngsten Transaktionen haben wir unser Portfolio und die Entwicklungspipeline an guten Lagen deutlich ausgebaut. Zudem steigern die Zukäufe mit substanziellem Ausnützungspotenzial an Gewerbe- und Wohnflächen in Winterthur und Solothurn die Mieterträge im HIAG-Portfolio massgeblich.
«Wir sind überzeugt, dass HIAG bereits heute zu den nachhaltigsten Immobilienentwicklern in der Schweiz gehört»
Welche Ziele hat HIAG für die kommenden zwölf Monate?
Wir werden unsere Strategie konsequent umsetzen und unsere über 50 Entwicklungsprojekte aktiv vorantreiben, die Vermietungsquote weiter verbessern und unsere Finanzkennzahlen optimieren. Weiter werden wir unser Engagement im Nachhaltigkeitsbereich und die ESG-Berichterstattung sukzessive ausbauen. Wir sind überzeugt, dass HIAG bereits heute zu den nachhaltigsten Immobilienentwicklern in der Schweiz gehört, weil wir seit je relevante Aspekte in unseren Projekten berücksichtigen. Weiter werden wir mit dem Joint Venture HIAG Solar die Produktion von elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien auf unseren Arealen ausbauen und das Potenzial der grossen Dachflächen in unserem Portfolio wirtschaftlich nutzen.
Wie wollen Sie die Leerstandsquote von derzeit 13,2% noch weiter senken?
Mit unserer aktiven Vermarktungstätigkeit konnten wir die Leerstandsquote im Bestand weiter reduzieren und werden diese Bemühungen weiterführen. Zudem hat sich der Vermietungsstand über das ganze Portfolio durch die Zukäufe von langfristig und voll vermieteten Liegenschaften wie beispielsweise eine grosse Logistikliegenschaft in Buchs (AG) weiter verbessert.
Welche Zukäufe sind geplant?
Mit der bereits prall gefüllten Projektpipeline haben wir in den nächsten zehn Jahren ein Investitionspotenzial von rund 2,4 Mrd. CHF und keinen Akquisitionsdruck. Nichtsdestotrotz prüfen regelmässig Opportunitäten. Potenzielle Objekte müssen langfristiges, stabiles Cashflow- und Wertsteigerungspotenzial für HIAG besitzen.
«Mit der bereits prall gefüllten Projektpipeline haben wir keinen Akquisitionsdruck.»
Von welchen Arealen wollen Sie sich verabschieden, Stichwort „gezielte Veräusserungen“?
Liegenschaften, die nicht mehr strategiekonform sind und bei denen HIAG nicht «Best Owner» ist. Letztlich geht es immer darum, die Portfolioqualität kontinuierlich zu optimieren. Mittel aus Verkäufen werden für Investitionen in bestehende Projekte und gegebenenfalls für Zukäufe eingesetzt.
Was sind die nächsten Projekte, die realisiert werden?
Als nächstes grösseres Bauprojekt steht die erste Etappe auf unserem Areal in Cham an, wo wir mit dem Projekt «Chama» für rund 140 Miet- und Eigentumswohnungen sowie rund 4‘000 m2 Nutzfläche für Büros und Services Apartments gerade in der Bauausschreibung stehen. Baubeginn wird voraussichtlich Anfang 2022 sein. Weiter laufen zwei wichtige Projekte in Meyrin auf dem Campus «The Hive», wo der neue Hauptsitz des Schweizer Elektronikkomponentenhersteller LEM entsteht, und auf dem Retailareal Silbern in Dietikon, wo der neue Möbelfachmarkt XXXLutz Mitte 2022 seine Tore öffnet.
Herr Feusi, wir bedanken uns für das Interview.