Neue Nahoststrategie der USA?

Barack Obama

US-Präsident Barack Hussein Obama: Für die USA gerät der Nahen Osten ausser Kontrolle, das «Gespenst» Osama Bin Laden wurde lästig.

Von Gérard Al-Fil

Der Tod des Terrorfürsten Osama Bin Laden hat den Tod des Gaddafi-Sohnes Saif Al-Arab schnell in den Hintergrund gerückt. Bei einem NATO-Luftangriff in der Nacht zum 1. Mai auf Tripolis waren nach libyeschen Regierungsangaben auch drei Enkelkinder Gaddafis getötet worden, er selbst entkam unverletzt.

Sauber-Image in Gefahr
Das Bild eines unritterlichen NATO-Bombardements, dem Zivilsten zum Opfer fallen, passte nicht in das «gut-und-böse»-Schema. Musste eine Sensationsmeldung zur Ablenkung her? Falls ja, eignete sich dazu «The Death of Bin Laden“. Dabei war der Terrorfürst, der sich als Scheich und Führer des Islams aufspielte, längst Geschichte. Dem Mann weint auch in der islamischen Welt kaum jemand eine Träne nach.

Verliert der Anti-Terrorkampf seine raison d’être?
Der Fall Libyen aussen vor gelassen – wieso hat US-Präsident Barack Hussein Obama den Tod Osama Bin Ladens überhaupt öffentlich gemacht? Wie ein Geist in der Flasche hielt der bärtige Pistolero die Welt in Atem. Wann immer es in den letzten zehn Jahren Nachrichten über Terroranschläge gab, sass Bin Laden mit am News-Desk. Unsichtbar, aber hochpräsent. Der Saudiaraber gab dem «Kampf gegen den Terror» seine primäre Daseinsbereichtigung. Für viele IT-, Security-, Scanner- und Plastikkarten-Firmen sind die Post-9/11-Ära die goldenden Jahre. Unter Obamas Amtsvorgänger konnte Washington wegen Bin Laden nicht nur Krieg und Besatzung im Irak und Afghanistan moralisch untermauern, sondern auch seine wankelmütigen Bündnispartner in Europa in die Pflicht nehmen, getreu der Bush-Doktrin: «Either you are with us or you are with the terrorists!»

Wäre es also nicht besser gewessen, Bin Laden «dead or alive?» (George W. Bush dixit) als Phantom im Hintergrund zu halten?

Alle Energie auf Nahost
Die Antwort ist weniger tiefgründig, als man annimmt. Die Ereignisse in Nahost steigen Washington zu Kopf. Nicht nur wackelt der langjährige Bündnispartner Ägypten, nachdem Mubarak in Schimpf und Schande abtrat, auch geraten durch den Arabischen Frühling US-Stützpunkte in Bahrain, Oman und Irak in Gefahr. Auch das marode, aber aussenpolitisch berechenbare Regime in Syrien wankt.

Wie schrill müssen in den USA und in Israel die Alarmglocken läuten, wenn selbst der liberale Ägypter und Chef der Arabischen Liga Amr Mussa erklärt, der Friedensvertrag zwischen Kairo und Tel Aviv von 1979 sei «abgelaufen». Die Herzen am Nil hat der Frieden von Camp David ohnehin nie erreicht, weil die Palästinenser noch immer unter israelischer Besatzung leben. Auch das transatlantische Bündnis zeigt Risse, nachdem Deutschland sich bei der UN-Libyen-Resolution der Stimme enthielt.

Rochaden im Orient
Mit hörbaren Genuss legt Irans Präsident Mahmoud Ahmadinedschad seinen Finger in diese Wunde. Die Anwesenheit der fünften US-Flotte im Persischen Golf gefährde den Frieden, so Ahmadinedschad, das westliche Bündnis sei Makulatur, und er fordert, der Iran und die Golfstaaten sollten ihre Differenzen ohne Einfluss von aussen lösen. Schon reichen sich Teheran und Kairo die Hand, um nach drei Jahrzehnten diplomatischer Funkstille wieder Beziehungen aufzunehmen. Vergangene Woche einigten sich die zwei wichtigsten Palästinensergruppen, die islamistische Hamas und PLO, nach jahrelangem Zwist. In Ägypten dürfen Muslimbruderschaft und konservative Salafisten bei den Wahlen im September auf die Parlamentsmehrheit hoffen. Wächst da zwischen Nil und Hindukusch zusammen, was zusammen gehört?

Recht hat Barack Obama mit seiner Feststellung, Bin Laden sei kein Führer der Muslime gewesen. Denn entgegen weit verbreiteter Medienberichte wurde der Terrorfürst in der muslimischen Welt mehrheitlich nie als ein «arabischer Che Guevara» wahr genommen. Aber ein Konzept für den neuen Nahen Osten müssen Obama und sein Vize Biden noch finden.

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