London – Grossbritanniens Premierministerin Theresa May will nach ihrer schmerzhaften Wahlschlappe zügig eine Minderheitsregierung mit Hilfe der nordirischen DUP auf den Weg bringen. Verhandlungen am Wochenende blieben zwar noch ohne Ergebnis. Die Vorsitzende der strikt konservativen Democratic Unionist Party, Arlene Foster, bewertete die Gespräche am Sonntag dennoch als «sehr gut».
Am Nachmittag ordnete May ihr Kabinett neu. Ihr enger Vertrauter Damian Green, bisher Arbeitsminister, wird Kabinettschef und de facto Vize-Premierminister. Die umstrittene Justizministerin Liz Truss wird ersetzt durch David Lidington, den Vorsitzenden des Unterhauses. Die weitaus meisten Minister bleiben aber im Amt.
Johnson stärkt May den Rücken
Unerwartete Rückendeckung erhielt May von Aussenminister Boris Johnson, der ebenfalls seinen Posten behält. Er schrieb in einer vom Nachrichtensender Sky News verbreiteten WhatsApp-Nachricht an eine Gruppe Konservativer: «Leute, wir müssen uns beruhigen und die Premierministerin stützen.» Er dementierte öffentlich einen Zeitungsbericht, dass er May ablösen wolle. Die «Daily Mail» hatte geschrieben, sein Team bereite eine Kandidatur vor.
Rücktritt nach Regierungsbildung?
Beobachter halten es für möglich, dass die Premierministerin zurücktritt, nachdem sie die neue Regierung gebildet hat. Mays Ansehen hat auch in den eigenen Reihen schwer gelitten. Sie hatte die vorgezogene Wahl ausgerufen, um vor den Brexit-Verhandlungen ihre Regierungsmehrheit im Unterhaus zu vergrössern – und scheiterte auf ganzer Linie. Ihre beiden wichtigsten Berater haben bereits ihre Jobs aufgegeben.
Die Zeit drängt
Bereits am Montag in einer Woche soll Königin Elizabeth II. das Regierungsprogramm verlesen. Und am selben Tag wollen London und Brüssel mit den Brexit-Verhandlungen beginnen.
«Lebende Tote»
Ex-Finanzminister George Osborne, den May 2016 entliess, nannte May eine «lebende Tote». Labour-Chef Jeremy Corbyn, dessen Partei viele Sitze bei der Wahl hinzugewinnen konnte, sagte dem «Sunday Mirror»: «Ich kann immer noch Premierminister werden.» Das Regierungsprogramm könnte im Unterhaus mehrheitlich abgelehnt werden. Wenn Konservative und DUP sich einigen, ist das allerdings unwahrscheinlich.
Ein Knackpunkt für die Tories und die pro-britische DUP dürfte die Grenze zwischen Irland und Nordirland nach dem EU-Austritt der Briten sein. Die Nordiren wollen keine feste EU-Aussengrenze zu Irland, die Familien trennen und Handelsbeziehungen stören würde. Daneben dürfte die DUP finanzielle und sozialpolitische Zusagen aushandeln. Die Opposition und auch Konservative kritisierten, dass die DUP Vorbehalte gegen Homo-Ehe, Abtreibung und Klimaschutz habe.
May verlor in der vorgezogenen Parlamentswahl am Donnerstag nach schweren Fehlern im Wahlkampf ihre Regierungsmehrheit. Die konservativen Tories blieben aber stärkste Kraft vor der sozialdemokratischen Labour-Partei. Die DUP stellt zehn Abgeordnete. (awp/mc/pg)