London – Mit der Verabschiedung des Brexit-Gesetzes hat das britische Parlament den Weg für die EU-Austrittsverhandlungen freigemacht und Abspaltungstendenzen im eigenen Land gefördert. Kurz vor der entscheidenden Debatte im Parlament hatte die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon ein neues Unabhängigkeitsreferendum für Schottland angekündigt. Die katholisch-republikanische Sinn-Fein-Partei in Nordirland forderte am Montagabend eine Volksabstimmung über die Vereinigung mit der Republik Irland.
Bis spätestens Ende März will die britische Premierministerin Theresa May die offizielle Austrittserklärung nach Brüssel schicken, sagte ein Regierungssprecher am Dienstag auf Anfrage, ohne sich auf ein konkretes Datum festzulegen. Britische Medien tippen auf Ende des Monats. Erst dann können die Verhandlungen mit der EU beginnen.
Das Oberhaus gab am Montagabend seinen Widerstand gegen den Entwurf des Brexit-Gesetzes auf, obwohl die Abgeordneten im Unterhaus zuvor Änderungen der Lords gestrichen hatten. Damit war das gefürchtete Pingpong-Verfahren, bei dem ein Gesetzentwurf bis zu einer Einigung zwischen beiden Häusern hin- und hergeht, im Handumdrehen erledigt.
In dem knappen Gesetz heisst es: «Die Premierministerin darf die Absicht des Vereinigten Königreichs zum Austritt aus der EU, gemäss Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union, bekannt geben.» Das Gesetz wurde notwendig, weil das höchste britische Gericht zuvor dem Parlament das letzte Wort über den Startschuss für die Austrittsverhandlungen zugesprochen hatte.
Dem Gesetzentwurf der Regierung hatten die Mitglieder des Oberhauses eine Garantie für die Rechte von EU-Ausländern, die in Grossbritannien leben, hinzugefügt. Ausserdem forderten sie ein Vetorecht für das Parlament am Ende der Austrittsverhandlungen mit der EU. In beiden Fällen wollte sich die Regierung aber nicht festlegen lassen.
Schottland: Neuer Anlauf für Unabhängigkeit
Auf Forderungen der schottischen Regierung nach einer Sonderrolle beim Brexit mit Verbleib im Europäischen Binnenmarkt will May nicht eingehen. Das nahm Sturgeon nun zum Anlass für den neuerlichen Vorstoss in Richtung Unabhängigkeit. Zwischen Herbst 2018 und Frühjahr 2019 soll die Volksabstimmung nach dem Willen der schottischen Regierungschefin stattfinden. Die Entscheidung über ein solches Referendum in Schottland liegt beim Parlament in Westminster.
Die katholisch-republikanische Sinn-Fein-Partei in Nordirland sprach sich für eine Volksabstimmung über die Vereinigung mit der Republik Irland aus. Die britische Regierung führe Nordirland «gegen den Willen des Volkes» aus der EU, begründete die nordirische Sinn-Fein-Chefin Michelle O’Neill den Vorstoss. Der Brexit sei eine Katastrophe für Nordirland und die Republik Irland und werde zu einer befestigten Grenze zwischen den beiden Teilen der Insel führen, warnte O’Neill. Die Nordiren hatten beim Brexit-Referendum im vergangenen Jahr – wie die Schotten – mehrheitlich gegen den Brexit gestimmt. Sie wurden aber von England und Wales überstimmt.
Die Auslandsbanken in Deutschland dringen unterdessen auf rasche Klarheit für die Finanzbranche in den Brexit-Verhandlungen. «Wir brauchen Übergangsfristen, es geht nicht anders», betonte der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Auslandsbanken in Deutschland (VAB), der UBS-Manager Stefan Winter, in Frankfurt. Verlässt Grossbritannien den EU-Binnenmarkt, hätten in London angesiedelte Banken ein Problem: Sie benötigen für Dienstleistungen wie Einlagen- und Kreditgeschäft in der Europäischen Union rechtlich selbstständige Tochterbanken mit Sitz in einem EU-Staat.
Das britische Pfund verlor nach den jüngsten politischen Ereignissen in Grossbritannien an Wert. Es fiel im Handel mit dem US-Dollar auf den tiefsten Stand seit knapp zwei Monaten. Am Morgen war der Kurs bis auf 1,2125 US-Dollar gesunken. (awp/mc/upd/ps)