Trump wollte Russland-Ermittlungen laut Mueller-Bericht beeinflussen
Washington – US-Präsident Donald Trump hat die Russland- Ermittlungen zu Beginn als schwere Bedrohung seiner Präsidentschaft gesehen und auf verschiedenen Wegen versucht, diese abzuwenden. Das geht aus dem in Teilen geschwärzten Bericht von Sonderermittler Robert Mueller hervor, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Mueller und sein Team listen darin diverse Versuche Trumps auf, Einfluss auf die Untersuchungen zu nehmen. Behinderung der Justiz werfen sie ihm aber nicht explizit vor. Trumps Einflussversuche seien meist daran gescheitert, dass Mitarbeiter seinen Anweisungen nicht folgten. Die Ermittler stiessen auf «zahlreiche» Kontakte zwischen Trumps Wahlkampflager und Vertretern Russlands. Beweise für eine Straftat gebe es hier aber nicht.
Mueller hatte fast zwei Jahre lang zwei grosse Fragenkomplexe untersucht: ob Trumps Team geheime Absprachen mit Vertretern Russlands getroffen hat und ob Trump die Justiz behinderte. Hintergrund ist die mutmassliche Einmischung Moskaus in den US-Präsidentschaftswahlkampf 2016. Ende März hatte Mueller seine Arbeit abgeschlossen und Justizminister William Barr vertraulich seinen mehr als 400-seitigen Abschlussbericht übergeben. Zunächst hatte Barr nur eine vierseitige Zusammenfassung veröffentlicht. Erst an diesem Donnerstag macht das Justizministerium den Report – in Teilen geschwärzt – der Öffentlichkeit und dem Kongress zugänglich.
Der Bericht ist das Ergebnis aufwendiger Ermittlungsarbeit – mit Hunderten Zeugenbefragungen und Durchsuchungen. Muellers Team versuchte so, die Vorgänge über mehrere Jahre zu rekonstruieren.
Beschrieben wird darin auch die Szene, wie Trump im Frühjahr 2017 – am 17. Mai – von Muellers Ernennung erfuhr. Er habe im Oval Office mit dem damaligen Justizminister Jeff Sessions und anderen zusammengesessen. Sessions habe ihn dort über Muellers Berufung als Sonderermittler informiert. Laut Notizen einer Mitarbeiterin von Sessions sei Trump daraufhin in seinen Stuhl zurückgefallen und habe gesagt: «Oh mein Gott. Das ist furchtbar. Das ist das Ende meiner Präsidentschaft. Ich bin erledigt.» Der Präsident sorgte sich um seine Handlungsfähigkeit in der Regierung während der laufenden Untersuchungen: «Das dauert Jahre und Jahre, und ich werde nichts machen können. Das ist das Schlimmste, was mir passieren konnte.»
Zum Vorwurf der Geheimabsprachen mit Russland:
Mueller identifizierte «zahlreiche» Kontakte zwischen Trumps Wahlkampflager und Vertretern Russlands, aber die Beweise reichten nicht für den Nachweis einer Straftat aus. Mueller legt in seinem Bericht dar, dass sich Personen mit Verbindungen zur russischen Regierung schon im Sommer 2015 für Trump als Kandidaten der Republikaner interessiert hätten und dass die russische Regierung geglaubt habe, sie würde von einem Wahlsieg Trumps und seiner Präsidentschaft profitieren. Nach der Wahl habe Moskau sofort versucht, sich Zugänge zur neuen Regierung zu verschaffen. Es werden ausführlich mehrere Kontakte beschrieben – etwa zwischen Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort und dessen langjährigem Geschäftspartner Konstantin Kilimnik, der Verbindungen zum russischen Geheimdienst haben soll.
Zum Vorwurf der Behinderung der Justiz:
Muellers Team listet diverse Einflussversuche Trumps mit Blick auf die Russland-Untersuchungen auf. So habe der Präsident nach Muellers Ernennung etwa mehrfach und auf verschiedenen Wegen versucht, dessen Abzug zu erzwingen. «Die Versuche des Präsidenten, die Ermittlungen zu beeinflussen, waren überwiegend erfolglos, vor allem weil Personen aus dem Umfeld des Präsidenten sich weigerten, Anweisungen auszuführen oder seinen Aufforderung zu folgen», schreibt Muellers Team. Die Ermittler kommen nicht zu einem Schluss, ob Trumps Einflussversuche eine Behinderung der Justiz darstellen. Sie betonen aber: «Während dieser Bericht nicht zu dem Schluss kommt, dass der Präsident eine Straftat begangen hat, entlastet er ihn auch nicht.» Die Schlussfolgerung übernahm Barr vor einigen Tagen und sprach Trump öffentlich von diesen Vorwürfen frei.
Trump selbst hatte Muellers Fragen nur schriftlich beantwortet. Der Sonderermittler wertete die schriftlichen Antworten des Präsidenten als unzureichend. Man habe sich aber dagegen entschieden, zu versuchen, Trump unter Strafandrohung zu einer mündlichen Aussage zu zwingen, weil das wohl einen langen Rechtsstreit bedeutet hätte.
«Game over»?
Der Präsident gab sich nach der Veröffentlichung des Mueller-Berichts triumphal. Auf Twitter postete Trump unter anderem ein Bild im Stil eines Kinofilmplakates. Darauf ist Trump von hinten zu sehen. Dazu die Worte: «Keine Geheimabsprachen, keine Behinderung» und der Slogan: «Game over». Bei einem Termin mit Veteranen im Weissen Haus sagte Trump, er habe einen guten Tag. Es habe keine Geheimabsprachen mit Russland und auch keine Behinderung der Justiz gegeben.
Unterstützung bekam der Präsident von seinem Justizminister, der das Verhalten Trumps in der Russland-Affäre vehement verteidigte. Mueller habe weder Beweise für Geheimabsprachen mit Russland noch für eine Behinderung der Justiz durch Trump gefunden, betonte auch Barr. Das Weisse Haus sei hochkooperativ bei den Ermittlungen gewesen und habe auch keinerlei Schwärzungen des Berichts veranlasst. Dem Präsidenten könnten insgesamt keine unlauteren Motive unterstellt werden.
Die Chefs der Demokraten im Repräsentantenhaus und im Senat, Nancy Pelosi und Chuck Schumer, beklagten dagegen, Barrs Darstellung unterscheide sich von den Darstellungen in Muellers Bericht.
Mueller soll angehört werden
Die Demokraten werfen Barr vor, eher als Anwalt des Präsidenten zu agieren denn als unabhängiger Justizminister des Landes. Sie fordern eine komplette und ungeschwärzte Veröffentlichung des Berichts und pochen nun auch auf eine Aussage Muellers vor dem US-Kongress.
Der Vorsitzende des Justizausschusses im Repräsentantenhaus, der Demokrat Jerry Nadler, sagte, er plane ein Anhörung mit Mueller in den nächsten Wochen. Der Ermittlungsbericht beinhalte beunruhigende Belege für eine Justizbehinderung und anderes Fehlverhalten durch Trump. «Es liegt jetzt in der Verantwortung des Kongresses, den Präsidenten für seine Handlungen zur Verantwortung zu ziehen.» (awp/mc/ps)