Meret Schneider: Ernährungsempfehlungen, Eiweisserbsen und die grosse Empörung

Meret Schneider: Ernährungsempfehlungen, Eiweisserbsen und die grosse Empörung
Meret Schneider, Nationalrätin, Grüne Schweiz. (Bild: parlament.ch)

Wann immer neue Ernährungsempfehlungen des Bundes publiziert werden, ist die Empörung gross. Bevormundung, Zwang, Lobbyismus: Die Schlagworte, mit denen die Wortgefechte ausgetragen werden, sind markig, haben aber materiell wenig mit den tatsächlichen Empfehlungen zu tun.

So äusserte sich Nationalrat Mike Egger in einem Beitrag von Tele Züri, es handle sich dabei um Bevormundung von “Linken und Grünen”, weil in den neuen Empfehlungen pflanzliche Proteine wie Hülsenfrüchte einen höheren Stellenwert geniessen und etwas weniger Fleisch empfohlen wird. Tatsächlich wurden die Empfehlungen unter anderem von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung ausgearbeitet, in Zusammenarbeit mit dem BLV und weder Politiker*innen noch Umweltorganisationen hatten dabei die Hände im Spiel – im Gegenteil. Premium – Gönnermitglieder der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung sind unter anderem Schweizer Fleisch, Emmi, Nestlé, Migros und Coop, zu den weiteren Gönnermitgliedern gehören die Schweizer Milchproduzenten SMP und die Switzerland Cheese Marketing AG – wenn von Lobbyismus die Rede sein könnte, dann wäre ein Blick auf die Finanzierung der SGE vielleicht aufschlussreicher.

Doch statt zu spekulieren und den Sturm im Wasserglas zu entfachen, lohnt es sich, einen Blick auf die konkreten Empfehlungen zu werfen. Diese fallen bezüglich Reduktion des Fleischkonsums sogar moderater aus als in Deutschland und bergen für die hiesige Landwirtschaft grosses Potenzial – das diese auch erkennt. So werden vom Bund keineswegs einzelne Lebensmittelgruppen diskriminiert, wie moniert wurde, sondern es werden Lebensmittelgruppen stärker betont, die zuvor keine grössere Bedeutung erfuhren – beispielsweise Hülsenfrüchte. Diese befinden sich nicht mehr in der dritten Stufe zusammen mit Getreideprodukten und Kartoffeln, sondern gelten wie Fleisch, Fisch oder Eier als Proteinquelle. So soll der rege Fleischkonsum der Schweizerischen Bevölkerung etwas gedrosselt werden – auf höchstens dreimal pro Woche.

Hülsenfrüchte als Proteinquelle – eine Chance auch für die Landwirtschaft und keine Bevormundung, sondern eine Reaktion auf das Konsumverhalten der Bevölkerung, bei dem die Nachfrage nach pflanzlichen Proteinquellen steigt, wie in der Bauernzeitung zu lesen ist[1]. Hülsenfrüchte bieten nämlich auch Vorteile für den Anbau, da sie weniger anfällig für Pflanzenkrankheiten sind, was sie in Anbetracht der zunehmenden extremen Wetterereignisse attraktiv für Bäuerinnen und Bauern macht. Des Weiteren sind sie resilient gegenüber längeren Trockenheitsperioden und daher geeignete Kulturen, um den Folgen des Klimawandels zu begegnen. Zudem fixieren Hülsenfrüchte Stickstoff aus der Atmosphäre, wodurch in einer Fruchtfolge der Bedarf an mineralischen Stickstoffdüngern sinkt.

Während sich also in Politik und populistischen Kommentarspalten über vermeintlichen Zwang und Bevormundung enerviert wird, ergreifen Landwirtinnen und Landwirte selber die Initiative und haben das Potenzial längst erkannt: Schweizer Lupinen, Tofu aus dem Thurgau oder Hummus aus Hinteregg – zu entdecken und geniessen gibt es viel und gerade bei pflanzlichen Alternativprodukten sollten wir auf Schweizer Bäuerinnen und Bauern setzen, damit sie für ihren Innovationsgeist auch belohnt und entschädigt werden.

Eine ideale Gelegenheit dazu bot der Direktvermarktungstag am 14. September von lokal+fair, bei dem Bauern, Höfe und Gewerbe Tür und Tor öffneten, zu Degustationen einluden und ihre Produkte präsentierten. Nach der Eröffnung in Stäfa durch Faire Märkte Schweiz – Präsident Stefan Flückiger, aber auch Nationalrat Martin Haab und Lokal+fair-Pionier Martin Jucker, zeigte sich ganz konkret, wie lokale Bauern vor Ort unterstützt werden können und welche Leistungen sie erbringen. Ob Getreide mahlen in Stäfa, preisgekrönte Würste degustieren in Uster oder – und damit sind wir zurück bei den pflanzlichen Alternativen – Hummus aus Egger Kichererbsen und Schweizer Tofuspezialitäten: Der Direktvermarktungstag brachte Bevölkerung und Bauern zusammen und bei Hummusbruschetta und Tofuspiess fühlte sich niemand bevormundet, sondern schlicht reicht beschenkt von der Ernte der lokalen Bäuerinnen und Bauern.

Nun müssen wir nur eines tun: Weniger Empörung online, mehr Engagement vor Ort und das neu Entdeckte in den Alltag einbauen. Hülsenfrüchte aus der Umgebung genauso wie ab und zu eine lokale Wurst vom Weidesäuli – ganz, wie es die Ernährungsempfehlungen vorschlagen. Und wer mehr lokale Produzierende kennenlernen möchte, findet Inspiration und benachbarte Höfe direkt auf der Website von lokal+fair: ​​https://lokalundfair.ch/.


[1] https://www.diegruene.ch/artikel/vermischtes/huelsenfruechte-im-mischanbau-foerdern-531364?_sc=MzcwMTM2MiMxNjY4NA%3D%3D&utm_campaign=Begnstigungen_bei+der+Hof%C3%BCbergabe&utm_medium=email&utm_source=sendinblue


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