Meret Schneider: Faire Preisgestaltung wird politisch

Meret Schneider: Faire Preisgestaltung wird politisch
Meret Schneider, Nationalrätin von 2019 bis 2023, Grüne Schweiz. (Bild: parlament.ch)

Ich gebe es zu; selten stimmen mich gesellschaftspolitische Entwicklungen so richtig optimistisch, insbesondere was die Agrarpolitik betrifft. In Bezug auf eines meiner Fokusthemen stimmt mich der Lauf der Dinge aber nun tatsächlich positiv: Die Preisgestaltung bei Lebensmitteln und Agrarprodukten im Detailhandel. Bereits im Juni 2021 habe ich ein Postulat mit dem Titel “Preistransparenz bei Agrarprodukten im Detailhandel” eingereicht, das vom Bundesrat forderte, zu prüfen, wie unlautere Handelspraktiken im Detailhandel bei Agrarprodukten unterbunden werden könnten und Preistransparenz für Konsumierende in Bezug auf Produzenten- und Konsumentenpreise, sowie in Bezug auf die Margen hergestellt werden kann.

Damals, im Juni 2021, trat in Deutschland die Reform des Agrarorganisationen- und Lieferketten-Gesetzes (AgrarOLkG) in Kraft, um unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette (UTP-Richtlinie) zu verhindern[1]. Das Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich (AgrarOLkG) sollte Lieferanten entlang der Wertschöpfungskette vor unlauteren Handelspraktiken wie kurzfristige Stornierung verderblicher Agrarprodukte oder Lebensmittel, Zahlungsfristen oder Beteiligungen der Lieferanten an Kosten für die Lagerung der Ware schützen.

Im November 2023 wurden dann die Ergebnisse einer umfassenden Evaluation durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft veröffentlicht, wodurch deutlich wurde, dass unlautere Praktiken angewendet werden, die über die mit dem AgrarOLkG verbotenen Praktiken hinausgehen. Aus diesem Grund legte die Ampelregierung nun im Juni 2024 den Entwurf zur Fortentwicklung des Gesetzes vor, der vorsieht, dass Lieferanten, die bislang nur befristet vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst waren, dauerhaft in den Schutzbereich einbezogen werden.

Analog zu diesem Gesetz forderte ich 2021 auch in der Schweiz, den Detailhandel in Bezug auf Verträge und Fairness gegenüber Produzierenden und Transparenz gegenüber Konsumierenden stärker in die Pflicht zu nehmen. Dies entspricht sowohl dem Bedürfnis der Konsumierenden und der Bauern, als auch dem politischen Willen, einseitigen Marktmissbrauch von Marktmächtigen zu unterbinden. Während mein Postulat vom Bundesrat ablehnend beantwortet wurde, fand es im Nationalrat dennoch eine Mehrheit und wurde folglich überwiesen. Bis heute ist diesbezüglich aber wenig Konkretes geschehen und die Preisgestaltung im Detailhandel ist noch immer sehr undurchsichtig, für Konsumierende, aber auch für Fachpersonen, wie der Verein Faire Märkte Schweiz bereits seit längerem beanstandet und mit wissenschaftlichen Untersuchungen unterfüttert[2] hat. Bei den Konsumentenpreisen besteht ein Druck nach oben, während die Preise an die produzierende Landwirtschaft in der Tendenz gedrückt werden.

Dies bestätigen auch die Berechnungen des Preismonitors von Ökonom Mathias Binswanger (Vizepräsident von Faire Märkte Schweiz). Die beiden Grossverteiler Migros und Coop dominieren den Schweizer Lebensmittelmarkt und besitzen erhebliche Marktmacht, was zur Folge hat, dass die Abnehmer sowohl bei konventionellen als auch bei Bioprodukten gegenüber den Bauern tiefe Preise durchdrücken können. Umgekehrt können die Grossverteiler bei einem Segment von zahlungskräftigen Kunden hohe Preise im Supermarkt verlangen.

Nun wurde – und das ist meine erfreuliche Nachricht – in der vergangenen Sommersession mit einer Motion von Nationalrat Rüegsegger nachgedoppelt: Er fordert, dass bei Lebensmitteln für die Konsumentinnen und Konsumenten ersichtlich ist, welcher Anteil des Preises an die Schweizer Landwirtinnen und Landwirte geht. Dieser wichtige Schritt Richtung Transparenz bezüglich der landwirtschaftlichen Produzentenanteile am Verkaufspreis soll Aufschluss über die tatsächliche Preisbildung im Detailhandel bieten, damit Konsumentinnen und Konsumenten sich ein Bild machen können, wie viel vom Endverkaufspreis letztlich bei den Bäuerinnen und Bauern ankommt.

Auch Landwirtinnen und Landwirten hilft die verbesserte Transparenz für ihre Preisverhandlungen, weil sie bei der heutigen Intransparenz in ihrer Verhandlungsposition gegenüber ihren Abnehmern benachteiligt sind. Mit dieser Motion, meinem Postulat und den Entwicklungen in Deutschland, wären nun beste Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich der Bundesrat der aktuell unfairen und in Bezug auf Transparenz desolaten Situation endlich energisch annimmt: Zwei breit abgestützte Vorstösse, mitunterzeichnet von fast allen Parteien und wissenschaftliche Publikationen zum Handlungsbedarf eines Ökonomen müssten Grund genug sein!


[1] https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1010312

[2] https://fairemaerkteschweiz.ch/forschung/#marktmacht


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