NR-Kommission stützt Entwurf des EU-Verhandlungsmandats
Bern – Die Schweiz soll bald mit der EU über die Zukunft der bilateralen Beziehungen verhandeln. Dieser Meinung ist die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (APK-N). Ihre Mehrheit begrüsst den Entwurf des Verhandlungsmandats im Grundsatz. Die SVP dagegen lehnt den Mandatsentwurf kategorisch ab.
Die APK-N stellte sich mit 16 zu 9 Stimmen und ohne Enthaltung hinter das Verhandlungsmandat, wie ihr Präsident Laurent Wehrli (FDP/VD) am Dienstag in Bern vor den Medien sagte. Die Mehrheit erachte den Paketansatz als zielführend, und ihr sei es wichtig, die Beziehungen zur EU zu stabilisieren und weiterzuentwickeln.
Keine roten Linien
Die Kommission macht der Landesregierung in ihrer Stellungnahme Empfehlungen, etwa zum Lohnschutz, zum internationaler Bahnverkehr und zum angestrebten Stromabkommen. Die Präzisierungen und Empfehlungen seien keine roten Linien, betonte APK-Vizepräsidentin Sibel Arslan (Grüne/BS).
Etwa soll das mit den flankierenden Massnahmen zum freien Personenverkehr verbundene Schutzniveau für Löhne und Arbeitsbedingungen gewährleistet bleiben. Entsprechend pocht die Mehrheit auf Ausnahmelösungen, etwa zur Auslagenentschädigung und zur Dichte der Kontrollen.
Grenzüberschreitende Massnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping sollen besser durchgesetzt werden. Die Schweiz soll deshalb eine Assoziierung als Drittstaat bei der Europäischen Arbeitsbehörde anstreben sowie bei der tripartiten europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und auch der europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz.
Internationaler Bahnverkehr
Im internationalen Bahnverkehr soll nach Ansicht der Mehrheit ein Kooperationsmodell mit den SBB als Grundprinzip angestrebt werden. Die Mehrheit pocht auf orts- und branchenübliche Sozialstandards. Ausländische Züge sollen in den Taktfahrplan integrierbar sein und sie sollen die Tarifintegration nicht schwächen.
Beim Stromabkommen wiederum liegt der Mehrheit an einer Lösung mit regulierter Grundversorgung für Haushalte und KMU-Betriebe. Der Verbleib in der Grundversorgung sei dabei für Haushalte und kleine Betriebe anzustreben, heisst es. Auch soll mit der EU ein Vorgehen in Etappen geprüft und gegebenenfalls vereinbart werden.
Anträge der SVP-Fraktion, nicht auf das Verhandlungsmandat einzutreten und eine institutionelle Anbindung an die EU zu verhindern, wurden deutlich abgelehnt. Die neun Mitglieder der SVP-Fraktion standen alleine da. Ihr Vertreter Franz Grüter (SVP/LU) geizte vor den Medien nicht mit Kritik.
Was vorliege, sei alter Wein in neuen Schläuchen, angereichert mit regelmässigen Kohäsionszahlungen, sagte er. Beziffert seien diese nicht, es sei aber von regelmässigen Milliardenbeträgen auszugehen. Und nach wie vor enthalte das Paket die dynamischen Rechtsübernahme und bindende Rechtsauslegungen durch den Europäischen Gerichtshof.
Referendumsfrage offen
Gemäss der im Dezember von Bern und Brüssel verabschiedeten Erklärung zum Mandatsentwurf legt nach wie vor der EU-Gerichtshof EU-Recht aus. Der Anwendungsbereich ist aber etwas enger definiert als beim Rahmenabkommen, zu dem Bern im Mai 2021 die Verhandlungen abgebrochen hat. Bei der dynamischen Rechtsübernahme bei den Binnenmarktabkommen soll die Schweiz Ausnahmen erhalten.
Die Frage, ob das Verhandlungsresultat dem fakultativen Referendum unterstellt oder ob zwingend darüber abgestimmt werden sollte, liess die APK-N noch offen, und ebenso die Frage, ob nur das Volks- oder auch das Ständemehr erforderlich sein soll. Es sei am Bundesrat, dies zu klären, sobald das definitive Verhandlungsmandat vorliege, sagte Wehrli.
Die Kommission habe erst über die grundsätzliche Unterstützung für den Entwurf des Verhandlungsmandats entschieden, nicht aber über das Abstimmungsprozedere und inhaltliche Fragen. Es handle sich nur um ein Mandat, das Ergebnis der Verhandlungen werde entscheidend sein.
«Schludrige Arbeit»
Kommissions-Vizepräsidentin Sibel Arslan (Grüne/BS) sagte dazu, die APK-N wolle nicht vorpreschen. Auch die Staatspolitische Kommission solle sich mit der Frage auseinandersetzen. Auch hier hakte die SVP ein. «Man versucht, Gründe gegen ein Ständemehr zu finden», sagte Grüter – diesmal an einer Medienkonferenz seiner Fraktion.
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) kritisierte den «Unterwerfungsvertrag» und die «schludrige Arbeit» in der Kommission. In vielen Punkten werde mit dem Druck seitens der EU argumentiert, ohne sie bis zum Ende durchdacht zu haben.
Der Bundesrat hatte seine Leitlinien für Verhandlungen Mitte Dezember vorgestellt. Wenige Tage später publizierte die EU-Kommission den Entwurf ihres Verhandlungsmandates. Erklärtes Ziel sowohl auf Schweizer wie auch auf EU-Seite ist es, im Frühjahr mit den Verhandlungen beginnen zu können. Die Stellungnahme der ständerätlichen APK wird im Februar erwartet. (awp/mc/ps)