Natürliche Selektion steigert auch Anpassungsfähigkeit von Organismen

Natürliche Selektion steigert auch Anpassungsfähigkeit von Organismen
Das grün fluoreszierende Protein stammt ursprünglich aus einer Qualle. Wird das Eiweiss mit blauem oder UV-Licht angeregt, fluoresziert es grün. (istock.com/hanohiki)

Zürich – Die natürliche Selektion führt dazu, dass sich Organismen laufend anpassen. Forschende der Universität Zürich zeigen nun erstmals, dass Proteine in Bakterien rascher eine neue Eigenschaft entwickeln, wenn der Selektionsdruck hoch ist. Die natürliche Auslese kann somit auch die Evolutionsfähigkeit selbst erhöhen.

Überall in der Natur gibt es Beweise für die natürliche Auslese: Der Harzpanzer eines Lodgepole-Kiefernzapfens entwickelte sich zur Verteidigung gegen samenhungrige Vögel und Eichhörnchen. Oder der lange Hals einer Giraffe wurde evolutionär begünstigt, um eine hohe Vegetation zu erreichen, die die Konkurrenz nicht berühren kann. Bekannt ist, dass die natürliche Auslese die Entwicklungs- und Anpassungsfähigkeit von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen beeinflusst. Aber beeinflusst die natürliche Auslese auch die eigentliche Fähigkeit eines Organismus, sich weiterzuentwickeln? Und wenn ja, in welchem Ausmass?

Wer gewinnt das Evolutionsrennen?
Eine neue Studie der Universität Zürich (UZH) und dem Santa-Fe-Institut weist auf einige überraschende Antworten auf diese Frage hin. Ein Forscherteam unter der Leitung von Andreas Wagner vom Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der UZH hat Gruppen eines gelb fluoreszierenden Proteins, das aus einem wirbellosen Meerestier stammt und in das Darmbakterium E. coli transferiert wurden, schwachem und starkem Selektionsdruck ausgesetzt. So wollten sie herausfinden, welcher Selektionsdruck die Entwicklungsfähigkeit eines Organismus stärker erhöht. Das evolutionäre Ziel des Experiments bestand darin, dass sich die Proteingruppen von gelber zu grüner Fluoreszenz zu entwickeln. Resultat: Die Gruppe, die einem stärkeren Selektionsdruck ausgesetzt wurde, gewann das «Evolutionsrennen». Diese Eiweissgruppe durchliefen Mutationen, die sie robuster machten – und damit besser in der Lage waren, ihre Eigenschaft zu verändern.

«Unseres Wissens ist dies der erste experimentelle Beweis dafür, dass Selektion die Anpassungsfähigkeit im darwinistischen Sinne fördern und die Entwicklungsfähigkeit selbst steigern kann», sagt Wagner. «Es gibt immer noch Menschen, die die Evolutionstheorie in Frage stellen. Aber wir schauen uns nicht nur Fossilien an, von denen wir historische Aufzeichnungen haben. Wir beobachten die Evolution direkt im Labor.»

Starke Selektion macht robuster
Bisher wurde in der Evolutionsbiologie weithin angenommen, dass eine schwache Selektion für die Entwicklungsfähigkeit eines Organismus vorteilhaft ist. Nun konnte das Forschungsteam jedoch zeigen, dass sich unter starker Selektion häufiger Mutationen anhäuften, die die Proteine robuster machten, als wenn die Bakterien schwachem Selektionsdruck ausgesetzt wurden. Und eine grössere Robustheit von Eiweissen ist eine Schlüsselvoraussetzung für den Erfolg der Evolution.

«Diese Entdeckung war eine echte Überraschung. Sie zeigte, dass die Selektion auf Fitness nicht mit der Selektion auf Robustheit kollidiert, was im Gegensatz zu früheren Arbeiten steht», sagt Erstautor Jia Zheng von der UZH. «Während die meisten Mutationen die Stabilität von Proteinen oder ihre Fähigkeit, die korrekte räumliche Form anzunehmen, beeinträchtigen, mildern Mutationen, die die Eiweisse robuster machen solche schädlichen Auswirkungen. Robuste Proteine haben eine höhere Chance, zu funktionieren und so neue Eigenschaften zu entwickeln.»

Kein Grund für Kontroverse
Wagner hofft, dass die Ergebnisse dazu beitragen, die seit langem bestehende Kontroverse darüber, ob sich die Fähigkeit eines Organismus zur Evolution selbst weiterentwickeln kann, beizulegen. «Bisher gingen einige Wissenschaftler davon aus, dass die natürliche Selektion auf Evolutionsfähigkeit nicht sehr direkt sein darf, sondern durch Selektion auf Fitness aufgehoben wird. Aber nun haben wir ein Beispiel, in der beides Hand in Hand geht. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Grund für diese Kontroverse.» (UZH/mc/pg)

Universität Zürich

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