Nach dem Mord-Anschlag auf Mitarbeitende des Pariser Satiremagazins «Charlie Hebdo» haben einige Äusserungen, so zum Beispiel der Schweizer Bundesrätin Doris Leuthard, direkt oder indirekt die Frage aufgeworfen, wie weit Satire gehen darf. Hierauf kann es nur eine Antwort geben: So weit sie will.
Kommentar von Helmuth Fuchs
Wir sprechen hier von demokratischen, zivilisierten Gesellschaften, in denen die Meinungsfreiheit gilt. Satirsche Publikationen dienen (fast) auschliesslich den Lesern, sind keine staatliche- oder parteipolitische PR-Gefässe. Sie müssen die Freiheit haben, alles zu hinterfragen, karikieren, ja sogar verunglimpfen. Auswüche werden über Persönlichkeitsschutz-Gesetze, Anti-Rassismus-Gesetze und weitere rechtliche Mittel bekämpft, und nur mit diesen.
Unmissverständliche Reaktion islamischer Gelehrter
Selbstverständlich darf sich jeder über Karikaturen oder Satiren aufregen, sie zum Teufel wünschen oder schlicht ignorieren. Institutionen und ihre Vertreter, Religionsführer, Politiker oder Prominte aller Klassen müssen damit leben, dass sie zur Zielscheibe mehr oder weniger gekonnt inszenierten Spotts werden können. Die Reaktion darauf kann vielfältig sein, aber nie körperliche Gewalt gegen die Urheber. Anhänger, die zur persönlichen Rache als Antwort greifen, haben die Religion, die sie zu vertreten glauben, nicht verstanden, sondern verraten. Dies gilt für alle Weltreligionen. Die Reaktion zahlreicher islamischer Imame war nach dem Terrorakt unmissverständlich und eindeutig.
Freiheit ohne wenn und aber
Die Freiheit, auch noch so Absurdes, zu denken und mit allen möglichen Mitteln auszuformulieren ist für unsere Zivilisation ein unverrückbarer Wert. Es ist eine der Freiheiten, die Demokratien von anderen Staatformen unterscheidet. Über den Geschmack der gewählten Ausdrucksweise mag man sich gewaltlos lustvoll streiten, die Freiheit selbst muss unantastbar bleiben. Kunst (und Satire ist eine Kunstform), die ständig auf breite Akzeptanz überprüft werden muss, ist keine Kunst. Freiheit, die bei Ausübung eine nicht selbst gewollte Gefahr für das Leben darstellt, ist keine Freiheit. Anhänger, die für ihren Glauben töten, sind keine Gläubigen, sondern Terroristen.