Ökobilanz von Personenwagen: Neues Webtool hilft Privatpersonen und Forschenden
Villigen – Entscheidungshilfe beim Autokauf: Forschende des Paul Scherrer Instituts haben ein Webtool namens «Carculator» entwickelt, mit dem sich detailliert die ökologische Bilanz von Personenwagen vergleichen lässt. Das Programm ermittelt die Ökobilanz von Fahrzeugen mit unterschiedlichen Antriebsarten und stellt sie in Vergleichsgrafiken dar. Dabei wird der gesamte Lebenszyklus der Personenwagen bedacht, darunter also die Herstellung der Fahrzeuge sowie die umweltrelevanten Emissionen beim Fahren.
Wer sich ein neues Auto kaufen will, denkt sicherlich auch an dessen Ökobilanz. Jedoch kann das Bauchgefühl uns dabei trügen: Dass selbst wenn die Herstellung der Batterie mit einberechnet wird, das E-Auto in der Schweiz und vielen anderen Ländern schon heute am umweltfreundlichsten ist – so das Ergebnis einer PSI-Studie von Forschenden rund um den Umweltwissenschaftler Christian Bauer – kam kürzlich für die breite Öffentlichkeit überraschend.
Nun hat dieselbe Forschungsgruppe ein Webtool entwickelt, das die Daten und Ergebnisse ihrer andauernden Studien sowohl Endnutzern als auch der Forschungsgemeinde zugänglich macht. Das Programm mit dem wortspielerischen Namen «Carculator» ist auf der Webseite carculator.psi.ch zu finden und führt den interessierten Laien durch eine Auswahl an Parametern: Welche Antriebsart soll angeschaut werden, beispielsweise Benzinmotor, Diesel, Erdgas, Brennstoffzelle oder Batterieantrieb – also E-Auto.
Breite Palette an Antriebsarten
«Unser Tool bietet eine sehr breite Palette an Antriebsarten», erklärt Romain Sacchi, ebenfalls Umweltwissenschaftler am PSI und bei der Entwicklung des Carculator federführend beteiligt. «Und es kann zudem zwischen sehr vielen Treibstoffen unterscheiden: Wir haben neben den gängigen auch Bio- und synthetische Treibstoffe verschiedenen Ursprungs integriert und zukünftige Technologien wie CO2-Abscheidung und -Speicherung bei der Wasserstoffproduktion bedacht.»
Wer den Carculator nutzt, kann neben Antriebsart und Brennstoff auch die Grössenkateogorie – von Kleinstwagen bis Van – der zu vergleichenden Fahrzeuge eingeben. Man wählt zudem das Land aus, in welchem die Fahrzeuge genutzt werden – denn dadurch unterscheidet sich der Strommix für Batteriefahrzeuge – und in welchem Jahr zwischen 2000 und 2050 die Autos zugelassen werden. Für die Zukunft kann der Strommix auch selbst definiert werden, um die Auswirkungen verschiedener Szenarien zu testen.
Das Tool bewertet auch die Umweltauswirkungen des gesamten Lebenszyklus von Personenwagen, also auch die Herstellung von Karosserie und aller weiteren Bauteile wie der Batterien für Elektroantriebe.
Mehrere Umweltindikatoren im Ergebnis
Auch das Ergebnis, welches der Carculator am Ende liefert, ist detailliert und umfangreich. «Viele Menschen denken zunächst an die Klimaauswirkung durch Treibhausgase, also CO2 und ähnlich wirkende Gase wie Methan. Doch es gibt noch weitere relevante Umweltindikatoren und auch diese lassen sich ermitteln», erklärt Christian Bauer.
Darum zeigt das Tool am Ende der Berechnung nicht nur alle Treibhausgase – zusammengerechnet und in CO2-Äquivalenten angegeben –, sondern daneben auch den Ausstoss an Feinstaub, gesundheitsschädlichen Stickoxidemissionen und sämtliche üblichen Ökobilanzindikatoren wie beispielsweise Gewässerverschmutzung.
Der Carculator gibt diese Werte für alle ausgewählten Fahrzeuge parallel als Grafiken aus, sodass sie sich vergleichen lassen.
Umfangreichstes Vergleichsinstrument – komplett transparent
Der Carculator hält für Profis zusätzlich den Blick hinter die Kulissen parat: Wird das Programm von der Webseite heruntergeladen, können alle zugrundeliegenden Berechnungen eingesehen, beurteilt und auch geändert werden. «Das ist vor allem für die Forschungsgemeinde gedacht, die wissen möchte, wie wir gearbeitet haben und die unsere Berechnungen vielleicht für ihre eigenen, weiterführenden Studien nutzen möchte», so Sacchi.
Diese vollständige Transparenz soll der öffentlichen Debatte helfen. «Wenn es um die ökologische Auswirkung von Verkehrsmitteln geht, wird bislang noch zu oft mit nicht fundierten Ergebnissen argumentiert, hinter denen unausgewogene Annahmen stecken», sagt Sacchi. «Dem wollen wir durch unsere Nachvollziehbarkeit ein Ende setzen.»
Den PSI-Forschenden ist mit dem Carculator ein einzigartiges Werkzeug gelungen. «Ich kann mit gutem Gewissen sagen: Wir haben das bislang weltweit beste Vergleichstool für Personenwagen erschaffen», so Christian Bauer. «Aber damit sind wir noch nicht am Ende – die kommenden Versionen des Tools werden auch Lastwagen, Flugzeuge und öffentliche Verkehrsmittel beinhalten.»
Carculator wurde im Rahmen des Swiss Competence Center for Energy Research – Efficient Technologies and Systems for Mobility (SCCER Mobility) entwickelt. (PSI/mc)