Zürich – In Entwicklungsländern werden die meisten Arbeitnehmer und Bauern täglich bezahlt. Dies erschwert es ihnen, Geld für hohe Ausgaben auf die Seite zu legen. Wie Forscher der UZH zeigen, würden Milchbauern und Landarbeiter lieber erst am Monatsende bezahlt werden, um ihre mangelnde Selbstkontrolle zu überlisten.
Milchbauern in Zentralkenia besitzen in der Regel zwei oder drei Kühe und produzieren und verkaufen täglich Milch. Sie brauchen das Geld für den täglichen Konsum, müssen aber einen Teil davon für grössere Investitionen wie Tierfutter oder Schulgeld für ihre Kinder zurückstellen. Man weiss aus bisherigen Untersuchungen, dass es für Menschen mit einem niedrigen, täglichen Einkommen schwierig ist, Geld zu sparen oder unerwartete Ausgaben zu decken.
Zweifel an der Selbstkontrolle
Forschende des Instituts für Volkswirtschaftslehre der Universität Zürich wollten wissen, ob und zu welchen Bedingungen die kenianischen Milchbauern eine Lohnzahlung am Monatsende den täglichen Zahlungen vorziehen. Konnten die Bauern zwischen einem Monats- oder Tageslohn für ihre Milch wählen, entschieden sich 86 Prozent für Zahlungen am Monatsende, sogar wenn dies einen um 15 Prozent tieferen Milchpreis pro Liter bedeutete. Als Begründung gab die Mehrheit der Bauern an, dass sie sich Sparziele gesetzt hätten und sich selbst nicht zutrauten, das Geld während des Monats zu verwalten.
Gab man ihnen die Wahl zwischen der Möglichkeit, jederzeit wieder auf die täglichen Zahlungen zu wechseln oder sich für einen Monat zu verpflichten, entschieden sich 93 Prozent der Bauern gegen die flexible Variante. Diese beiden Ergebnisse deuten darauf hin, dass Zweifel an der Selbstkontrolle der Hauptgrund für den Wunsch nach monatlichen Zahlungen sind.
Vertrauen ist entscheidend
Obwohl eine starke Nachfrage nach monatlichen Zahlungen besteht, bot nur ein grosser Milchabnehmer in der Untersuchungsregion monatliche Zahlungen an. Die Bauern trauten den kleineren Milchhändlern nicht zu, einen solchen monatlichen Zahlungsplan einzuhalten. Sie äusserten denn auch die Besorgnis, dass kleine Milchabnehmer mit dem am Ende des Monats fälligen Geld verschwinden würden. «Vertrauen ist entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung. Wenn ein glaubwürdiger Dritter oder ein Gericht die Zahlung garantieren würde, wären die Landwirte bereit, auch an kleinere Molkereien zu verkaufen, und es gäbe mehr Wettbewerb unter den Milchkäufern. Rechtssicherheit und Vertragsdurchsetzung sind für die Etablierung von Marktmechanismen entscheidend», sagt Lorenzo Casaburi, Assistenzprofessor am Department of Economics der UZH.
Forschung zum Verständnis von Selbstverpflichtung
Die Studie der Zürcher Forschenden zeigt als eine der ersten, dass Menschen bereit sind, einen substanziellen Preis für selbstverpflichtende Massnahmen zu zahlen, um damit Probleme der Selbstkontrolle zu lösen. Diese Untersuchung unterscheidet sich von anderen Experimenten im Bereich der Selbstverpflichtungsforschung dadurch, dass sie nicht auf einer hypothetischen Situation basiert, die eigens für Forschungszwecke geschaffen wurde, sondern auf einer in vielen Märkten üblichen Realität: Tägliche oder monatliche Zahlungen für regelmässig erbrachte Waren oder Dienstleistungen.
Die Autoren weisen darauf hin, dass der in der Studie vorgeschlagene Mechanismus für Produzenten und Arbeitnehmer auch in entwickelten Ländern gilt. «Späte oder unregelmässige Lohnauszahlung als Sparinstrument werden auch in Industrieländern eingesetzt. Beispielsweise haben viele Länder auf der ganzen Welt, darunter die Schweiz, den dreizehnten Monatslohn eingeführt, um den Arbeitnehmern gegen Ende des Jahres mehr Liquidität zu verschaffen», sagt Lorenzo Casaburi. (UZH/mc/pg)