OBT: Arbeit auf Abruf – sehr praktisch, aber reich an Tücken

(Bild: OBT)

St. Gallen – Arbeit auf Abruf ist auch in der Schweiz nach wie vor existent. Zwar bietet sie Arbeitnehmern wie auch Arbeitgebern viel Flexibilität, hat aber auch ihre rechtlichen Tücken. Der Artikel beleuchtet diese und zeigt den Unterschied zwischen echter und unechter Arbeit auf Abruf auf.

Mit einem Arbeitsvertrag «Arbeit auf Abruf» werden Einsätze, die auf Veranlassung des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer zu leisten sind, geregelt. Grundsätzlich muss dabei zwischen zwei Formen unterschieden werden: der echten Arbeit auf Abruf und der unechten Arbeit auf Abruf.

Echte Arbeit auf Abruf
Bei der echten Arbeit auf Abruf liegt ein gesetzlich geregelter, unbefristeter Arbeitsvertrag vor. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, der Aufforderung des Arbeitgebers Folge zu leisten und hat kein Recht zu entscheiden, ob er die angeordnete Arbeit ausführen möchte oder nicht.

Hinzu kommt, dass sich der Arbeitnehmer in der Regel während eines bestimmten Zeitraums ausserhalb des Betriebs für einen Arbeitseinsatz zur Verfügung halten muss. Dabei handelt es sich um Bereitschaftsdienst oder um Rufbereitschaft. Die hierfür vom Arbeitnehmer aufgewendete Zeit ist vom Arbeitgeber zu entschädigen. Diese Entschädigung darf jedoch tiefer als diejenige der üblichen Einsätze sein. Seitens der Gerichte wurde eine Entschädigung zwischen 25 und 50% des Grundlohns als korrekt erachtet. Die definitive Entschädigung ist jedoch immer Verhandlungssache zwischen den Parteien.

Unechte Arbeit auf Abruf
Von unechter Arbeit auf Abruf spricht man, wenn die Arbeitseinsätze zwar ebenfalls auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgen, der Arbeitnehmer jedoch das Recht hat, zu entscheiden, ob er einen Einsatz annehmen möchte.

Der Arbeitnehmer ist somit nicht verpflichtet, dem Abruf des Arbeitgebers Folge zu leisten. In diesem Fall ist es wichtig, dass bei jedem neuen Abruf des Arbeitgebers ein neuer Arbeitsvertrag zwischen den Parteien zustande kommt. Bis zur konkreten Einsatzvereinbarung liegt daher jeweils erst ein Rahmenvertrag über die anwendbaren Arbeitsbedingungen vor.

Betreffend die Bekanntgabe der Arbeitszeiten ist darauf hinzuweisen, dass der Zeitpunkt der geplanten Einsätze bei beiden Varianten der Arbeit auf Abruf zum Schutz des Arbeitsnehmers möglichst frühzeitig mitgeteilt werden muss. Gemäss Arbeitsgesetz (Art. 47 Abs. 1 ArG) und der entsprechenden Verordnung ArgV1 (Art. 69 Abs. 1 ArgV1) muss die Information in der Regel zwei Wochen vor einem geplanten Einsatz erfolgen.

Unverschuldete Abwesenheit und Kündigung
Befindet sich der Arbeitnehmer in gekündigtem Arbeitsverhältnis (echte Arbeit auf Abruf), darf der Arbeitgeber den Abrufumfang nicht abrupt reduzieren. Eine unverhältnismässige Reduktion im Vergleich zu den bisherigen Einsätzen würde den Arbeitnehmer seines Schutzes der gesetzlich vorgesehenen Mindestkündigungsfrist berauben. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer somit auch während der Kündigungsfrist in einem – gestützt auf die bisherige Beschäftigungsdauer – durchschnittlichen Rahmen weiter zu beschäftigen. Würde ein Aufgebot seitens des Arbeitgebers von einem Tag auf den andern ausbleiben, stünde dem Arbeitnehmer basierend auf Art. 324 OR die Möglichkeit offen, einen Anspruch auf Lohnfortzahlung geltend zu machen.

Bei der unechten Arbeit auf Abruf hat das Bundesgericht entschieden, dass die durchschnittliche, bis anhin geleistete Arbeitszeit auch in diesem Fall zugewiesen werden müsse, sofern das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt eine gewisse Regelmässigkeit aufgewiesen hat. Dies erfolgt mit dem Hinweis darauf, dass der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer das Betriebsrisiko zu tragen hat.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Lehrmeinung die Zuweisung von Arbeit bei der unechten Arbeit auf Abruf teilweise anders beurteilt: Da in diesem Fall kein fixer, individueller Arbeitsvertrag besteht und der Arbeitnehmer auch nicht zur Leistung von Arbeit verpflichtet ist, würde eine zwingende Arbeitszuweisung zu einem Ungleichgewicht führen. Der Arbeitgeber müsste dem Arbeitnehmer Arbeit zuweisen, der Arbeitnehmer wäre indessen nicht verpflichtet, diese anzunehmen. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte vom Arbeitgeber während der Kündigungsfrist des Rahmenvertrags Arbeit im durchschnittlichen, bisherigen Umfang zugewiesen werden.

Krankheit, Unfall und unverschuldete Verhinderung an der Arbeitsleistung
Die Situation bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, Unfall oder anderer vom Arbeitnehmer unverschuldeter Arbeitsverhinderung gemäss Art. 324 OR präsentiert sich gleich wie die Situation im obigen Abschnitt: Der Arbeitnehmer hat sowohl bei der echten als auch bei der unechten Arbeit auf Abruf ein Anrecht auf eine gesetzliche Lohnfortzahlung.

Die Höhe des Anspruchs gibt jedoch immer wieder Anlass zu Diskussionen – insbesondere die Frage, ob bzw. wie weit einem Arbeitnehmer bei Arbeit auf Abruf trotz unverschuldeter Arbeitsverhinderung überhaupt ein entsprechender Anspruch zusteht. Wie bereits ausgeführt soll das Betriebsrisiko nicht auf den Arbeitnehmer überwälzt werden können. Entgegen einem Teil der Lehre ist daher gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung auf eine auf die bisherige Beschäftigungsdauer basierende Durchschnittsberechnung abzustützen.

Fazit
Beim Thema Arbeit auf Abruf ist es wichtig, zu unterscheiden, ob es sich um echte oder unechte Arbeit auf Abruf handelt. Gestützt auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichts muss während der Kündigungsfrist in beiden Fällen Arbeit im bisherigen Umfang zugewiesen werden. Ebenso muss der Arbeitgeber im Falle von unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit Lohnfortzahlung gestützt auf die bisher getätigten Einsätze leisten. Ein Teil der Lehrmeinung sieht jedoch bei der unechten Arbeit auf Abruf keine Einsatzverpflichtung oder Lohnfortzahlungsverpflichtung bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit vor. Daher empfehlen wir, sich an der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu orientieren, da diese bei einem gerichtlichen Streitfall massgebend ist. (OBT/mc/ps)

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