Es tut sich was – nicht nur auf den Strassen, sondern auch in den Köpfen findiger Bäuerinnen und Bauern und Gastronominnen und Gastronomen. So veranstaltete Soil to Soul kürzlich in Luzern eine sogenannte Produzentenarena, im Rahmen der sich innovative Produzierende mit nachhaltig denkenden Gastronomen zu einer Podiumsdiskussion und einer Art Round Table trafen, um künftige Zusammenarbeit und Möglichkeiten zum Absatz regionaler Lebensmittel zu diskutieren. Das innovative Format hatte schweizweit bereits mehrfach stattgefunden und brachte – wie so oft an diesen zukunftsweisenden Veranstaltungen – spannende Gedanken, Optionen und Zukunftsvorstellungen hervor, die ein Herz wie meins höher schlagen lassen.
Einzig bleibt bei mir nach solchen Veranstaltungen jeweils ein leicht bitterer Nachgeschmack zurück. Vertreten waren in Luzern Persönlichkeiten wie Bruno Mufti vom Haldihof in Weggis, Carla Zumbühl-Schibig von Hiäsigs in Grafenort und Nils Hofer von der gleichnamigen Fischerei in Meggen, die alle für ihre nachhaltigen und innovativen Ansätze in der Lebensmittelproduktion bekannt sind. Auf der Seite der Gastronomie stehen Moritz Stiefel vom Stiefels Hopfenkranz in Luzern, Mario Waldispühl von der Luzerner Jazzkantine und Noémie Bernard vom Sternen in Walchwil, welche die Leidenschaft für Qualitätsprodukte und eine nachhaltige Küche teilen. Selbstverständlich ist dieser Austausch, die Vernetzung und insbesondere die Sensibilisierung des Publikums für regionale, nachhaltige Produkte von grossem Wert und erfüllt einen mit einer gewissen Zuversicht, das Ernährungssystem betreffend.
Doch ein Blick auf die Realität fällt leider ernüchternd aus. Die vertretenen Teilnehmenden sind in ihrem Bereich jeweils Pioniere und produzieren Spezialitäten und Produkte für eine bestimmte Nische, die sich entsprechende Gastronomen mit einem darauf ausgerichteten Konzept – und der entsprechenden Zahlungsbereitschaft der Gäste – leisten können. Auch bei zukünftigen Produzentenarenen, die ich im Übrigen mit Begeisterung besuchen werde, finden sich Köpfe wie Patrick Marxer, der das erste schweizerische Bio-Miso produziert und mit asiatischen Fermentationstechniken arbeitet. Alles grossartige Pioniere und inspirierende Menschen, aber auch alles keine gangbaren Wege für die breite Masse, sondern exquisite Nischenbeziehungen zwischen Spezialitätenproduzent*innen und sensibilisierten, darauf ausgerichteten Restaurants. Zukunftsweisend für die Anwendung auf die Schweizer Landwirtschaft und Gastronomie ist dieses Konzept nicht – natürlich wird es weitere Beziehungen dieser Art geben und die Stärkung dieses Netzwerkes ist ohne Zweifel wichtig und gewinnbringend, aber nur begrenzt skalierbar.
Im Gespräch mit Gastronomi*innen und Bauern in meiner Umgebung habe ich nämlich des Öfteren bereits über solche Beziehungen und Möglichkeiten der Vernetzung gesprochen – stets mit dem gleichen Resultat. Ein Landwirtschaftsbetrieb, der auf eher kleinerer Fläche Gemüse und Freilandeier produziert und anbietet, ist nun einmal auf höhere Produzentenpreise angewiesen, als es sich der stark unter Preisdruck (steigende Heizkosten, Personalkosten, Fachkräftemangel) stehende Durchschnittsgastronom, der nicht für sein innovatives Nachhaltigkeitskonzept bekannt ist, leisten kann. Weder produziert der Landwirtschaftsbetrieb Spezialitäten, die auf der Karte entsprechend ausgelobt werden können, noch verköstigt das Restaurant entsprechend sensibilisierte Gäste, sondern macht einen ganz normalen Mittags- und Abendservice, ohne bei jedem Gang die Geschichte der fermentierten Karotte erzählen zu können, sondern argumentieren zu müssen, warum man aktuell 20 Rappen mehr fürs Bier nehmen muss.
Wie schaffen wir es also, in der breiten Masse einen höheren Absatz regionaler, nachhaltig produzierter Lebensmittel sicherzustellen – ganz normaler Lebensmittel des täglichen Gebrauchs ohne USP und Nischenbedienung? Die Lösung wäre zum einen so einfach wie schwer: Wäre die Zahlungsbereitschaft der Menschen für gute Produkte in einem Restaurant höher, könnten sich Wirte einen höheren Anteil des Wareneinsatzes aus regionaler Produktion leisten. Doch das Lamento über die fehlende Zahlungsbereitschaft und Anklagen der Konsumierenden ist weder zielführend noch Erkenntnis stiftend – interessanter wäre es, über neue Optionen nachzudenken. Und hier kommt mein Ansatz ins Spiel: In Anbetracht dessen, dass jede Gemeinde und Stadt über öffentliche Verpflegungseinrichtungen verfügt (Kindertagesstätten, Altersheime, Betriebskantinen etc.), wäre es da nicht sinnvoll, einen möglichst hohen Anteil des Wareneinsatzes aus regionaler Produktion zu beziehen? Damit hätten Bäuerinnen und Bauern einen gesicherten Absatzkanal zu fairen Preisen und die Bevölkerung würde mit regionalen, gesunden Lebensmitteln versorgt.
“Der Staat”, wie oft argumentiert wird, zahlt ohnehin für die Verpflegung dieser Einrichtungen und klar, mit mehr regionalen Produkten würde die Kosten dafür leicht steigen. Aber es gibt in meinen Augen wenig sinnvollere Einsätze von Steuerfranken als für die Stärkung der regionalen Landwirtschaft und die gesunde Verpflegung der Kinder und Senioren. Und einmal kalkuliert, wird man feststellen: Beim Fokus auf saisonales Gemüse und mehr pflanzlicher Verpflegung, statt täglich Fleisch und Erdbeerdessert im Winter, werden die Mehrkosten fast schon vernachlässigbar.
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