Anthony Doyle, Investment Director im Fixed-Interest-Team bei M&G Investments. (Foto: zvg)
Zürich – Der geldpolitische Ausschuss der Bank of England hat sich heute dagegen entschieden, den Leitzins zu senken. Für die Märkte kam dieser Schritt überraschend, sagt Anthony Doyle, Investment Director im Fixed-Interest-Team bei M&G Investments.
Sie hätten bereits eine Chance von 83 Prozent für eine Zinssenkung um 0,25 Prozent eingepreist. Bei M&G geht man nun davon aus, dass die Bank of England den Leitzins im August senken wird, wenn sie zusammen mit dem Quartalsbericht zur Inflation auch eine aktualisierte Wachstumsprognose vorstellen wird.
Folgen des Brexit
Das Referendum werde weitreichende Folgen haben, so Doyle: «Sowohl die Unternehmensinvestitionen als auch die privaten Konsumausgaben werden vermutlich deutlich zurückgehen. Auch der Arbeitsmarkt wird betroffen sein – wir erwarten eine steigende Arbeitslosenquote als Folge des nachlassenden Wirtschaftswachstums und einer möglichen Rezession.»
Gegen diese Entwicklung dürfte der geldpolitische Ausschuss im August die Geldpolitik lockern, sieht Doyle voraus. Die Notenbank werde eine weiterhin lockere Politik betreiben müssen, um Wirtschaftswachstum und finanzielle Stabilität zu gewährleisten: «Dazu gehören die Senkung der Kapitalanforderungen für britische Banken, die am 5. Juli angekündigt wurde, ebenso wie Quantitative Easing. Auch Ankaufprogramme für Unternehmensanleihen sind nicht ausgeschlossen», resümiert Doyle.
Die Bank of England im Wandel
Doyle sieht die Bank of England vor einer grossen Herausforderung. Falls die Notenbank im August handelt, so wäre es ein ungewöhnlicher Schritt: Eine auf die Steuerung der Inflation ausgerichtete Zentralbank senkt die Zinsen, obwohl die Inflation steigt. «Das Pfund wird in den kommenden Monaten voraussichtlich weiter unter Druck geraten, und der geldpolitische Ausschuss dürfte weiterhin versuchen, mit Zinspolitik das Wirtschaftswachstum zu stützen. Die Inflation könnte in der Folge zunehmen und 2017 das Ziel der Bank of England von zwei Prozent übersteigen.»
Die Notenbank habe in einem Umfeld der Stagflation nach der Finanzkrise 2010/2011 geschickt ihre Glaubwürdigkeit bewahrt, doch es sei noch nicht ausgemacht, dass der Markt den Anstieg der Inflation so wie damals als vorübergehendes Phänomen einstufen werde.
Zeit für Staatsausgaben
Die Zeit sei gekommen, der Austeritätspolitik den Rücken zu kehren, findet Doyle: «Die Regierung kann sich aktuell zu geringen Kosten über lange Laufzeiten verschulden. Der finanzielle Spielraum sollte jetzt genutzt werden, um die Wirtschaft mit öffentlichen Investitionen zu stimulieren.» Infrastrukturprojekte steigerten Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit, so der Experte.
Auch Mark Carney müsste nach Ansicht Doyles eine solche Politik begrüssen. Der Gouverneur der Bank of England stellte vor Kurzem fest: «Es ist eine unbequeme, aber sichere Tatsache, dass auch die Bank of England nicht unbegrenzt eingreifen kann.» (M&G/mc/pg)