NoBillag ablehnen (leider) und danach die Krake SRG endlich zurückbinden
Die Versuchung ist gross, die Arroganz der SRG mit einem Ja zur NoBillag-Initiative abzustrafen. Wer, wie die SRG, nicht bereit ist, über einen Plan B auch nur nachzudenken, zu blasiert und zu träge für einen echten Kampf und Anpassungen ist, verdient in einem darwinistisch geprägten Wirtschaftsumfeld eigentlich nichts anderes als das Aussterben.
Kommentar von Helmuth Fuchs
Ausser, und jetzt kommen die privaten Gegenspieler zu ihrem Auftritt, die Alternative ist so jämmerlich und schädlich für das kulturelle und politische Gepräge eines Landes, dass man der süssen schnellen Versuchung widerstehen und danach mit harten Schnitten die korrumpierende und ausufernde Krake SRG zurückstutzen muss.
Die berechtigten Anliegen von NoBillag
Das Problem, das viele Schweizerinnen und Schweizer mit der SRG und den Zwangsgebühren haben ist das einer Wahrnehmung und Gewichtung: Sie gewichten die SRG nicht gleich bedeutend wie Bildung, Strassen oder die Gesundheit, die ebenfalls über Zwangsabgaben finanziert werden und sie nehmen die Qualität des Angebotes als für den hohen Preis ungenügend wahr. Als mündige Konsumenten wollen sie selbst wählen können, was sie schauen und hören und wofür sie bezahlen. So weit so verständlich.
Im Eigenverständnis der SRG kann nur sie den gesellschaftlich wichtigen Auftrag zum Zusammenhalt zwischen den verschiedenen Landesteilen, zum Austausch zwischen den Sprachregionen und zum gegenseitigen Verständnis der verschiedenen Kulturen erfüllen. Da sie die einzige Institution ist, die sich über Zwangsgebühren, respektive Steuern, finanzieren lassen kann, stimmt das im heutigen Modell auch. Die privaten Anbieter müssten sich vorwiegend über Werbung oder politisch motivierte Interessengruppen finanzieren (müssten, weil sie es heute mit wenigen Ausnahmen nicht schaffen).
Wenn ich #Kessler so sehe mutieren meine Steuern für Bildung zu Zwangsabgaben; wo kann ich die zurückfordern? #srfarena
— Jacqueline Badran (@JayBadran) November 3, 2017
Das heisst aber eben nicht, dass alles, was die SRG produziert, den staatspolitisch hehren Zielen ihres Kernauftrages dient. Die SRG hat sich im Verlauf der Zeit immer mehr Bereiche angeeignet, die schon durch private Medien abgedeckt werden: Spielshows, Musiksender mit vorwiegend internationalem Pop-Angebot, eingekaufte Serien, Börsensendungen etc. Hier wird sie zur steuerfinanzierten Konkurrentin von privaten Unternehmen und buhlt gleichzeitig auch noch um die Werbegelder. Akzentuiert wird das durch das immer weiter wachsende Online-Angebot, für das die SRG ebenfalls vermehrt Werbegelder generieren möchte.
Kompromisslos mit suizidaler Arroganz
Das Verhalten der SRG-Granden und ihrer politischen Unterstützer lässt sich an Arroganz schwer überbieten: Entweder wir bekommen weiterhin ohne Abstriche alles, oder es gibt keine SRG mehr. Was für jedes Unternehmen im Markt normal ist, dass man das Angebot nach den Bedürfnissen der Kunden und das Unternehmen nach den Marktentwicklungen ausrichtet, scheint für die SRG-Verantwortlichen schon fast eine Beleidigung zu sein. Auf dem Weg zur Abstimmung über die jetzt vorliegende NoBillag-Initiative gab es genügend Möglichkeiten und Vorschläge, die Gebühren zu reduzieren, das Angebot anzupassen, Gegenvorschläge aufzunehmen. Alles wurde mit einer «Alles-oder-Nichts»-Haltung abgeschmettert.
Im Parlament war keine Einsparung bei der SRG möglich. Deshalb Ja zu #NoBillag, sagt @SVPch Nationalrat Gregor Rutz. #srfarena pic.twitter.com/Cb3AFIB2ED
— Jonas Projer (@jonasprojer) November 3, 2017
Um der NoBillag-Initiative etwas Wind aus den Segeln zu nehmen, hat der Bundesrat eiligst noch ein Versprechen aus der der Abstimmung zum neuen Radio- und TV-Gesetz von Mitte 2015 erfüllt und eine Gebührensenkung von heute 451 Franken auf 365 Franken pro Jahr und Haushalt ab 2019 angekündigt. Dazu sollen die Gebührenzahlungen an die SRG auf 1.2 Milliarden begrenzt werden. Bei einem Gesamtbudget von 1.6 Milliarden Franken müsste die SRG so mit Mindereinnahmen von gut 40 Millionen Franken budgetieren (also lediglich 2.5% weniger). «Too little, too late» ist meine spontane Reaktion. Und ein sehr durchsichtiges Manöver, um die finanzielle Schmerzgrenze bei den Stimmbürgern auszuloten.
Was so einmal mehr umgangen wird, ist eine grundsätzliche Diskussion darüber, was eigentlich der Auftrag der SRG sein soll, was fundamental für den Zusammenhalt der Schweiz ist und was wir uns das kosten lassen wollen.
Als ob ein Unternehmen radiohören oder fernsehen könnte
Um auch noch die Unternehmen gegen sich aufzubringen, hat sich die SRG diese als weitere Finanzierungsquelle erschlossen, obschon alle Personen (und nur diese sind in der Lage, die Leistungen der SRG zu konsumieren) bereits eine Gebühr abliefern mussten. Dass 75% der Unternehmen wegen fehlender Grösse davon entbunden sind und nur die Grössten, vor allem internationale Multis, zur Kasse gebeten würden, wie die Verantwortlichen süffisant betonen, zeugt von einem wenig fundierten, arroganten Wirtschaftsverständnis und macht die Gebühr in keiner Weise berechtigter.
«Divide et impera» mit einem Schuss Schweigegeld
Die SRG bedient sich, als praktisch wettbewerbsbefreites Unternehmen, sowohl bei der Zwangsabgabe als auch im freien Markt bei den Werbegeldern. Das ist zutiefst unfair und wettbewerbsverzerrend. Zu den 1.2 Milliarden Gebühren kommen so noch 400 Millionen Werbegelder, die dem Markt der privaten Unternehmen entzogen werden. Ein Werbeverbot würde die SRG motivieren, sich vermehrt auf ihren Kernauftrag zu konzentrieren und Angebote, welche von Privaten geleistet werden können, auch diesen zu überlassen.
Um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen und den Wettbewerb auf kleinster Flamme zu halten, beteiligt die SRG die privaten Anbieter mit Brosamen aus dem Gebührenkuchen (unten Zahlen aus dem 2014).
Das hat schon bei den Radiosendern funktioniert, noch besser bei den Fernsehsendern und dasselbe versucht man jetzt auch im Online-Bereich. In der Arena-Sendung vom 3. November 2017 hat André Moesch, Präsident von Telesuisse, dem Verband der Schweizer Regional Fernsehen, die Bankrotterklärung gleich selbst abgegeben: «Wenn die NoBillag-Initiative angenommen wird, heisst das Lichterlöschen für die Regional Fernsehen.»
Das heisst, die regionalen Fernsehsender, die sich gerne als Alternative zu SRG sehen, sind mit ganz wenigen Ausnahmen ohne die Gebühren der SRG nicht überlebensfähig. Und wer sich schon einmal eine Tagesprogramm der Sender zu Gemüte geführt hat, fragt sich, aus welchem Grund die Sender überhaupt Gebühren bekommen (ausser eben, dass man sich so die Konkurrenz vom Leibe hält). Die Bedeutung in kultureller oder gesellschaftlicher Hinsicht, oder ein besonderer Informationsgehalt kann es nicht sein. Da hilft auch der stetige Hinweis auf Tele Züri nicht, das als wahrscheinlich einziger lokaler Sender sowohl überlebensfähig als auch relevant ist.
Wie weiter
Schweren Herzens werde ich der Versuchung widerstehen, die SRG mit der NoBillag-Initiative auf ein vernünftiges Mass zu stutzen, weil das Mass eben mit dieser Initiative nicht festgelegt werden kann (ausser auf 0). Das ist stossenderweise nicht die Schuld der Initiative sondern des Verhaltens der SRG und ihrer politischen Unterstützer, die zu keinem Kompromiss und keiner Reduktionslösung Hand geboten haben (und für diese Arroganz alleine eigentlich schon abgestraft werden müssten).
Nach der Abstimmung und falls die Initiative nicht angenommen wird, sollten aber umgehend neue Vorstösse und Initiativen mit folgenden Eckdaten lanciert werden, um die Krake SRG zurechtzustutzen:
- Entscheidung ob die SRG über Gebühren oder Werbung finanziert werden soll. Kein Mischmodell mehr
- Definition der Kernaufgabe der SRG und Wegfall aller nicht dazu gehörenden Aufgaben (zum Beispiel Filmförderung)
- Neue Gebührenfestlegung gemäss den Aufgaben
- Keine Gebühren für Unternehmen, da diese die Leistungen der SRG gar nicht konsumieren können und es eine Doppelbesteuerung ist
- Streichen aller Zuwendungen der SRG an private Mitbewerber (Schmier- und Schweigegelder)
Die SRG wird diesmal wahrscheinlich mit dem Schrecken davon kommen. Falls sie daraus aber nicht die richtigen Schlüsse zieht und ihr überhebliches Verhalten beibehält, wird die nächste Initiative mit grosser Wahrscheinlichkeit das von ihr in dieser Abstimmung immer beschworene Ende bringen. Dann zu Recht.