Meret Schneider: Saisonal ist nicht egal

Meret Schneider, Nationalrätin, Grüne Schweiz. (Bild: parlament.ch)

Als Grüne gehört es beinahe zum guten Ton, sich über die Nicht-Saisonalität von Obst- und Gemüsesorten im Detailhandel zu enervieren. Flugmangos, Spargeln im Februar und ganzjährig exotische Früchte gehören zu den beliebtesten Steinen des Anstosses, wenn es darum geht, sich über das Angebot der Detailhändler (Warum jetzt schon Spargeln?!) oder aber das Verhalten der Konsumierenden (wer kauft denn Pfirsiche an Weihnachten?!) zu empören. Solch Low Hanging Fruit des kollektiven Aufschreis, der nicht selten in unangemessenes Wutbürgertum mündet, versuche ich eigentlich meist nicht zu ernten und überlasse diese banalen Tiraden der Empörung anderen.

Klar, Flugmangos und Avocados aus Peru haben eine katastrophale Klimabilanz und klar, auch mir wäre daran gelegen, wenn grossflächig darauf verzichtet würde, aber die permanente Predigt des Verzichts und Mass haltens ist in meinen Augen weder zielführend, noch wird sie jemanden zum Überdenken des eigenen Konsumverhaltens bewegen. Wer vor die Wahl gestellt wird, etwas Umweltschädliches, Hedonistisches zu tun oder auf die Freude und den Genuss zu Gunsten des guten Gewissens zu verzichten, wird oft erstere Wahl treffen.

Auch ich habe meine Klimasünden, kaufe mir von Zeit zu Zeit eine Papaya im vollen Bewusstsein der Konsequenzen und mache Abstriche in Bezug auf die Minimierung des ökologischen Fussabdruckes. Schlichte Informationssalven, die mir im Ton der selbstgerechten Überlegenheit mein unrühmliches Verhalten vorwerfen, haben bei mir noch nie eine Verhaltensänderung bewirkt. Anders verhält es sich, wenn ich einen mir bis dato nicht bekannten Fakt erfahre oder aber eine Handlungsoption präsentiert erhalte, die mir tatsächlich Möglichkeiten eröffnet, Türen aufstösst und mich nicht schlicht in der Ecke der moralischen Halunken zurücklässt. Aus diesem Grund schreibe ich diese Kolumne zu einem öffentlich oft kritisieren Thema, das zum Frühling gehört wie der erste Bärlauchduft beim Waldspaziergang: die nicht saisonalen Erdbeeren.

Klar, Erdbeeren sollte man kaufen, wenn sie aus der Region stammen und hier Saison haben – wie grundsätzlich alles an Obst und Gemüse, so weit, so unspektakulär. Aber seien wir ehrlich: Die wenigsten von uns essen im Winter ausschliesslich Kabis und Rüben und wenn wir spanische Orangen essen, was ist an den ebenfalls spanischen Erdbeeren so viel schlimmer? Immerhin stammen sie nicht aus Übersee und haben auch keinen Flugtransport hinter sich. Das Problem ist, wie so oft, nicht primär der Anbauort, sondern die Anbauweise. Die meisten Erdbeeren, die momentan verfügbar sind, stammen aus der wasserarmen Provinz Huelva in Spanien. Dort werden die Früchte in riesigen Monokulturen angebaut – ein Plastikplanen-Tunnel reiht sich dabei unter enormem Wasserverbrauch und intensivem Düngereinsatz an den anderen, wie Utopia in einem Recherchebericht schreibt.

Die Erdbeerplantagen liegen rund um den Nationalpark Coto de Doñana, der Weltnaturerbe, Biosphärenreservat und eines der wichtigsten Feuchtgebiete Spaniens ist. Auf illegalen Anbauflächen wachsen dort Erdbeeren, wobei das Wasser häufig aus illegalen Bohrungen stammt, über 1’000 illegale Brunnen soll es allein in Huelva geben.

Das hat fatale Folgen für die Umwelt: Der Anbau gräbt der Doñana das Grundwasser ab. Offiziell gilt die Grundwasserschicht als übernutzt. Doch damit nicht genug: die Regionalregierung von Doñana plant, weitere 1’500 Hektar Land in den Bewässerungsplan aufzunehmen, auch dies ist der Recherche von Utopia und dem WWF zu entnehmen.

Mit unserer Lust auf Früherdbeeren zerstören wir also sehr direkt eines der wichtigsten Feuchtgebiete Spaniens, und dies irreversibel. Es ist daher durchaus wichtig, woher die Früchte stammen, aber ganz besonders auch, wie sie angebaut werden. Wenn man an Erdbeeren aus Spanien denkt und sie mit Ananas aus Übersee vergleicht, könnte man denken, der Transport aus Übersee sei doch sicher wesentlich schlimmer – doch weit gefehlt. Verglichen mit den katastrophalen Umweltschäden vor Ort in Spanien, kann man sich gut und gern eine Ananas von Zeit zu Zeit gönnen.

Und ein weiterer Faktor fällt hier ins Gewicht: Während wir bei Ananas tatsächlich entweder importieren oder verzichten müssen, ist dies bei Erdbeeren nicht der Fall. Es geht lediglich um ein, zwei Monate, bis die hiesigen, viel geschmackvolleren Beeren aus den Körbchen leuchten und ob wir nun im März mit wässrigen, oder im Juni mit süssen Früchtchen beginnen – diese zwei Monate sollte uns der spanische Nationalpark wert sein. Mit dieser Information im Hinterkopf werde ich künftig noch genauer prüfen, nicht nur wo, sondern auch wie meine kleinen Fruchtfreuden angebaut werden und geniesse vor den Erdbeeren erst mal ausgiebig die ersten Rhabarberstangen und Radiesli.


Meret Schneider, Eintrag bei Wikipedia
Meret Schneider, Eintrag auf der Parlamentsseite


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