Köln – Forschende der Universität zu Köln zeigen, dass COVID-19-Impfstoffe auf der Grundlage von mRNA das angeborene Immunsystem langfristig prägen. Diese Mechanismen können bewirken, dass der menschliche Körper auf künftige Infektionen schneller und breiter reagieren kann.
Die neuartigen mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 rufen nicht nur klassische Immunantworten des adaptiven Immunsystems wie zum Beispiel die Antikörperproduktion hervor, sondern führen auch zu langanhaltenden epigenetischen Veränderungen in Abwehrzellen des angeborenen Immunsystems. Das ist das Ergebnis einer Impfstudie von Forschenden der Universität zu Köln und der Uniklinik Köln.
Das Immunsystem besteht aus einer angeborenen und einer erworbenen (adaptiven) Abwehr. Das angeborene Immunsystem bietet einen unspezifischen Schutz vor Krankheitserregern. Es muss schnell reagieren können. Das adaptive Immunsystem passt sich neuen oder veränderten Erregern an. Beide Teile arbeiten eng zusammen. Die in der aktuellen Studie beobachteten Veränderungen am angeborenen Immunsystem kommen dem Forschungsteam zufolge durch epigenetische Markierungen des Erbguts zustande. Epigenetisch bedeutet, dass Histone – Proteine, auf die die DNA wie auf einer Kabeltrommel aufgerollt ist -reversibel acetyliert werden. Die Acetylierung ist eine chemische Veränderung, die wie ein Stecker auf die Kabeltrommel gesetzt und wieder entfernt werden kann.
Schnellere und breitere Reaktion auf künftige Infektionen
Dies führt zu Veränderungen der Genaktivität, ohne eine Änderung der DNA-Sequenz selbst zu verursachen. Die Veränderungen aufgrund der mRNA-Impfung könnte dazu führen, dass der menschliche Körper auf künftige Infektionen schneller und breiter reagieren kann. „Die Daten zeigen, dass mRNA-Impfstoffe eine epigenetische ‚Schulung‘ des angeborenen Immunsystems fördern, was eine verstärkte Immunantwort zu Folge hat“, so Erstautor Dr. Alexander Simonis. Diese epigenetischen Veränderungen können die Grundlage für eine anhaltende und wirksame Immunität bieten, die über den bereits gut erforschten Schutz durch Mechanismen des sogenannten erworbenen Immunsystems hinausgeht. Dies kann nun auf Grundlage der Arbeiten der Studie in grösseren klinischen Studien getestet werden.
Die Wissenschaftler untersuchten zu sechs Zeitpunkten in Blutproben von geimpften Probanden menschliche Monozyten – eine bestimmte Art weisser Blutkörperchen –, die im Körper zu Makrophagen umgewandelt werden. Makrophagen sind Zellen des angeborenen Immunsystems und spielen eine Schlüsselrolle, um Krankheitserreger schnell zu erkennen und zu bekämpfen. Die Forschenden beobachteten, dass die Impfung mit einem mRNA-Coronaimpfstoff eine signifikante und langanhaltende Veränderung durch Acetylierung herbeiführt, also das Binden einer chemischen Gruppe an spezifischen, immunologisch relevanten Genen der Monozyten bewirkt.
Darüber hinaus zeigte die Studie, dass diese epigenetischen Veränderungen bis zu sechs Monate nach der Impfung bestehen blieben, was auf ein langfristiges «Gedächtnis» des Immunsystems als Reaktion auf den Impfstoff hinweist. Da die Lebensdauer von menschlichen Monozyten nur etwa drei Tage beträgt, vermutet das Team, dass auch die Vorläuferzellen der Monozyten im Knochenmark die epigenetischen Markierungen tragen.
Mehrfach-Impfungen für die langfristige Aufrechterhaltung der Immunantwort
Eine einzige Dosis des mRNA-Impfstoffs konnte diese langanhaltenden Markierungen jedoch nicht ausreichend etablieren. «Erst eine zweite Impfung oder eine einzelne Auffrischungsimpfung – also eine Verstärkung der Immunisierung – stabilisierte die epigenetische Modifikation nachhaltig. Das unterstreicht die Notwendigkeit mehrerer Impfungen für die langfristige Aufrechterhaltung der Immunantwort», sagt Jan Rybniker.
Die beobachteten epigenetischen Veränderungen führten zu einem verstärkten «Ablesen» von entzündungsfordernden Genen, was wiederum zur Produktion von Botenstoffen führte, die zahlreiche Immunzellen aktivieren können und somit deren Fähigkeit zur Bekämpfung von Infektionen verstärken. «Da es sich um eine Aktivierung des angeborenen Immunsystems handelt, das relativ breit und unspezifisch auf verschiedene Erreger zielt, kann dies bedeuten, dass die mRNA-Impfungen zumindest für eine gewisse Zeit auch vor anderen Viren und Bakterien schützen», so Dr. Sebastian Theobald, ein weiterer Erstautoren der Studie. (mc/pg)