OBT: Prüfung von öffentlichen Unternehmen – HRM2 und PH 60 führen zu Besonderheiten
Die Prüfung von öffentlichen Unternehmen hat mit der Einführung des harmonisierten Rechnungslegungsmodells für Kantone und Gemeinden sowie mit dem Prüfungshinweis 60 eine höhere Bedeutung erhalten. Die finanzielle Berichterstattung wird um zusätzliche Prüfgebiete wie Anlagebuchhaltung, Aufwertung des Verwaltungsvermögens oder Geldflussrechnung erweitert. Dieser Artikel beleuchtet die Besonderheiten des Prüfungshinweises 60.
Mit der Einführung des harmonisierten Rechnungslegungsmodells für Kantone und Gemeinden (HRM2) soll die Rechnungslegung möglichst weitgehend ein Bild der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zeigen (True & Fair View). Die massgeblichen Verhaltensanforderungen für die Durchführung der Prüfung der Jahresrechnung von Gemeinden erhält der Wirtschaftsprüfer im Schweizer Prüfungshinweis 60 (PH 60, «Prüfung und Berichterstattung des Abschlussprüfers einer Gemeinderechnung»). Die Prüfung entspricht nach Art und Umfang grundsätzlich einer Abschlussprüfung gemäss Schweizer Prüfungsstandard, weist aber verschiedene Besonderheiten auf.
Beauftragung des Wirtschaftsprüfers
Die Verantwortung für die Prüfung der Jahresrechnung ist in den Rechtsgrundlagen der Kantone und Gemeinden geregelt und liegt normalerweise bei den gewählten Kommissionen (z.B. Geschäfts- oder Rechnungsprüfungskommission). Die Prüfungen können auch im Auftragsverhältnis an eine externe Prüfstelle übertragen werden. Besondere Bedeutung kommt hier der Auftragsbestätigung zu, um die Prüfungsarbeiten klar abzugrenzen und Doppelprüfungen oder ungeprüfte Bereiche möglichst zu vermeiden. Mit einer schriftlich formulierten Auftragsbestätigung und einer konkreten inhaltlichen Aufgabenabgrenzung kann hier Klarheit geschaffen werden.
Gegenstand und Umfang der Prüfung
Die Prüfung richtet sich nach den kantonalen und kommunalen Regelungen und nach den in der Auftragsbestätigung getroffenen Vereinbarungen. Die Prüfungen erstrecken sich über die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften (wie z.B. das Gemeindegesetz und die Verordnung über den Finanzhaushalt der Gemeinden) und basieren auf allgemein gültigen Grundsätzen wie Klarheit, Nachvollziehbarkeit, Vollständigkeit und Richtigkeit. Die Jahresrechnungsprüfung stellt aber keine Prüfung des gesamten Verwaltungshandelns dar. Sie gibt insbesondere keine Gewähr für die Effektivität und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung. Es gilt das Konzept der hinreichenden Sicherheit und die Prüfung dient dem Ziel, wesentliche Fehler festzustellen. Der Wirtschaftsprüfer muss die Prüfungshandlungen eigenverantwortlich nach pflichtgemässem Ermessen bestimmen und ist für das Prüfungsurteil im Revisionsbericht verantwortlich. So werden in der Prüfungsplanung Schwerpunktprüfungen von Bereichen der Gemeinde wie z.B. Bildung oder soziale Sicherheit festgelegt, die über die Legislaturperiode verteilt durchgeführt werden. Die für die Aufsicht zuständigen Organe (Kommissionen) werden durch den Revisionsbericht in ihrer Funktion unterstützt, ihre Verantwortung für die Aufsicht bleibt dabei unberührt.
Risikoorientierter Prüfungsansatz
Der Prüfung von Jahresrechnungen von Gemeinden liegt ein risikoorientierter Prüfungsansatz zugrunde. Der Wirtschaftsprüfer muss die einzelnen Komponenten des Prüfungsrisikos kennen, analysieren und eine Wesentlichkeitsgrenze festlegen. Aufbauend auf den festgestellten Risiken sind Prüfungen zur Funktion des internen Kontrollsystems und einzelnen Aussagen der Rechnungslegung vorzunehmen. Der Wirtschaftsprüfer befasst sich somit intensiver mit risikoreichen Prüfungsbereichen als mit weniger risikobehafteten.
Zu den risikoreicheren Bereichen zählen häufig Soziales, Löhne, Zahlungsverkehr oder Stellen mit Bargeldtransaktionen. Insbesondere sind auch Fragen nach dem Umfang und Ablauf der IT-Prozesse und eingebauten Kontrollen zu stellen. Im Weiteren ist eine Vollständigkeitserklärung von den gesetzlichen Vertretern einzuholen.
Besonderheiten der Prüfung von öffentlichen Unternehmen
Aufgrund der Komplexität und der teilweise hohen Vertraulichkeit von öffentlichen Aufgaben müssen in den folgenden Bereichen immer minimale Prüfungshandlungen durchgeführt werden:
- Die materielle Richtigkeit der Steuerveranlagung und der Sozialhilfeleistungen wird aufgrund der Einschränkung des Einsichtsrechts nicht oder nur eingeschränkt geprüft. Minimal muss aber unter anderem ein Verständnis des internen Kontrollsystems, eine Übereinstimmung zwischen Finanz- und Hilfsbuchhaltung, Fälligkeitsstruktur, richtiger Steuerfuss sowie genehmigte Grundlagen für Erlasse oder Auszahlungen geprüft werden.
- Einsicht in Protokolle des Gemeinderats ist nur dann notwendig, wenn wichtige Entscheide oder Beschlüsse zum Jahresabschluss oder zu Kreditüberschreitungen enthalten sind.
- Schwerpunktprüfungen von bestimmten Bereichen aufgrund der Risikoeinschätzung sollten alternierend innerhalb von drei bis fünf Jahren vorgenommen werden. Die Planung wird jährlich aufgrund der Risikobeurteilung und Erfahrung neu beurteilt.
- Drittbestätigungen werden nur bei Finanzinstituten (Post, Bank) periodisch eingeholt. Bei Forderungen und Verbindlichkeiten sind alternative Prüfungshandlungen durchzuführen. Anwaltsbestätigungen werden nur bei Anhaltspunkten für wesentliche Ereignisse eingeholt.
- Zeitliche und sachliche Abgrenzungen sind grundsätzlich periodengerecht unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Stetigkeit vorzunehmen.
- Ausgelagerte Bereiche sind nur dann zu prüfen, wenn die Prüfungsergebnisse (Revisions- und Erläuterungsberichte) fachliche oder inhaltliche Auffälligkeiten und Widersprüche enthalten (Einschränkungen, Hinweise, Zusätze).
Wenn die Geschäftsprüfungskommission gewisse Teilgebiete der Jahresrechnung (z.B. Prüfung von Bauabrechnungen) selber prüft, hat die beauftragte Prüfstelle die Protokolle dazu einzusehen und zu beurteilen.
Definierte Berichterstattung
Ist eine Prüfung der Jahresrechnung nach den kantonalen Vorschriften vereinbart, gibt der Wirtschaftsprüfer über deren Ergebnis einen Revisionsbericht an das zuständige Organ als Auftraggeber ab. Hier gelten die in den Schweizer Prüfungsstandards dargelegten Grundsätze. So ist bei wesentlich falschen Darstellungen das Prüfurteil einzuschränken, zu versagen oder die Nichtabgabe des Prüfurteils zu erklären. Wenn die Abmachungen oder die gesetzlichen Bestimmungen dies verlangen, muss neben dem Revisionsbericht auch ein Erläuterungsbericht verfasst werden, der vor der Abgabe mit dem gesetzlichen Vertreter und dem Auftraggeber besprochen werden sollte.
Fazit
Die Prüfung von öffentlichen Unternehmen erfolgt in der Regel im Auftragsverhältnis und ist grundsätzlich nach den Vorgaben der Schweizer Prüfungsstandards durchzuführen. Die Besonderheiten sind im Prüfungshinweis 60 verbindlich geregelt. Besondere Aufmerksamkeit gilt der klaren und inhaltlich konkreten Auftragsbestätigung. Der risikoorientierte Prüfungsansatz führt zu intensiven Prüfungen in risikoreichen Bereichen zur Funktion des internen Kontrollsystems und einzelnen Aussagen der Rechnungslegung. (OBT/mc)