Probandin beim Training mit dem Therapieroboter ARMin. (Foto: Dietmar Heinz)
Zürich – Nach einem Schlaganfall kämpfen Patienten oft mit anhaltenden Lähmungen. Forschende der ETH Zürich untersuchten, ob eine roboterassistierte Therapie Betroffenen hilft. Wie sich zeigte, ist diese Therapieform insbesondere bei Schwerstbetroffenen mit Armlähmung erfolgreich.
Pro Jahr erleiden in der Schweiz etwa 16‘000 Menschen einen Schlaganfall. Diejenigen, die ihn überleben, haben oft mit anhaltenden Ausfällen des Zentralnervensystems zu kämpfen. Weltweit gehört ein Schlaganfall zu den häufigsten Ursachen einer Lähmung. Physio- oder Ergotherapie kann einiges an Beweglichkeit zurückbringen, jedoch kann ein Patient oder eine Patientin mit schweren Lähmungserscheinungen beispielsweise eines Arms, durch diese therapeutischen Übungen nur begrenzt Funktion wiedergewinnen.
Hoffnung weckt nun eine neue Studie von Forschenden um Robert Riener, Professor am Labor für Sensomotorische Systeme der ETH Zürich. Sie verglichen die Fortschritte, die Patienten mit Armlähmung mit zwei verschiedenen Therapieformen machten: einerseits einer konventionellen Therapie, bei der die Patienten klassisches Training mit einem Physio- oder Ergotherapeuten durchführten, andererseits eine Therapie, bei der ein Roboter die Bewegung des Arms beim Training unterstützte. Ihre Studie ergab, dass die roboterassistierte Therapie im Durchschnitt zu leicht besseren Ergebnissen führt als die konventionelle.
Simuliertes Wasser einschenken
«Im Durchschnitt war der Unterschied zur konventionellen Therapie klein, aber gerade Patienten, die stärker gelähmt waren, machten mithilfe des Roboters viel grössere Fortschritte», erklärt Riener. Grund dafür könnte sein, dass der Roboter individuell auf den Patienten eingestellt werden kann. Damit unterstützt er die Bewegung des Armes so, dass auch Patienten mit schweren Lähmungen die Übungen effizient durchführen können. Auch ermöglicht der Roboter ein spielerisches Training von Alltagsbewegungen über eine Computersimulation, die auf einem Bildschirm dargestellt wird. Zum Beispiel können Patienten in aller Ruhe üben, Wasser aus einem Krug in ein Glas zu giessen, ohne tatsächlich etwas zu verschütten.
Von 77 Probanden erhielt die eine Hälfte eine konventionelle Therapie, die andere Hälfte die roboterassistierte Therapie, mit jeweils drei Therapiesitzungen pro Woche über acht Wochen hinweg. Vor, während und nach diesem Zeitraum prüfte regelmässig eine unabhängige Person die Armbeweglichkeit der Probanden anhand verschiedener, etablierter Bewertungssysteme (primärer Endpunkt war der Fugl-Meyer-Test), ohne zu wissen, welche Form der Therapie sie erhielten. Die Forschenden beschränkten die Auswahl der Probanden zudem auf Patienten, deren Schlaganfall mehr als sechs Monate zurücklag, um auszuschliessen, dass eine spontane Erholung die Ergebnisse verfälschte.
Das Plateau durchbrechen
Etwa ein halbes Jahr nach einem Schlaganfall erreichen die meisten Patienten trotz Therapie ein chronisches Stadium, in welchem weitere Behandlung kaum mehr zusätzliche Beweglichkeit zurückbringt. Dieses Plateau zu überwinden, sei eine grosse Herausforderung für die klinische Forschung, sagt Verena Klamroth, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Riener und Erstautorin der Studie, die kürzlich im Fachjournal «The Lancet Neurology» erschienen ist. «Dass dies mithilfe des Roboters gelungen ist, ist grossartig und macht Hoffnung.»
Der Vergleich mit der konventionellen Therapie ergab weiter, dass die Robotertherapie zwar in Sachen motorische Funktion, die konventionelle Therapie aber in Sachen Kraftaufbau bessere Ergebnisse erbrachte. Die Forschenden sehen jedoch eine Möglichkeit, dieses Manko des Therapieroboters zu beheben: Wenn Patienten die Übungen in einem künftigen Roboter gegen einen einstellbaren Widerstand durchführen können, dürfte sich auch der Kraftaufbau verbessern, was schliesslich noch mehr der Armfunktion zurückbringen könnte.
Selbständiges Training
Ein Vorteil des Therapieroboters sei nicht nur, dass die Therapieform für jeden Schweregrad der Lähmung möglich sei, sondern auch, dass Patienten damit selbständig trainieren können, vielleicht eines Tages sogar zuhause, sagt Riener. Der Roboter unterstützt nicht nur die Bewegung, sondern motiviert die Patienten auch über Computerspiel-Elemente. Dank der spielerischen Elemente wiederholen die Patienten die Übungen häufiger, und dies könnte einer der Vorteile der Robotertherapie sein, vermuten die Forschenden.
Gewisse Vorsicht bei den Ergebnissen sei geboten, da eine Blindstudie, wie sie bei Placebo-kontrollierten klinischen Studien sonst üblich ist, in diesem Fall nicht möglich war, so Klamroth. Patienten reagieren in der Regel stärker auf eine neuartige Behandlungsform als auf eine «althergebrachte». Dennoch sehen die Forschenden ein grosses Potenzial in der roboterassistierten Therapie. «Dass die Schwerstbetroffenen jetzt eine Chance auf eine Therapie haben, ist wirklich etwas absolut Neuartiges», sagt Klamroth. Das volle Potenzial der neuen Therapieform müsse nun in weiteren Studien über längere Zeiträume, mit mehr Testparametern und bei grösseren Gruppen unterschiedlich stark Betroffener untersucht werden. (ETH/mc/pg)