Basel – Die aktuellen weltweiten Entwicklungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten und die damit zusammenhängenden, ansteigenden Preise bedrohen die Schweizer Industrie und die Baubranche, welche von Metall abhängig sind. Der Dachverband metal.suisse zeigt die Fakten auf und fordert die Politik zum Handeln auf. Ohne zeitnahe Interventionen steht der Wirtschaftsstandort Schweiz auf dem Spiel.
Die allgemeine wirtschaftliche und industrielle Erholung in der Schweiz und der Europäischen Union scheint zunehmend uneinheitlich und mit Abwärtsrisiken behaftet zu sein. Hauptsächlich handelt es sich dabei um anhaltende, schwerwiegende Störungen in den globalen Lieferketten (d. h. Verknappung von Komponenten und Rohstoffen, explodierende Energiepreise, steigende Transportkosten usw.) während gleichzeitig die Pandemiesituation noch nicht überwunden ist. Die Erholung in den stahlverarbeitenden Industrien und bei der Nachfrage nach Stahl wird sich voraussichtlich bis ins 2022 fortsetzen, allerdings in moderatem Tempo und mit erheblich grösseren Unsicherheiten als noch zum Jahresbeginn angenommen. Ab Mitte Jahr wird ein spürbares Nachlassen der Störungen entlang der globalen Metallhandelsströme erwartet.
Starke Nachfrage als Preistreiber
Die Eskalation des Preisanstiegs war vor allem der starken Nachfrage geschuldet. Die Produktion erholte sich, nach dem Einbruch während der Pandemiemonate, nur langsam. Hingegen stieg die Nachfrage nach Material vom europäischen Baugewerbe und weiterer zentraler Industriezweige stärker an und der Markt erholte sich schneller als erwartet. Angeheizt wurde die Situation durch den grossen Rohstoffhunger in Asien. China hat sich in den letzten Monaten vom Exporteur von Stahl und Metall zu einem Importland entwickelt. Auch wichtige Vorprodukte, namentlich vor allem Schrott werden heute in China in grösserem Ausmass benötigt. Andere Vormaterialien wie zum Beispiel Magnesium sind ebenfalls von entsprechenden Engpässen betroffen.
Versorgungsengpässe bei Vormaterialien
China ist der grösste Magnesium-Produzent der Welt, rund 95 Prozent der weltweiten Produktion kommen aus der Volksrepublik. Damit liegt China deutlich vor Russland, Kasachstan und Israel, die einzigen anderen Länder, die in grösseren Mengen Magnesium produzieren können. Seit September 2021 reduziert die chinesische Regierung die Marktversorgung mit Magnesium drastisch, um den inländischen Stromverbrauch zu drosseln. Dies hat zu einer internationalen Versorgungskrise von bisher ungekanntem Ausmass geführt, von der die europäischen Aluminium-, Eisen- und Stahlerzeuger besonders betroffen sind. Andere wichtige Vorprodukte, vor allem börsengehandelte, stiegen im Preis rasant an. Einerseits gehen die Händler von einem grossen Weltwirtschaftswachstum mit der Beendigung der Pandemie aus, zum anderen wird auch hier die schlechtere Verfügbarkeit eingepreist. Gepaart mit der Spekulation steigen die Marktpreise für Legierungszuschläge wie beispielsweise Nickel, Chrom oder Molybdän seit Januar 2020 rasant an. Im gesamten metallischen Werkstoffkreislauf führt dies zu weitreichenden Verwerfungen mit gravierenden Auswirkungen für Schweizer Produzenten, Händler und Endkunden.
Anstieg der Rohstoff- und Energiepreise erst am Anfang
Ein erheblicher Teil der Produktion metallischer Produkte beruht auf Recycling. So beruht die Stahlproduktion in der Schweiz zu 100 Prozent auf der Schrottverwertung. Die Produktion ist jedoch noch immer energieintensiv. Die Gas- und Strompreise sind in den letzten Wochen und Monaten exponentiell gestiegen und haben sich im Vergleich zum Vorjahr um das Vier- bis Fünffache erhöht. Die Schweiz hat verglichen mit Europa die höchsten Stromkosten. Dabei ist die Energiewende im Vergleich zu beispielsweise Deutschland noch nicht eingepreist. Der Zugang zu erschwinglichen, kohlenstoffarmen Energiequellen wird jedoch eine wichtige Voraussetzung auf dem Weg zur Klimaneutralität.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Produktion in der Schweiz bereits heute auf eine Stromlücke vorbereiten muss. Hier hat die Politik die Entwicklung verschlafen. Die Schweiz ist als reiches Land, nicht mit einer bedeutenden Industrie auf den Wechsel zu einer nachhaltigen Energieerzeugung vorbereitet. Es drohen dabei nicht nur deutliche höhere Kosten, sondern auch eine Energielücke, die Produktionsunterbrüche zur Folge haben könnten.
Unabhängig davon, dass eine solche Blackout-Situation für den Wirtschaftsstandort Schweiz unverständlich und unwürdig ist, stellt sich die Frage, wie die betroffenen Unternehmen zu entschädigen sind. Es gibt Erfahrungen in Nachbarländern wie z. B. Frankreich, die mittels Entschädigungen auch geplante Produktionsunterbrechungen ermöglichen.
Herausforderung klimaneutrales China bis 2060
Neben der Verfügbarkeit CO2-armer oder -freier Energiequellen wird auch China auf den globalen Metallpreis einen kolossalen Einfluss ausüben. 55-60 Prozent des weltweiten Stahlbedarfs entsteht in China. Das Reich der Mitte hat bereits in der Vergangenheit regelmässig Stahl für den Eigengebrauch zurückbehalten. Im Jahr 2020 verstärkte sich diese Entwicklung noch einmal. China hat sich verpflichtet, bis im Jahr 2060 klimaneutral zu werden. Um diesen Verpflichtungen nachzukommen, hat sich die Regierung kurzerhand dafür entschieden, die chinesische Stahlproduktion zu drosseln, da bereits im ersten Halbjahr genügend Stahl produziert wurde. Dies führt zu massiv weniger Exporten aus China. Gleichzeitig setzt China aus ökologischen und ökonomischen Gründen zunehmend auf die Produktion mit Recyclingmaterialien. Dies wird den Rohstoff Schrott zukünftig zunehmend knapper werden lassen.
Strategische Sicherung der Recyclingverwertung in der Schweiz
Die Herausforderungen der Materialverfügbarkeit von Stahl und Metallen hat die Verletzlichkeit des Wirtschaftsstandorts Schweiz in den letzten Monaten vor Augen geführt. Mit dem Vorprodukt Schrott verfügt die Schweiz als ansonsten rohstoffarmes Land über ein wichtiges Vormaterial. In der Vergangenheit haben es metallische Recyclingwerkstoffe schwer gehabt. So gingen bereits grosse Produktionsstandorte verloren. Die verbleibende Recyclingindustrie gilt es daher aus Sicht von metal.suisse strategisch zu sichern. Eine Energiepolitik mit Augenmass und eine Strategie für den Recycling-Rohstoff-Schrott ist dafür genauso wichtig, wie eine Antwort auf den EU Green Deal, der das inländische Recycling zukünftig massiv benachteiligen wird. Für die Zukunft braucht die Schweizer Metallindustrie politische Unterstützung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten und weiterhin nachhaltigen sowie kreislauffähigen Stahl und andere Me- talle in der Schweiz zu produzieren, um Know-how in dieser Zukunftsindustrie zu bilden und nicht zuletzt, um nachhaltige Arbeitsplätze für unseren Industriestandort zu sichern. (metal.suisse/mc)