St. Gallen – Entsenden ausländische Unternehmen Mitarbeitende für kürzere Einsätze in die Schweiz, um Dienstleistungen zu erbringen, ist es für sie herausfordernd, die arbeitsrechtlichen Vorgaben einzuhalten. Wird die 90-Tage-Grenze im vereinfachten Meldeverfahren überschritten, ergeben sich komplexe Anforderungen an die Entsendebetriebe und deren Mitarbeitende. Der Artikel zeigt auf, wie der administrative Aufwand und die Zahl der nötigen Bewilligungen minimiert werden kann.
Im vereinfachten Meldeverfahren können Mitarbeitende bis zu 90 effektive Arbeitstage pro Kalenderjahr in die Schweiz entsendet werden, ohne dass eine aufwendige Bewilligung erforderlich ist. Die Anmeldung erfolgt zentral über das Online-Meldeverfahren des Staatssekretariats für Migration (SEM) und ist national harmonisiert. Zentral ist, dass die 90 Tage pro Unternehmen gelten und es dabei unerheblich ist, wie viele Mitarbeitende gleichzeitig entsendet werden. Werden beispielsweise acht deutsche Mitarbeitende für eine komplette Arbeitswoche in die Schweiz entsendet, um eine Produktionsmaschine in Betrieb zu nehmen, werden lediglich fünf Tage im Meldeverfahren verbraucht.
Die Grundsätze des Meldeverfahrens, die im OBT Fachartikel vom Januar 2020 (Kurzfristige Erwerbstätigkeit in der Schweiz – die Tücken der Meldepflicht) eingehend erläutert worden sind, gelten auch heute noch und sind nur vereinzelt angepasst worden. Um konkrete Anwendungsfälle in der Praxis zu klären, sollten die Weisungen und Erläuterungen zur Verordnung über den freien Personenverkehr (Weisungen VFP) und die zugehörigen Anhänge konsultiert werden.
Rasche Entsendung dank Notfallregelung
Die Abgrenzung von meldepflichtigen und nicht meldepflichtigen Tätigkeiten (Anhang 5, Weisungen VFP) dient als wichtige Grundlage des Meldewesens. Die Notfallregelung (Art. 3.3.5 Weisungen VFP) gemäss Art. 6 Abs. 3 EntsG, mit der in definierten Ausnahmefällen die Arbeit vor der regulären achttägigen Voranmeldefrist aufgenommen werden kann, findet in der Praxis oft Anwendung. Hierbei ist es erlaubt, Mitarbeitende bei unvorhergesehenen Ereignissen, beispielsweise für Reparatureinsätze, rasch zu entsenden.
Mit den Weisungen zur nachträglichen Änderung von Meldungen (Art. 3.3.7 Weisungen VFP) können im Meldeverfahren wertvolle Tage eingespart werden. Das ist besonders dann wichtig, wenn langfristig eine Überschreitung der verfügbaren Tage im Meldeverfahren droht und individuelle Arbeitsbewilligungen nötig werden.
Änderungen an bestehenden Meldungen sind unverzüglich, jedoch spätestens vor Eintritt der Abweichung an die zuständige kantonale Behörde zu melden. Bereits gemeldete Einsatztage, die nicht benötigt werden, werden vollumfänglich gutgeschrieben, sofern die Annullationsmeldung vor Abschluss der Arbeiten gemäss den geltenden Auflagen erfolgt. Werden zusätzliche Mitarbeitende benötigt, um einen Auftrag, für den bereits eine Meldung besteht, zu erfüllen, löst dies (analog einer Verlängerung des Einsatzes) keine neue achttägige Voranmeldefrist aus.
Je nach Ausgangslage lohnt es sich, die bestehenden Weisungen und Verordnungen des Meldeverfahrens zu kennen, um das aufwendige ordentliche Bewilligungsverfahren möglichst zu vermeiden oder nur vereinzelt anwenden zu müssen.
120-Tage-Bewilligungen: tiefere Anforderungen als bei einer Kurzaufenthaltsbewilligung
Sobald die Anzahl der maximal möglichen 90 Tage im Meldeverfahren aufgebraucht ist, ist für jede weitere Tätigkeit eine individuelle Arbeitsbewilligung pro Person und Kanton erforderlich. In solchen Situationen bieten 120-Tage-Bewilligungen oft die passende Lösung. Mit diesen müssen sich die entsendeten Mitarbeitenden (Art. 19 Abs. VZAE) nach der Einreise in die Schweiz nicht anmelden und benötigen auch keinen Ausländerausweis. Weiter unterstehen die 120-Tage-Bewilligungen nicht den Höchstzahlen für Kurzaufenthaltsbewilligungen.
Ausländerinnen und Ausländer, die einer Bewilligungspflicht unterliegen und innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten höchstens vier Monate in der Schweiz erwerbstätig sind (gemäss Art. 12 Abs. 1 VZAE), erhalten anstelle eines Ausländerausweises eine Einreiseerlaubnis (Art. 71 Abs. 2 VZAE). Diese regelt gleichzeitig den Aufenthalt in der Schweiz und wird vor der Einreise ausgestellt. Dies gilt auch, wenn die Tätigkeit nur tageweise ausgeübt wird, solange die Gesamtdauer von vier Monaten innerhalb von zwölf Monaten ab der ersten Einreise nicht überschritten wird (Art. 12 Abs. 1 VZAE). Die 120-Tage-Bewilligung stellt formell eine Kurzaufenthaltsbewilligung L dar, die aber aufgrund der verkürzten Dauer tiefere Anforderungen beinhaltet.
120-Tage-Bewilligung ist kantonal geregelt
Die Erteilung von 120-Tage-Bewilligungen ist Sache der Kantone. Somit muss bei jedem betroffenen Kanton ein separates Gesuch eingereicht werden, selbst wenn es sich möglicherweise um denselben Mitarbeitenden oder dieselbe Mitarbeitende handelt. Weiter sind die Gesuche pro Person einzureichen und daher nicht auf das Entsendeunternehmen oder das Projekt bezogen. Dies führt kumuliert zu einem deutlich höheren administrativen Aufwand im Vergleich zum vereinfachten Meldeverfahren.
Die Kantone können bestehende Bewilligungen anderer Kantone gutheissen. Um die Bewilligung rechtzeitig zu erhalten, sollten die Anträge in der Regel mindestens 20 Tage vor dem Einsatzbeginn beim Amt eingereicht werden. Einige Kantone verlangen zudem, dass die 90 Tage im Meldeverfahren vollständig ausgeschöpft werden, bevor sie eine 120-Tage-Bewilligung erteilen. Bereits verbrauchte Tage aus dem Meldeverfahren werden von den anschliessend verfügbaren vier Monaten abgezogen.
Kantonale Regelung bring Herausforderungen in der Praxis
Den Anträgen sind oft zahlreiche Unterlagen zum entsendeten Mitarbeitenden beizulegen, ähnlich wie bei den Arbeitsmarktkontrollen, die sich sporadisch aus dem Meldeverfahren ergeben. Damit prüfen die Arbeits- und Migrationsämter, ob die geltenden Schweizer Arbeits- und Lohnbedingungen während der Entsendung in die Schweiz eingehalten werden können. Die Erteilung der Bewilligung ist keinesfalls garantiert.
In der Praxis können die Anforderungen und benötigten Unterlagen je nach Kanton stark variieren. Es ist daher unerlässlich, die spezifischen Vorgaben der kantonalen Migrationsämter im Voraus zu prüfen. Diese stellen auf ihren Webseiten entsprechende Formulare und Richtlinien bereit. In einigen Kantonen existieren Online-Portale, bei denen entsprechende Anträge direkt eingereicht werden können. Um sicherzustellen, dass alle Bewilligungen rechtzeitig vorliegen und die Anforderungen erfüllt sind, ist für Unternehmen eine frühzeitige Planung essenziell.
Fazit
Die Überschreitung der 90-Tage-Grenze bei der Entsendung von Mitarbeitenden in die Schweiz bringt erhebliche organisatorische und rechtliche Anforderungen mit sich. Die verfügbaren Tage aus dem Meldeverfahren sollten daher effizient genutzt werden. Eine gründliche Vorbereitung und die Zusammenarbeit mit erfahrenen Partnern können helfen, mögliche Hürden zu meistern und Verzögerungen zu vermeiden. Unternehmen sollten sich der kantonalen Unterschiede bewusst sein und die Einhaltung der Fristen sicherstellen. (OBT/mc/ps)