ODDO BHF AM: Entwicklung von humanoiden Robotern – Quantensprung in der Robotik

Brice Prunas

Brice Prunas, Portfoliomanager globale Themenfonds, ODDO BHF Asset Management SAS. (Bild: ODDO BHF)

Ein Augenmerk auf eine spezielle Disziplin der künstlichen Intelligenz. Sie ist reich an Mythen, verspricht aber auch gesellschaftlichen Fortschritt: die Entwicklung von humanoiden Robotern.

von Brice Prunas, Portfoliomanager globale Themenfonds, ODDO BHF Asset Management SAS

Am 30. September 2022 stellten die Teams von Tesla auf ihrem KI-Tag den Prototyp des humanoiden Roboters Optimus vor. Dieser Roboter mit menschlicher Anmutung kann auf einer ebenen Fläche gehen, sich wie ein Mensch bewegen und schwere Lasten (z. B. ein grosses Paket) tragen und transportieren. Tesla stellte dabei Folgendes in Aussicht: die Serienproduktion humanoider Roboter (Millionen von Einheiten) für einen Verkaufspreis von unter 20.000 USD pro Stück, der in einem ersten Schritt in der Lage ist, den Menschen einfache, aber lästige Aufgaben abzunehmen.

Der durch diesen technologischen Durchbruch von Tesla erreichte Fortschritt muss ins rechte Licht gesetzt werden. Schliesslich beschränkte sich die Massenproduktion von Robotern bislang auf nicht-humanoide Exemplare, die ausschliesslich in geschlossenen Systemen operieren: a) in der Fabrikautomatisierung (japanische Unternehmen wie Fanuc, Yaskawa oder amerikanische Unternehmen wie Teradyne); b) Massenartikel (z.B. Staubsauger der Firma iRobot, die gerade von Amazon aufgekauft wird). Sie sind daher nicht für den Einsatz in offenen, für Menschen konzipierte Umgebungen gedacht. Mit diesen neuen humanoiden Robotern eröffnen sich also ganz neue Möglichkeiten: die Interaktion mit dem Menschen (auch wenn der Präsentation von Tesla zu entnehmen war, dass man sich hier noch im Anfangsstadium befindet).

Die ersten Versuche, humanoide Roboter zu bauen und zu verkaufen (Hondas Asimo-Roboter, Softbanks Pepper-Roboter), waren bislang nicht erfolgreich. Somit ist zwar Vorsicht geboten. Im Fall von Tesla kann man jedoch angesichts seines grossen Erfolgs im Bereich der Elektrofahrzeuge (und auch der vielversprechenden Fortschritte beim autonomen Fahren) erahnen, dass die Erfolgschancen für diese humanoide Roboterinitiative viel höher sind als bei früheren Versuchen (einschliesslich der umstrittenen, aber bisher am weitesten fortgeschrittenen Initiative des Unternehmens Boston Dynamics).

Eine technologische Meisterleistung, dank der Bündelung von Kompetenzen aus dem Automobilbereich
In die Entwicklung und Herstellung des Optimus-Roboters ist Expertise aus mehreren Feldern eingeflossen, in denen Tesla in seinem Kerngeschäft – Elektroautos und autonomes Fahren – bereits seine weltweite Führungsrolle bewiesen hat:

Künstliche Intelligenz: Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren eines tiefen neuronalen Netzes ist die Menge an Daten (Bilder, Videos), die es ihm ermöglicht, zu lernen (oder zu «trainieren»). In dieser Hinsicht verfügt Tesla mit seiner Flotte von mehreren hunderttausend Fahrzeugen, die mit autonomen Fahrsystemen ausgestattet sind, bereits über den weltweit besten Algorithmus seiner Art. Der amerikanische Konzern konnte sich diesen Vorteil zunutze machen, indem er für seinen humanoiden Roboter dasselbe selbststeuernde neuronale Netz nutzte, das auch beim autonomen Fahren zum Einsatz kommt, und dieses auf die spezifischen Bedürfnisse seiner Roboter (Objektidentifizierung, Hinderniserkennung) umtrainierte.

Antriebe und elektrische Bauteile, sind Schlüsselkomponenten von Elektrofahrzeugen. Für den Optimus-Roboter kann Tesla seine Stärken insbesondere in der Optimierung des Energieverbrauchs zu Nutze machen, und zwar über drei Hebel:

Der Einsatz von in der Automobilbranche verwendeten CAD- und Simulationssoftwarelösungen, ist wichtig für die Robotersparte. Statt Crashtest-Simulationen wurden Stürze des Roboters simuliert. Zudem dienten diese Lösungen auch zur Optimierung der Stellantriebe (von diesen finden sich insgesamt 28 im Roboter – von einem Stellantrieb heisst es gar, dieser könnte eine Last von einer halben Tonne heben, wie z. B. einen Klavierflügel) oder aller Motorsituationen des Roboters.

Der gesellschaftliche Nutzen von Robotern: “KI für die gute Sache”
Teslas Vision ist die Entwicklung eines (serienreifen) Roboters, der für möglichst viele Aufgaben des täglichen Lebens einsetzbar ist. Die ersten Demonstrationen (Optimus Version 1) zeigen den Einsatz im Geschäftsfeld des Unternehmens. Es ist aber leicht vorstellbar, wie diese Roboter der neuen Generation in der Lage sein werden, unsere Gesellschaft zu unterstützen und zu verbessern, z. B. älteren Menschen oder Menschen mit Behinderung zu helfen oder sogar für den Schutz und die Sicherheit von Kindern zu sorgen. Ebenso bedeutend sind auch die Möglichkeiten im Bereich der Unterhaltung (hier bieten die menschliche Anmutung und die motorischen Fähigkeiten dieser Roboter enormes Potenzial).

Noch verfügen diese ersten Roboter nicht über Funktionalitäten, um Gespräche zu führen. Dies ist aber für die nahe Zukunft vorstellbar. Diese Konversationsfähigkeit ist bei einem breiten Einsatzspektrum gefragt. So liesse sich der Isolation älterer Menschen, vulnerabler Gruppen oder Menschen mit Behinderungen entgegenwirken.

Der nächste Schritt wird darin bestehen, diese Roboter mit kognitiven Funktionen und Emotionen auszustatten. Damit wären verschiedenste Anwendungen denkbar, etwa im künstlerischen Bereich und zur Erstellung von Inhalten.

Letztendlich werden diese Roboter eines Tages vermutlich über eine künstliche Intelligenz mit eigenem Bewusstsein verfügen und wohl noch humanoider sein.

Aus allgemeiner wirtschaftlicher und sozialer Sicht schliesslich könnte es durch das Aufkommen dieser neuen Wirtschaftsakteure zu einer Verschiebung in der Definition des BIP kommen und eine reichere und sicherere Gesellschaft entstehen, in der Produkte und Dienstleistungen für die grösstmögliche Zahl von Menschen verfügbar sind. (ODDO BHF/mc)

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