Neuguinea verfügt über die reichste Inselflora der Welt

Zürich – Neuguinea ist die Insel mit der weltweit grössten Pflanzenvielfalt. Dies zeigt eine breit angelegte Studie unter Federführung der Universität Zürich: Ein internationales Team trug eine Liste mit fast 14’000 Arten aus Online-Katalogen zusammen und liess sie von Pflanzenexperten überprüfen. Diese Arbeit ist für Forschung und Artenschutz äussert wertvoll.

Neuguinea ist fast zwanzigmal so gross wie die Schweiz. Die grösste Tropeninsel der Welt umfasst ein komplexes Mosaik von Ökosystemen – vom Tiefland-Dschungel bis zum hochgelegenen Grasland mit Berggipfeln höher als der Mont Blanc. Botaniker wussten schon lange, dass die Wildnis Neuguineas viele Pflanzenarten birgt. Sie sammelten seit dem 17. Jahrhundert Tausende von Pflanzen, benannten und archivierten sie in Herbarien auf der ganzen Welt.

Da die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weitgehend unabhängig voneinander arbeiteten, schwankten die Schätzungen zur Flora zwischen 9’000 und 25’000 Pflanzenarten. «Im Vergleich zu Gebieten wie Amazonien, für die kürzlich Listen mit einheimischen Pflanzen veröffentlicht wurden, blieb Neuguinea weitgehend ‚Terra icognita’», sagt Rodrigo Cámara-Leret, Postdoktorand am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltstudien der Universität Zürich. Unter seiner Leitung haben nun 99 Wissenschaftler aus 56 Institutionen und 19 Ländern die erste, von Experten geprüfte Liste zu 13’634 Gefässpflanzenarten Neuguineas und der umliegenden Inseln erstellt.

Datensätze und Expertenwissen wurden zusammengeführt
Die Autoren begannen ihre gross angelegte Gemeinschaftsarbeit, indem sie eine Liste von Pflanzennamen aus Online-Katalogen, institutionellen Repositorien und von Taxonomen verwalteten Datensätzen zusammenstellten. Nach der Standardisierung der wissenschaftlichen Namen kontrollierten 99 Experten für die Flora Neuguineas die 25’000 Artennamen, die sich aus 700’000 einzelnen Pflanzenexemplaren ergaben. Hierfür überprüften sie die ursprünglichen Namenslisten der jeweiligen Pflanzenfamilien und beurteilten, ob die Bezeichnungen auf den Online-Plattformen damit übereinstimmten.

Im letzten Schritt wurde die von den Experten akzeptierte Pflanzenliste unabhängig mit den Angaben auf der Plattform «Plants of the World Online» verglichen.

Riesige, meist nur lokal vorkommende Pflanzenvielfalt
Die daraus resultierende Checkliste enthält 13’634 Pflanzenarten. Damit hat Neuguinea die reichste Inselflora der Welt – etwa 20 Prozent mehr Arten als Madagaskar oder Borneo. Die weitaus artenreichste Familie sind die Orchideen und fast ein Drittel auf der Liste sind Bäume. Besonders bemerkenswert ist, dass 68 Prozent der Pflanzen endemisch sind – sie kommen nur auf der Insel vor. «Ein derart hoher endemischer Artenreichtum ist im tropischen Asien unübertroffen», sagt Cámara-Leret.

«Damit tragen die beiden Staaten Indonesien und Papua-Neuguinea, zu denen die Insel Neuguinea gehört, grosse Verantwortung für das Überleben dieser unersetzlichen Artenvielfalt.»

Grundlage für Forschung und Schutz
Die neue Checkliste wird die Genauigkeit biogeografischer und ökologischer Studien stark verbessern. Zudem lässt sich damit die DNA-Sequenzierung auf artenreiche, stark endemische Gruppen fokussieren und auch die Entdeckung weiterer Arten erleichtern. So liegen in den Sammlungen tausende von nicht identifizierten Exemplaren und auch im Freiland gibt es noch unbekannte Arten zu entdecken. «Wir schätzen, dass in den nächsten fünfzig Jahren 3’000 bis 4’000 Arten hinzukommen werden», sagt Dr. Michael Kessler, Mitverfasser der Studie und wissenschaftlicher Kurator des Botanischen Gartens der Universität Zürich. Alle diese Vorhaben sind wichtig, um den Artenschutz zu planen sowie die Auswirkungen von Klimawandel und Änderungen in der Landnutzung vorherzusagen.

Die internationale Teamarbeit zeigt auch, dass Expertenwissen im digitalen Zeitalter nach wie vor unerlässlich ist – hätte man nur auf die Online-Plattformen zurückgegriffen, wäre die Anzahl der Arten fälschlicherweise um ein Fünftel höher gewesen. Hinzu kommt, dass viele Pflanzenexpertinnen und -experten bereits im Ruhestand sind oder kurz davor stehen. Fast die Hälfte lebt nicht auf Neuguinea. Die Autoren plädieren daher dafür, Einheimische besser zu befähigen und zu fördern.

In politischer Hinsicht ist eine langfristige institutionelle und finanzielle Unterstützung entscheidend, um in den nächsten Jahrzehnten bedeutende Fortschritte zu erzielen, wird in der Studie festgehalten. «Unsere internationalen Kooperationsbemühungen zeigen, dass aus verifizierten digitalen Daten schnell Biodiversitätsinformationen generiert werden können. Dieses Modell könnte die Forschung in anderen Gebieten mit grosser Artenvielfalt wie etwa Borneo vorantreiben», sagt Cámara-Leret. «Internationale Initiativen wie die unsere ebnen den Weg für die grosse Herausforderung, die reichste Inselflora der Welt zu erhalten.» (UZH/mc/pg)

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