Oliver Hofmann, CEO Wincasa AG, im Interview
Interview von Karin Bosshard
Moneycab.com Die Digitalisierung stellt, auch für Immobiliendienstleister, eine grosse Herausforderung dar. Sie wollen mit Ihrem Unternehmen bis ins Jahr 2020 «Digital Master» werden. Was genau verstehen Sie unter diesem Begriff?
Oliver Hofmann: Wir hatten uns vor rund vier Jahren das Ziel gesetzt, bis 2020 mittels neuen digitalen Kanälen und vermehrt digitalisierten Prozessen «Digital Master» zu werden. Mittlerweile haben wir unsere Ambitionen justiert und den Kunden – seien dies Immobilieneigentümer, Mieter, Lieferanten oder unsere Mitarbeitenden – noch stärker ins Zentrum gerückt. Wir wollen uns zum «Omni Channel Master» weiterentwickeln. Das heisst, dass wir kanalübergreifend on- und offline einzigartige Kundenerlebnisse schaffen.
Ihre Ziele sind sehr ambitiös … nicht «nur» Digital Master, sondern sogar «Omni Channel Master». Deshalb haben Sie u.a. also im letzten Jahr ein neues Customer Value Center etabliert. Wie sind Ihre ersten Erfahrungen und wie reagieren Ihre Kunden darauf?
Das Customer Value Center, das wir seit 2018 schrittweise implementiert haben, ist Bestandteil unserer Omni-Channel-Strategie. Es ist die erste Anlaufstelle für sämtliche Anliegen rund ums Mieten und Wohnen und ist über verschiedene On- und Offline-Kanäle erreichbar, die im Zusammenspiel eine gute Erreichbarkeit und hohe Effizienz ergeben. Die Anfragen gelangen aktuell grösstenteils per Telefon, immer mehr aber auch über schriftliche bzw. digitale Kanäle zu uns. Die Vorteile liegen in der strukturierten Bearbeitung, dem transparenten Monitoring und der kontinuierlichen Verbesserung der Dienstleistungen für unsere Mieter.
«Wir verfolgen einen Co-Creation-Ansatz, d.h. wir suchen aktiv den Dialog und Austausch mit den Eigentümern und Lieferanten.» Oliver Hofmann, CEO, Wincasa AG
Zu Ihrer «Omni-Channel-Strategie» gehört, dass Sie nebst den Mietern auch die Eigentümer und Lieferanten einbinden wollen. Wie gelingt Ihnen das?
Wir verfolgen einen Co-Creation-Ansatz, d.h. wir suchen aktiv den Dialog und Austausch mit den Eigentümern und Lieferanten, um ihre Bedürfnisse zu verstehen und individuelle Lösungen anbieten zu können. Ziel ist die Reduktion der Komplexität und die Erhöhung des Komforts für alle Zielgruppen. So haben wir z.B. für unsere Eigentümer ein Portal entwickelt, das seit Ende 2018 im Einsatz ist. Dieses vereinfacht und verbessert die Zusammenarbeit und den Austausch mit den Eigentümern und bietet ihnen dank Selfservice-Reportings und Datenanalysen einen Mehrwert.
Jetzt wird es komplex und aufwändig. Wie stellen Sie sicher, dass diese Komplexität nicht zum Handycap wird?
Wir sind uns bereits eine hohe Komplexität gewohnt. Im Rahmen des Business Process Managements beherrschen wir über 500 Prozessmodule, führen periodisch rund 150 IKS-Kontrollen und vermehrt externe Revisionen durch unsere Kunden durch. Die Kunst liegt in der Reduktion der Komplexität und der Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse, Stichwort Customer Centricity. Dies gelingt durch eine Kombination aus der richtigen Firmenkultur, Lean Management und technologischer Weiterentwicklung.
«Die Kunst liegt in der Reduktion der Komplexität und der Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse, Stichwort Customer Centricity.»
Wechseln wir zu den Marktaussichten einzelner Segmente. Im Bereich Wohnen mit Services sind Sie nach eigenen Angaben Marktführer in der Schweiz. Wie hat sich das Geschäftsfeld entwickelt?
Unsere Mission lautet: «Covenience. Any room. Any place.» Dienstleistungen im Wohnbereich für unsere Mieter gehören seit vielen Jahren dazu. Das Bedürfnis nach Komfort, Sicherheit und Einfachheit seitens Mietern ist ungebrochen und die Anzahl von entsprechenden Mietwohnungen hat sich leicht erhöht. Die Zahlungsbereitschaft für solche Dienstleistungen ist aber auf eine bestimmte Zielgruppe innerhalb der Mieterschaft limitiert. Es handelt sich hauptsächlich um urbane, besserverdienende Bewohner mit teilweise eingeschränktem Zeitbudget oder ausgiebigeren Reisetätigkeiten.
Rechnen Sie mit einer weiteren steigenden Nachfrage?
Wir glauben, dass ein Bedürfnis nach neuen Dienstleistungen und Komfort seitens Wohnungs- aber auch kommerziellen Mietern besteht. Bei kommerziellen Mietern geht es um Concierge-Services wie Hemden-Reinigung oder auch das Abrufen von spontanen Flächenverfügbarkeiten an gewissen Standorten wie zum Beispiel «shared workspace» oder «co-working». Wer auf digitalen Kanälen Dienstleistungen wie Umzugs-, Reinigungs- oder Nachhilfe-Services beziehen will, kann dies heute für ein vernünftiges Entgelt ebenfalls tun. Nachfrage wie Angebot wachsen also, aber in einem überschaubaren Tempo.
«Das Bedürfnis nach Komfort, Sicherheit und Einfachheit seitens Mietern ist ungebrochen. Die Zahlungsbereitschaft für solche Dienstleistungen ist aber limitiert.»
Ihr Unternehmen ist auch auf das Management von Retailflächen spezialisiert. Ist die Lage für den Detailhandel nach wie vor ein hartes Pflaster?
Der Detailhandel hat über die letzten 4 bis 5 Jahre rund 1-2 Prozent pro Jahr an Umsatz verloren. Ein Teil davon ist abgewandert in den Online-Handel und in Auslandseinkäufe. Zusammen betragen diese aber weniger als 20 Prozent am gesamten Detailhandelsumsatz. Trotzdem leidet die Retailbranche weiter. Die Bedürfnisse und das Verhalten des Konsumenten verändern sich und so auch die Geschäftsmodelle diverser Retailer. Stark betroffen ist der Non-Food-Bereich rund um Elektronik, Textil oder Schuhe. Gefragt sind also neue Konzepte, neue Geschäftsmodelle und neue Erlebniswelten vor Ort. Nicht alles wird in digitale Marktplätze abwandern. Der Mensch ist ein soziales Wesen und schätzt den Kontakt zu anderen.
Wird sich die Marktsituation für Detailhändler und Shoppingcenter-Betreiber in absehbarer Zeit positiv verändern?
Der Druck wird über die nächsten Jahre bestehen bleiben. Vergleiche mit dem Ausland zeigen, dass bei einer hohen Durchdringung von mobilen Geräten in der Gesellschaft auch der Anteil am Online-Shopping bis zu rund 20 Prozent steigen kann. In der Schweiz sind wir aktuell bei knapp 10 Prozent. Der Strukturwandel wird also wohl noch weitergehen. Unser Shopping Center Portfolio ist im Schnitt 30 bis 40 Jahre alt und benötigt eine Auffrischung. Diese muss man aktiv angehen und die für den Standort adäquate Positionierung und den richtigen Mietermix finden. Auf Eigentümerseite kann es im schlimmsten Fall auch mal zu einer Abschreibung kommen – trotz Revitalisierung.
«Auf Eigentümerseite kann es im schlimmsten Fall auch mal zu einer Abschreibung kommen – trotz Revitalisierung.»
Ein weiteres Sorgenkind sind die Büroimmobilien. Bleibt auch hier die Lage weiterhin angespannt?
Die Situation auf dem Büromarkt hat sich über die letzten 1 bis 2 Jahre entspannt. Mietpreisreduktionen, attraktive neue Gebietsentwicklungen in grossen Städten mit neuer Verkehrserschliessung und Verdichtungen in den Stadtzentren hatten zwischenzeitlich einen positiven Einfluss. Auf der Nachfrageseite hat die weiterhin gute Konjunktur in den letzten Jahren mit tiefer Arbeitslosenquote ebenfalls zur Besetzung neuer und bestehender Flächen geführt.
Was empfehlen Sie Ihren Vermietern von Büroliegenschaften? Wo können diese wie ansetzen, um das Ruder herumzureissen?
Auch bei Büroimmobilien sind eine ehrliche Analyse der jeweiligen Positionierung, des Mietermixes und der zukünftigen Ausrichtung wichtig. Prüfung der Potentiale, frühzeitige Vertragsverlängerungen oder Incentives bei Neuvermietung helfen in der Erhaltung der Mieterträge und somit des Wertes einer Liegenschaft. Sollte eine fundamentale Umnutzung, Revitalisierung oder allenfalls Abbruch und Neubau angebracht sein, ist diese proaktiv mittels Szenarienanalyse anzugehen. Zuwarten schränkt die Potentiale der Zukunft ein.
Zum Gesprächspartner:
Oliver Hofmann ist CEO des führenden integralen Immobilien-Dienstleisters Wincasa, der seit 2012 eine Gruppengesellschaft der börsenkotierten Swiss Prime Site ist. Hofmann ist gelernter Bankkaufmann und hat sich zum Betriebsökonomen FH weitergebildet. Er hält einen Master of Science in Real Estate des CUREM / Universität Zürich. Er war Chairman der „Royal Institution of Chartered Surveyors“ (RICS) Schweiz und leitete u.a. den Bereich Real Estate M&A/Advisory bei der UBS Schweiz.
Zum Unternehmen:
Wincasa ist der führende integrale Immobilien-Dienstleister der Schweiz. Rund 860 Spezialisten bieten ihren Kunden ein breites Dienstleistungsportfolio entlang des gesamten Lebenszyklus von Immobilien, von der Planung über den Bau und die Bewirtschaftung bis hin zur Revitalisierung und Repositionierung einer Liegenschaft. Wincasa ist eine Gruppengesellschaft von Swiss Prime Site und bewirtschaftet rund 235‘000 Objekte mit einem Anlagewert von CHF 68 Milliarden. Die 1999 gegründete Aktiengesellschaft mit Hauptsitz in Winterthur ist an 27 Standorten in allen Landesteilen präsent. www.wincasa.ch