Die Kompetenzen in Wirtschaft, Deutsch, Mathematik und allgemeine kognitive Fähigkeiten im Bildungsgangvergleich (Bild: UZH)
Zürich – Gymnasiastinnen und Gymnasiasten mit Schwerpunktfach Wirtschaft und Recht haben das beste ökonomische Wissen und Können. Sie verstehen wirtschaftliche Zusammenhänge besser als andere Gymnasiasten und auch als Schülerinnen und Schüler einer Berufsmaturitätsschule mit kaufmännischer Ausrichtung. Diese sind dagegen im Bereich Finanzen am besten, wie ein erstmaliger Vergleich der Universität Zürich zwischen Berufsmaturanden und Gymnasiasten zeigt. «It’s the economy, stupid!» möchte man den Bildungsverantwortlichen zurufen. Die wenigen Lektionen in Wirtschaft und Recht für Gymnasiasten mit anderen Schwerpunktfächern lassen nämlich eine ausreichende Grundbildung kaum zu.
Wie steht es um die ökonomischen Kompetenzen der Maturandinnen und Maturanden? Eine Studie der Universität Zürich vergleicht erstmals den Unterschied zwischen Jugendlichen, die kurz vor der Berufsmatura und der gymnasialen Matura stehen. Prof. Franz Eberle vom Institut für Erziehungswissenschaft der UZH und Prof. Stephan Schumann, Universität Konstanz, haben für diese Studie 2328 Jugendliche aus 150 Klassen der Deutschschweiz untersucht. Unterschieden wurde bei den Gymnasiastinnen und Gymnasiasten zwischen Klassen ohne und mit dem Schwerpunktfach Wirtschaft und Recht. Bei den Jugendlichen der Berufsmittelschule wurde zwischen Lernenden der kaufmännischen Richtung (KV-BMS) und solchen der anderen BMS-Richtungen unterschieden. Erhoben wurden auch die Deutsch- und Mathematikkompetenzen sowie die allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, sodass auch in diesen Bereichen erstmals Vergleiche möglich sind.
Gymnasiasten mit Schwerpunkt Wirtschaft liegen vorn
Beim Vergleich der ökonomischen Kompetenzen erzielten Gymnasiastinnen und Gymnasiasten mit Schwerpunktfach Wirtschaft und Recht höhere Leistungen in volkswirtschaftlich (VWL) und betriebswirtschaftlich (BWL) ausgerichteten Problemstellungen als die KV-BMS-Lernenden. Die KV-BMS-Lernenden schnitten hingegen im Bereich Finanzen am besten von allen ab, am zweitbesten die Gymnasiasten mit Schwerpunkt Wirtschaft und Recht. Gymnasiastinnen und Gymnasiasten, die nur die obligatorische Einführung in Wirtschaft und Recht besucht hatten, erzielten sogar signifikant schlechtere Leistungen als die BMS-Lernenden der nicht-kaufmännischen Richtungen und liegen am Schluss. Erklärbar ist dies mit der kleineren Lektionenzahl in Fächern, in denen ökonomisches Wissen und Können erworben werden. «Es zeigt sich aber auch, dass der Wirtschaftsunterricht und die dafür aufgewendete Zeit eine substanzielle Wirkung erzielt», sagt Erziehungswissenschaftler Franz Eberle.
Besser in Deutsch und Mathematik als in Wirtschaft
Gesamthaft gesehen verfügen die Gymnasiasten in Deutsch und Mathematik über das bessere Wissen und Können als die Berufsmaturanden. «Das ist zwar nur schon wegen der höheren Stundenzahl in diesen Fächern plausibel, muss aber entgegen zuweilen anderslautenden Behauptungen auch wieder einmal deutlich gesagt werden», so Eberle. Gymnasiasten erzielten zudem im Test zu den allgemeinen kognitiven Fähigkeiten die besseren Werte als die Berufsmaturanden. Die KV-BMS-Lernenden sind im Vergleich zu den anderen BMS-Lernenden in Deutsch besser, dafür deutlich schlechter in Mathematik.
Laut Prof. Eberle klafft die bildungstheoretische Bedeutung des Fachs Wirtschaft und Recht und die praktische Umsetzung im Gymnasium auseinander. Ökonomische Kompetenzen sind heute unabdingbarer Bestandteil für eine Vorbereitung auf anspruchsvolle Aufgaben in der Gesellschaft. «Hier besteht folglich Handlungsbedarf», lautet das Fazit von Prof. Eberle aus der Studie. Zudem hält er fest, dass die kognitiv leistungsfähigsten Jugendlichen nach wie vor das Gymnasium besuchen. (UZH/mc/ps)
Literatur:
Eberle, Franz & Schumann, Stephan. (2013). Ökonomische Kompetenzen und weitere Kompetenzen von Deutschschweizer Berufsmaturanden und Gymnasiasten im Vergleich. Gymnasium Helveticum, 67 (1), 18-21.