Meret Schneider: Tierqual im Schatten der Stopfleber

Meret Schneider: Tierqual im Schatten der Stopfleber
Meret Schneider, Nationalrätin, Grüne Schweiz. (Bild: parlament.ch)

Ich gestehe, ich bin ein Weihnachtsfan. Sobald es auf den ersten Dezember zugeht, stapfe ich durch den Wald auf der Suche nach Tannenästen, aber auch durch die einschlägigen Warenhäuser, um mir aus dem glitzernden, festlich überladenen Kitsch jedes Jahr eine Weihnachtskugel oder -Figur auszuwählen, die dann einen Ehrenplatz erhält. Mein ganzes minimalistisches, konsumkritisches Ich sitzt derweil masslos irritiert in der Ecke, während ich Weihnachtslieder höre, Zimtsterne backe, Nägeli in Orangen stecke und Weihnachtskarten schreibe in dieser Zeit, in der ich alle Nüchternheit und den mir eigenen trockenen Pragmatismus ad acta lege für einen wunderbaren Kitsch-Monat Dezember.

Auch die Kulinarik spielt in dieser Zeit selbstverständlich eine grosse Rolle: für Viele ist es der Moment der Opulenz, des Gönnens und Zelebrierens aussergewöhnlicher Köstlichkeiten in gemütlicher Runde. Auch mich verschlägt es das ein oder andere Mal in eine Delikatessenabteilung, um saftige Dörrbirnen und eingelegte Spezialitäten zu kaufen, für die mir in den anderen Monaten mein konsumkritisches Ich einen Vogel zeigen würde.

Ernüchterung macht sich denn auch erst wieder breit, wenn ich an der Fleischabteilung vorbei gehe und in besagten Delikatessgeschäften auf Hummer, Stopfleber und, dies der Stein des Anstosses, auf Magret und Confit aus Stopfmast stosse. Bei Magret handelt es sich um Enten- oder Gänsebrust aus Stopfmast, deren Produktion in der Schweiz bereits seit 40 Jahren verboten ist. Anders als bei der besser bekannten Stopfleber ist dies den Konsumierenden jedoch kaum bekannt und, ebenfalls anders als bei Stopfleber, gäbe es Schweizer Bauern, die Enten- und Gänsebrust ohne die tierquälerische Praxis des Stopfens herstellen. Einer Umfrage der Tierschutzorganisation Vier Pfoten zu Folge weiss die grosse Mehrheit der Befragten nicht, wie Magret produziert wird und ist sich folglich nicht bewusst, welche Tierqual sie damit unterstützen.

Während der Nationalrat mit einer Motion zwar ein Verbot des Imports von Stopfleber überwiesen hat und der Bundesrat zumindest eine transparente Deklaration tierquälerisch erzeugter Stopfleber vorsieht, feiert die genauso tierquälerisch hergestellte Magret und andere Gänse- und Entenprodukte gestopfter Tiere im Schatten der Stopfleber zur Weihnachtszeit Hochkonjunktur.

Gemäss der repräsentativen Umfrage von Vier Pfoten konsumieren 41% der Schweizer Bevölkerung entsprechende Enten- und Gänseprodukte, 33% zur Weihnachtszeit oder an Festtagen. Da bei Stopfleber bereits der Name die grausame Praxis verrät und hier eine Deklaration in naher Zukunft umgesetzt wird, dürfte den Konsumierenden hier bewusst sein, welche Produktionsmethoden sie mit dem Kauf unterstützen – aber bei Magret, Graisse oder Confit? All dies sind Produkte, die es auch aus Schweizer Produktion ohne Stopfen zu kaufen gäbe, doch verrät aktuell nur die Herkunft eine eventuell tierquälerische Herstellung und auch da können sich Konsumierende mangels Zertifizierungssystem nicht sicher sein.

Das Stopfen von Gänsen und Enten ist nämlich bereits in fast allen europäischen Ländern verboten und wird nur noch in wenigen Ländern wie Frankreich, Ungarn oder Bulgarien praktiziert – doch gerade aus Frankreich stammt der Löwenanteil der importierten Produkte. Für die Produktion von Stopfleber werden junge männliche Gänse und Enten mehrmals täglich mit Metallrohren und Futter gestopft, bis ihre Leber krankhaft bis auf das zehnfache ihrer normalen Grösse anschwillt, manchmal gar zerreisst. Die gequälten Tiere erleiden dabei Flügelbrüche, schmerzhafte Wunden und oft verletzte Hälse. Dies erfüllt den Tatbestand der Tierquälerei und ist daher in der Schweiz unter Strafandrohung verboten. Mit der Motion des Nationalrats wird allerdings nur der Import von Stopfleber untersagt, während Magret und andere Produkte wie Graisse und Confit noch immer ohne Deklaration importiert werden dürfen. In seinem Bericht zur Regulierungsfolgenabschätzung zur Einführung neuer Pflichten zur Deklaration der Herstellungsmethoden tierischer Erzeugnisse betont auch der Bundesrat die Wichtigkeit der Deklaration für die Transparenz der Konsumierenden; eine Deklarationspflicht ist jedoch aktuell nur für Stopfleber vorgesehen.

Gerade weil auch in der Schweiz Enten- und Gänsebrust produziert wird, die nicht aus Stopfmast stammt, ist es ausgesprochen verwerflich, der eigenen Landwirtschaft hohe Auflagen zu machen, derweil jedoch Qualprodukte aus dem Ausland zu importieren, ohne dass Konsumierende den Unterschied zu hiesigen ungestopften Produkten erkennen können. Eine Deklarationspflicht sämtlicher Produkte aus Stopfmast tut daher im Sinne der Konsequenz Not und ist in Anbetracht der geringen Information über entsprechende Produkte auf Seite der Konsumierenden mindestens so wichtig wie die bereits angedachte Deklarationspflicht von Stopfleber. Meine Motion dazu wird noch diese Session eingereicht – hoffentlich mit breiter Unterstützung aus allen Parteien, denn worauf sich doch stets alle einigen können ist die Freiheit der Konsumierenden und für eine freie Entscheidung braucht die Konsumentin die volle Information über das Produkt. Das meint im Übrigen nicht die grüne Meret Schneider, sondern der geschätzte Adam Smith.


Meret Schneider, Eintrag bei Wikipedia
Meret Schneider, Eintrag auf der Parlamentsseite


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