Mehrheit der Schweiz vertraut der Wissenschaft – teilweise auch kritische Stimmen
Zürich – Das Interesse an Wissenschaft und das Vertrauen in Forschung war während der Pandemie gewachsen. Nun hat es sich wieder auf dem Ausgangsniveau eingepegelt, wie der Wissenschaftsbarometer Schweiz 2022 zeigt. Online-Quellen und Instant Messenger haben als Informationsquellen für wissenschaftliche Themen an Bedeutung gewonnen.
Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer findet, dass Forschung inklusive Grundlagenforschung notwendig ist und ihr Leben verbessert. Laut den neuen Ergebnissen des Wissenschaftsbarometer Schweiz stimmen 71 bzw. 67 Prozent der Befragten diesen Aussagen zu. Eine Mehrheit von 66 Prozent ist ausserdem der Ansicht, wissenschaftliche Forschung solle staatlich unterstützt werden. 54 Prozent der Bevölkerung meinen, dass politische Entscheidungen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen sollten.
Vertrauenshöhepunkt während der Corona-Pandemie
Der Blick auf frühere Wissenschaftsbarometer-Erhebungen verdeutlicht, dass das öffentliche Interesse an Wissenschaft und das Vertrauen in sie zu Beginn der Corona-Pandemie sogar angestiegen waren. 2022 pendelten sie sich aber wieder auf dem vergleichsweise hohen Ausgangsniveau ein. Während 2019 noch 56 Prozent der Befragten angaben, Wissenschaft und Forschung in hohem oder sehr hohem Masse zu vertrauen, waren es Ende 2020, in einer Hochphase der Pandemie, knapp 67 Prozent. Diese Zahl ist nun wieder auf 59 Prozent gesunken. «Das unterstreicht einerseits, dass die meisten Schweizerinnen und Schweizer wissenschaftlicher Forschung positiv gegenüberstehen», kommentiert Mike Schäfer, Professor für Wissenschaftskommunikation an der Universität Zürich und Co-Leiter des Wissenschaftsbarometer Schweiz. «Aber unsere Resultate machen auch deutlich, was die teils hitzigen Diskussionen der vergangenen Monate gezeigt haben: Es gibt durchaus kritische Stimmen.»
Kritische Stimmen haben teilweise zugenommen
Zwar findet immer noch eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung, dass Forscherinnen und Forscher die Öffentlichkeit über ihre Arbeit informieren sollten. Jedoch stimmen dieser Forderung im Jahr 2022 mit 69 Prozent deutlich weniger Menschen zu als noch vor der Pandemie (79 Prozent). 22 Prozent der Befragten sind zudem der Ansicht, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft steckten unter einer Decke. Geteilte Meinungen finden sich bei den Fragen, ob man sich im Allgemeinen zu sehr auf die Wissenschaft verlasse (36 Prozent Ablehnung, 30 Prozent Zustimmung) oder ob Wissenschaft ohne Einschränkung alles erforschen dürfe (43 Prozent Ablehnung, 26 Prozent Zustimmung).
Internet-Quellen lassen Fernsehen und Printmedien hinter sich
Der Wissenschaftsbarometer zeigt zudem, dass die Schweizer Bevölkerung im Jahr 2022 teils über andere Informationsquellen mit Wissenschaft und Forschung in Kontakt kommt als noch vor einigen Jahren. «Wir sehen hier einen Medienwandel», so Co-Studienleiterin Julia Metag, Professorin für Kommunikationswissenschaft, «der sich schon in den vergangenen Studien abgezeichnet hat, aber durch die Corona-Pandemie teilweise beschleunigt wurde – etwa einen Trend hin zu Online-Quellen und Messengern». So haben Internet-Quellen das Fernsehen und Printmedien mittlerweile eindeutig hinter sich gelassen, wenn es um die Themen Wissenschaft und Forschung geht. Zu den meistgenutzten Internet-Quellen zählen Websites und Apps von etablierten Nachrichtenmedien, gefolgt von Wikipedia, Behörden-Websites und Videoplattformen wie YouTube. Instant Messenger wie WhatsApp oder Telegram haben als Informationsquellen während der Pandemie an Bedeutung gewonnen. Dafür wurden persönliche und Live-Formate wie Ausstellungen, Vortragsveranstaltungen oder öffentliche Diskussionen weniger besucht.
Erfahrungen mit Desinformation sind verbreitet
Die meisten Schweizerinnen und Schweizer stossen zumindest gelegentlich auf Inhalte zu wissenschaftlichen Themen, die sie für Desinformation halten – also Informationen, die sie selbst für falsch und eine gezielte Täuschung halten. Nur ein kleiner Teil der Befragten gibt an, dies sei nie der Fall. Die meisten Menschen gehen vorsichtig mit Inhalten um, die ihres Erachtens Desinformation sind: Die Mehrheit derjenigen, die auf Desinformation stiessen, war in der Folge skeptischer gegenüber der Quelle dieser Inhalte (53 Prozent) und teilte sie nie oder nur selten mit anderen (51 Prozent). (mc/pg)