Neuer Wirkstoff blockiert Alzheimer-Enzym gezielt

Alzheimer

 (Foto: Gerd Altmann/pixelio.de)

Zürich – Ein internationales Team unter der Leitung von Wissenschaftlern der Universität Zürich hat erstmals einen Weg gefunden, ein für die Alzheimer-Krankheit mitverantwortliches Enzym gezielt zu hemmen. Dabei werden lediglich schädliche Prozesse blockiert, während wichtige andere Funktionen erhalten bleiben. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, um Medikamente zu entwickeln, die keine schweren Nebenwirkungen verursachen.

Seit Jahrzehnten wird weltweit intensiv an Medikamenten geforscht, um Alzheimer-Patienten zu behandeln. Doch während in der Diagnostik grosse Fortschritte zu verzeichnen sind – die Krankheit kann immer früher und präzisier erkannt werden –, sind die Therapiemöglichkeiten nach wie vor sehr beschränkt. Zusammen mit Forschern in der Schweiz, in Deutschland und in Indien hat das Team von Prof. Lawrence Rajendran des Instituts für Regenerative Medizin der Universität Zürich nun eine zielgerichtet wirkende Substanz entwickelt. Diese blockiert die krankheitsverursachende Funktion eines Enzyms in den Zellen, ohne dessen anderen, lebenswichtigen Funktionen zu unterbinden.

Charakteristisch für die Alzheimer-Krankheit sind Proteinablagerungen im Gehirn von Betroffenen, die mitverantwortlich sind für das chronisch fortschreitende Absterben der Hirnzellen. Diese Plaques können heute in sehr frühen Stadien nachgewiesen werden, lange bevor sich erste Symptome der Demenzkrankheit manifestieren. Die Proteinklumpen bestehen hauptsächlich aus dem β-Amyloid-Peptid (Aβ). Dieses Proteinfragment entsteht, wenn das Vorläufereiweiss Amyloid-Precursor-Protein (APP) durch zwei Enzyme, die β-Sekretase und die γ-Sekretase, in drei Teile gespalten wird, darunter auch das toxische Aβ.

Schädlichen Prozess blockieren, ohne nützliche Funktionen zu unterbinden
Wird die β-Sekretase oder die γ-Sekretase blockiert, wird auch kein schädliches β-Amyloid-Peptid mehr gebildet. Die biomedizinische Forschung konzentriert sich daher seit vielen Jahren auf diese beiden Enzyme als therapeutische Angriffspunkte. Bisherige Ergebnisse aus klinischen Studien mit Substanzen, die die γ-Sekretase blockieren, sind jedoch ernüchternd. Das Problem ist, dass das Enzym auch an anderen, wichtigen Zellprozessen beteiligt ist. Bei Patienten führte die Enzymhemmung daher zu schweren Nebenwirkungen wie Magendarmblutungen oder Hautkrebs.

Einige Jahre schon konzentrieren die Forscher ihre Anstrengungen daher auch auf die β-Sekretase. Eine Vielzahl von Wirkstoffen wurde entwickelt, darunter einige sehr aussichtsreiche, die die Menge an Aβ in Mausmodellen wirksam reduzierten. Doch hier stellt sich gemäss dem Zellbiologen Lawrence Rajendran dieselbe Herausforderung: «Die aktuellen β-Sekretase-Inhibitoren blockieren nicht nur die Enzymfunktion, die den Krankheitsverlauf von Alzheimer vorantreibt, sondern auch physiologisch wichtige Zellprozesse. Die Substanzen, die aktuell in klinischen Studien getestet werden, könnten daher ebenfalls schwere Nebenwirkungen auslösen – und folglich scheitern.»

Vielversprechender Wirkstoff soll an Alzheimer-Patienten untersucht werden
Saoussen Ben Halima, Erstautorin der Publikation, und ihre Forscherkollegen untersuchten daher genauer, wie sich die β-Sekretase selektiv hemmen lässt – sprich: Die schädliche Eigenschaft blockieren, ohne die nützlichen Funktionen zu tangieren. Mit einer Reihe von Experimenten konnten die Wissenschaftler zeigen, dass das Alzheimer-Protein APP von der β-Sekretase in speziellen, durch Membranhüllen abgeteilten Bereichen in den Zellen gespalten wird, den Endosomen. Die anderen, lebenswichtigen Eiweisse werden hingegen in anderen Zellbereichen verarbeitet. Diese räumliche Trennung der Proteinverarbeitung innerhalb der Zelle machten sich die Forscher zunutze.

«Es gelang uns, eine Substanz zu entwickeln, die die β-Sekretase ausschliesslich in den Endosomen bremst, wo das β-Amyloid-Peptid entsteht. Die spezifische Wirksamkeit unseres Inhibitors eröffnet einen vielversprechenden Weg, um Alzheimer zukünftig wirksam zu behandeln, ohne bei den Patienten schwere Nebenwirkungen zu verursachen», resümiert Rajendran. Nächstes Ziel der Forscher ist es, ihren Medikamentenkandidaten weiterzuentwickeln, um ihn zuerst an Mäusen und schliesslich in klinischen Studien an Alzheimer-Patienten zu testen.

Alzheimer und Demenzerkrankungen in Zahlen
Etwa acht Prozent der über 65-Jährigen und mehr als 30 Prozent der Menschen, die älter als 90 Jahre sind, leiden an Alzheimer oder einer anderen Demenzerkrankung. Gemäss der Schweizerischen Alzheimervereinigung leben hierzulande aktuell knapp 120 000 Menschen mit einer Demenz und diese Zahl dürfte bis 2030 aufgrund der demografischen Entwicklung auf 200 000 Betroffene ansteigen. Schon heute sind bei uns Demenzerkrankungen der häufigste Grund für die Pflegebedürftigkeit im Alter und die dritthäufigste Todesursache nach Herz-Kreislaufleiden und Krebs. (Universität Zürich/mc/pg)

Universität Zürich

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