Muscheln und Schnecken erholten sich nach Massenaussterben schneller als gedacht

Muscheln und Schnecken erholten sich nach Massenaussterben schneller als gedacht

Bodenlebende Meeresorganismen wie Muscheln, Schnecken und Schlangensterne sind die häufigsten Fossilien in den Schichten der Werfen-Formation. (Bild: Richard Hofmann)

Zürich – Von dem wahrscheinlich grössten Massensterben der Erdgeschichte vor rund 250 Millionen Jahren erholten sich insbesondere bodenlebende Meeresbewohner gemäss aktuellem Forschungsstand nur sehr zögerlich. Nun zeigt eine Forschungsgruppe der Universität Zürich, dass Organismen wie Muscheln und Schnecken jedoch viel schneller wieder biologische Vielfalt erlangten, als bislang angenommen. Dieser Befund hilft mit, die Umweltverhältnisse während der Untertrias richtig zu interpretieren – und diese gilt als Referenz für den globalen Wandel unserer Zeit.

Mehr als 90 Prozent aller Arten fielen dem Massenaussterben am Ende des Perms vor etwa 252 Millionen Jahren zum Opfer. Es gilt als das grösste Aussterbe-Ereignis in der Geschichte der Vielzeller und die Erholungsphase danach dauerte ungewöhnlich lang. Grund dafür waren, so die geläufige Annahme, langanhaltend schlechte Umweltbedingungen – allen voran Sauerstoffmangel in den Ozeanen. Aus diesen Gründen soll sich die Etablierung von komplexen Ökosystemen mit einer reichhaltigen Fauna um bis zu vier Millionen Jahre verzögert haben. Insbesondere die schleppende Erholung von bodenlebenden Meeresbewohnern, wie Muscheln und Schnecken, stützt diese Annahme. Nun zeigen Forschende des Paläontologischen Instituts und Museums der Universität Zürich jedoch, dass genau diese Organismengruppen wesentlich dynamischer reagierten als bisher bekannt.

Es muss genügend bewohnbare Zonen gegeben haben
Neue Fossildaten aus Gesteinsabfolgen der Dolomiten belegen, dass die artenreichsten Faunen der frühen Trias in dieser Region schon wenige hundertausend Jahre nach dem grossen Aussterben wieder gedeihen konnten. Ein bemerkenswerter Befund – denn die Sedimentgesteine, in denen die fossilen Lebensgemeinschaften gefunden wurden, galten bisher als typische Ablagerungen unter sauerstoffarmen Bedingungen, die für bodenlebende Meerestiere ungünstig sind. «Unseren Daten entnehmen wir, dass der Einfluss von sauerstoffarmem Meerwasser auf die Erholung überschätzt worden ist. Es muss demnach genügend bewohnbare Zonen gegeben haben, was eine schnelle Besiedlung durch Organismen, die die Katastrophe überlebt haben, ermöglichte», schlussfolgert Erstautor Richard Hofmann von der UZH.

Hinweise für erneute Krise am Meeresboden
Die Daten aus den Dolomiten liefern auch Hinweise, warum marine Bodenbewohner dennoch vergleichsweise lange gebraucht haben, den vormaligen Artenreichtum zu erlangen. Offenbar sind die Profiteure der ersten Erholungsphase während der Untertrias – also rund eine Million Jahre nach dem endpermischen Ereignis – wieder verschwunden. Diese Daten erstaunten die UZH-Forschenden, denn «diese zweite, kurze, aber heftige Aussterbewelle bei den marinen Muscheln und Schnecken war bislang unentdeckt geblieben», so Hofmann; bisher war diese nur für schnell evolvierende Gruppen wie Ammoniten nachgewiesen worden. Dass auch marine Bodenbewohner von kurz aufeinanderfolgenden Aussterbe-Ereignissen betroffen waren, belege die dynamische Entwicklung der Lebewelt nach solchen Ereignissen. Und – so der Zürcher Paläontologe: «Trotz der Einbrüche der Diversität durch die beiden Ereignisse, muss die Vorstellung von einer globalen ‹Todeszone› unmittelbar nach dem endpermischen Aussterben aufgrund der neuen Daten wohl revidiert werden.»

Die Untersuchung der Erholungsphasen nach einem Aussterbe-Ereignis liefert gemäss Hofmann wichtige Erkenntnisse darüber, wie Ökosysteme und ihre Bewohner auf solche Katastrophen reagieren und welchen Einfluss tiefgreifende Umweltveränderungen auf den Lauf der Evolution haben. Solche Befunde seien insbesondere für die Interpretation der Umweltverhältnisse während der Untertrias wichtig, gelte diese doch als Referenz für den globalen Wandel unserer Zeit. «Zu verstehen, wann welche Organismengruppen in welchem Masse beeinträchtigt wurden, hilft, Ursache und Wirkung im System Erde über längere Zeiträume genauer zu charakterisieren», so Hofmann. (Universität Zürich/mc/ps)

Literatur:
R. Hofmann, M. Hautmann, H. Bucher. Recovery dynamics of benthic marine communities from the Lower Triassic Werfen Formation, northern Italy. Lethaia, Early View, Jan 2015. DOI:10.1111/let.12121.

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