Mit neuen Jagd-Werkzeugen verändern Delfine ihre Lebensweise
Delfin mit Meeresschwamm. (Foto: Universität Zürich)
Zürich – Einige Delfine aus der Shark Bay in Westaustralien benutzen Meeresschwämme als Werkzeuge bei der Suche nach Beute. Dieses Verhalten wird kulturell weitergegeben. Forschende der Universität Zürich zeigen nun mit neuartigen Analysen vom Fettgewebe der Delfine, dass sich dadurch die Ernährung der Tiere erheblich verändert. Dieser Werkzeuggebrauch ermöglicht es den Delfinen, eine sonst unzugängliche ökologische Nische neu zu besetzen.
Einige spezialisierte Delfine tragen während der Futtersuche beim Wühlen auf dem Meeresboden marine Schwämme auf der Schnauze, um sich vor scharfen und stacheligen Objekten zu schützen. Dieses Schwamm-Tragen wird erlernt, das heisst, die jungen Delfine lernen es von ihren Müttern. Vermutlich ermöglicht dieses Verhalten den Delfinen, bodenbewohnende Fische als Beute zu jagen. Nur mittels Sonar – dem Ortungssystem durch ausgesandte Schallimpulse – könnten die Delfine diese Beute nur schwer finden. Der Werkzeuggebrauch durch kulturelle Evolution bei Delfinen kann somit direkt mit deren Ernährungsgewohnheiten in Verbindung gebracht werden.
Wissenschaftler um Michael Krützen und Sina Kreicker vom Anthropologischen Institut und Museum der Universität Zürich untersuchten nun Gewebeproben von Indopazifischen Grossen Tümmlern aus der Shark Bay in Westaustralien, von denen bekannt ist, dass einige Gruppen Schwämme als Werkzeug verwenden, andere jedoch nicht. Über den Gehalt an bestimmten Fettsäuren in der Fettschicht der Tiere, den sogenannten Blubber, kann mit dieser Methode auf langfristige Ernährungsgewohnheiten geschlossen werden.
Vorteil auch für andere Tümmler-Gruppen
Die Forschenden fanden heraus, dass die Zusammensetzung der Fettsäuren bei Delfinen aus dem gleichen Lebensraum verschieden ist – und zwar abhängig davon, ob die Tiere beim Beutefang Schwämme benutzen oder nicht. «Damit ist bewiesen, dass sich die Delfine mit dem Werkzeuggebrauch eine neue, zuvor unberührte ökologische Nische erschliessen», sagt Studienleiter Michael Krützen. Das kann auch einen Vorteil für die Gruppen haben, die keine Werkzeuge verwenden: «Die Konkurrenz mit den Artgenossen wird nämlich erheblich verringert», so Krützen. Dies könne ebenfalls einer der Gründe sein, warum die Dichte der Tümmler in der Shark Bay so hoch ist wie in kaum einem anderen Lebensraum dieser Säugetiere.
Die Erschliessung neuer kultureller Nischen gelte als einer der ausschlaggebenden Gründe für die Evolution des Menschen, wie die Gruppe um Krützen und Kreicker darlegt. Nur bei wenigen anderen Tierarten wie zum Beispiel bei Krähen sei direkt gezeigt worden, dass verwendete Werkzeuge eine einschneidende und langfristige Veränderung der Ernährungsmöglichkeiten verursachen. Das gilt gemäss Biologe Michael Krützen insbesondere für den Gebrauch von Werkzeugen, der nicht genetisch, sondern über kulturelles Lehren und Lernen weitergegeben wird. (Universität Zürich/mc/pg)