MJ & Cie: Neue Schulden, neue Steuern?

François Mollat du Jourdin

François Mollat du Jourdin, Präsident und Gründer von MJ&Cie. (Foto: zvg)

Die Besteuerung der Reichsten allein wird das Schulden-Problem nicht lösen. Eine nachhaltige Umverteilung von Vermögen erfordert eine grundlegende Überarbeitung der Steuersysteme.

Die Schulden-Explosion im Zuge der Covid-19-Epidemie regt die Phantasie der Steuerexperten an. Sie begnügen sich nicht mehr damit, Steuergelder einfach nur einzusammeln. Sie versuchen aktiv, das Spektrum des fiskalischen Einzugsbereichs zu erweitern. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt.

Steuern, so weit das Auge reicht
In der Schweiz läuft seit Februar 2020 die Unterschriftensammlung für die Mikrosteuer-Initiative. Unterdessen legen sich drei französische Ökonomen für die Einführung einer europäischen Vermögenssteuer ins Zeug. Andere Stimmen fordern eine «Corona-Sondersteuer» für Unternehmen, die finanziell bisher ungeschoren durch Epidemie oder Lockdown gekommen sind. Die Ideen für zusätzliche Steuern sind facettenreich und finden in der Bevölkerung bis zu einem bestimmten Grad auch Anklang. Einer Mitte Mai veröffentlichten YouGov-Umfrage zufolge würden immerhin 61% der Briten eine Vermögenssteuer für Vermögenswerte von mehr als 750.000 Pfund (rund 900.000 Schweizer Franken) befürworten.

Umso überraschender, dass sich die Finanzmärkte in dieser Frage relativ unbekümmert zeigen. Die Aktienmärkte erholen sich, während die Staatsverschuldung explodiert: In Frankreich zum Beispiel wird sie in wenigen Monaten von 100 auf 120% des BIP emporschnellen. Steht uns ein böses Erwachen bevor? Was würde ein starker Anstieg der Zinssätze in den am stärksten verschuldeten, aber auch in den erschütterungsanfälligsten Ländern bedeuten?

Solidaritätsprinzip in Zeiten der Überschuldung
Vor diesem Hintergrund klaffen die Überzeugungen reicher Bürger weit auseinander. Während einige der Ansicht sind, dass eine Erhöhung des Steuerbeitrags der Wohlhabendsten unumgänglich ist und in einer solidarischen Gesellschaft einer gewissen Logik nicht entbehrt, halten sich andere bedeckt. Je nach Domizil der betroffenen Personen kann ihre Haltung gegenüber Steuern sehr unterschiedlich sein. «Reich» zu sein, hat in der Schweiz, Frankreich oder Deutschland nicht dieselben steuerlichen Auswirkungen. So gehört Frankreich nach wie vor zu den Ländern mit einer der höchsten Steuerbelastungen der Welt, da es neben happigen Sozialsteuern auch eine Einkommens-, eine Erbschafts- und eine Vermögenssteuer (seit 2017 nur noch auf Immobilienvermögen beschränkt) erhebt.

Arbeitslosigkeit, Armut und Unternehmenskonkurse
Die Covid-19-Krise hat die Frage der Vermögensungleichheit im Themenranking hochkatapultiert. Und dieses Issue gewinnt zusätzlich an Brisanz, wenn wir anfangen, über die Schäden Rechenschaft abzulegen, welche die Vermögensungleichheit verursacht hat: Arbeitslosigkeit, Armut und Unternehmenskonkurse. Es ist daher wahrscheinlich, dass wir eine allgemeine Erhöhung der Besteuerung der Reichsten, seien es Privatpersonen oder Unternehmen, erleben werden. Interessant ist, dass sich die Debatte über die Besteuerung der Reichen oft nur auf Einzelpersonen konzentriert, während das Gewinnpotenzial bei der Besteuerung von Unternehmen erheblich grösser ist. Zumindest diese Debatte stösst bald auf internationale politische Fragen, wie die vorgeschlagene GAFA-Steuer in Europa zeigt.

Dringend notwendige Steuerrevision
Trotz zahlreicher neuer Ideen zur Besteuerung scheint es an einem wirklichen Bewusstsein für die Folgen der Schuldenexplosion zu mangeln. Die unmittelbare Dringlichkeit liegt verständlicherweise woanders: Denen rasch Hilfe zukommen lassen, die am stärksten von der Krise betroffen sind. Wenn die Erkenntnis über die Langzeitnebenwirkungen der aktuellen Schuldensituation allerdings wächst, hoffen wir, dass das Thema Besteuerung ohne Scheuklappen betrachtet wird. Viele der aktuellen Vorschläge zielen im Wesentlichen auf eine zusätzliche Besteuerung des Vermögens wohlhabender Personen ab. Dies wird nur einen kleinen Teil des Problems lösen. Um eine bessere Vermögensverteilung zu erreichen und die in den letzten Jahrzehnten grösser gewordenen Unterschiede zu korrigieren, wird eine umfassende Überarbeitung der Steuersysteme erforderlich sein. Da Europa leider nicht dazu bereit ist, ein einheitliches System festzulegen – was für die Schaffung eines echten Solidaritätsgefühls unerlässlich wäre – werden Massnahmen auf Ebene der Nationalstaaten ergriffen.

Es ist allen bewusst, was auf dem Spiel steht. Viele Wohlhabende sind bereit, ihre Steuerbeiträge zu erhöhen. Trotzdem könnte am Ende so mancher der Versuchung erliegen, den eigenen Wohnsitz in ein Land zu verlegen, wo Steuerwettbewerb mehr gilt als Solidarität. (MJ&Cie/mc)

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