Olivier Bourdais von Grizzly Investors über ESG in der Immobilienwirtschaft – die wichtigsten Konsequenzen für Asset Manager
In der Immobilienbranche spielte der Faktor Nachhaltigkeit lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle. Durch die neuen gesetzlichen Vorgaben rund um das Thema Environmental Social Governance und ein stärker werdendes Umwelt- und Sozialbewusstsein von Mietern und Käufern hat sich dies nun geändert. Wer heute als Eigentümer keine passenden Objekte im Bestand führt, gerät bei der Vermarktung schnell ins Hintertreffen. Entsprechend steigt der Druck auf Asset Manager, Immobilien nachhaltig und marktfähig zu gestalten.
Welche Aspekte dabei zu beachten sind und welche Möglichkeiten für ein ESG-konformes Asset Management bestehen, erklärt Asset Manager Olivier Bourdais von Grizzly Investors in diesem Beitrag.
Die wichtigsten Informationen zu ESG im Überblick
Die Abkürzung ESG steht für Environmental Social Governance. Dabei handelt es sich um einen Begriff aus dem Spektrum der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung. Grundlegend geht es dabei darum, wie Unternehmen über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus zu einer nachhaltigen Entwicklung in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung beitragen. Beispielhaft seien hier die folgenden Bereiche genannt.
1. Environmental (Umwelt)
- Klimaschutz
- Schonung natürlicher Rohstoffvorkommen
- Erhaltung der Artenvielfalt
- Recycling
2. Social (Soziales)
- Faire Entlohnung von Mitarbeitern
- Gleichberechtigung im Unternehmen
- Integration/Inklusion
- Erhöhung des Nutzungskomforts von Immobilien
- Ausgeglichene Sozialstruktur in Mietobjekten
3. Governance (Unternehmensführung)
- Vorausschauendes Risiko-Management
- Schaffung einer positiven Reputation
- Compliance
- Korruptionsverhinderung
- Transparente Aufsichtsstrukturen
- Konstruktiver Dialog mit Investoren
Allein an dieser kurzen Auswahl wird ersichtlich, dass Immobilienunternehmen im Allgemeinen und Asset Manager im Besonderen vielfältige Möglichkeiten haben, das Konzept ESG in ihrem Unternehmen, ihrem Bestand und ihren Projektentwicklungen mit Leben zu füllen. Und gerade darin bestand lange Zeit ein Problem. Da der Begriff nicht fest definiert wurde, konnte ihn jedes Unternehmen nach eigenem Gusto auslegen. Dieser Umstand schmälerte letztlich die Aussagekraft ESG-bezogener Selbstzertifizierungen und rückte sie in die Nähe bloßer Marketing-Maßnahmen.
Im März des vergangenen Jahres hat sich diesbezüglich aber einiges getan. Mit dem EU Sustainable Finance Action Plan der EU und insbesondere mit der Taxonomie- und der Offenlegungsverordnung wurden erstmals verbindliche Kriterien aufgestellt, nach denen sich Immobilienunternehmen als ESG-konform bezeichnen dürfen.
Warum die neuen EU-Regelungen für Asset Manager so wichtig sind
Wie aktuelle Studien nahelegen, achten Investoren immer stärker darauf, dass ihr Kapital in nachhaltige Assets fließt. Entsprechend wichtig wird es für Asset Manager, diesen Wünschen zu entsprechen, wenn sie ihre Finanzierungsbedarfe adäquat decken wollen. Eine klare Sprache spricht hier etwa die Studie „Nachhaltigkeit im Asset Management – Wahrnehmung, Investmentstrategien und Risikoaspekte“, die 2018 vom Research Center for Financial Services durchgeführt wurde. Dabei wurden im Rahmen einer Breitenbefragung 204 Fachexperten aus den Anlageabteilungen institutioneller Investoren zu ihren Leitmotiven und Erwartungen bei der nachhaltigen Geldanlage befragt.
Im Rahmen der Befragung wurde festgestellt, dass Umweltfaktoren sowohl unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Dringlichkeit als auch in Hinblick auf das Unternehmen selbst eine zentrale Rolle bei Investitionsentscheidungen spielen. An vorderster Stelle wurden dabei die Bekämpfung des Klimawandels und die Schaffung menschenwürdiger Arbeits- und Produktionsbedingungen angeführt. Dabei begründen die institutionellen Investoren ihre Entscheidung mit dem Wunsch, das investierte Kapital „an der richtigen Stelle“ einzusetzen. Als weiteres Ergebnis der Studie hat sich gezeigt, dass Institutionelle durch den Einsatz nachhaltiger Anlagestrategien eine höhere Performance und eine Minimierung des Risikos erwarten.
Gehen die Anforderungen für Asset Manager auch mit einem höheren Ressourcenaufwand einher, sollten diese die Entwicklung dennoch nicht so sehr als zusätzliche Bürde, sondern vielmehr als Chance begreifen. Dies unterstreicht zum Beispiel ein Blick auf andere Erhebungen wie die Ernst-Young-Real-Estate-Asset-Management-Studie 2020 mit dem Schwerpunkt ESG im Asset Management. Hier gaben 62 % der befragten Unternehmen an, noch ganz am Anfang der Umsetzung ihrer ESG-Strategie zu stehen. Gerade für Pioniere ergeben sich damit lohnende Potenziale für Wettbewerbsvorteile.
Ansatzpunkte für Asset Manager bei der Nachhaltigkeitsgestaltung
Um die Erwartungen der Investoren zu erfüllen, stehen Asset Managern verschiedene Gestaltungsspielräume offen. Auch hier kann man grundsätzlich wieder nach den Dimensionen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung differenzieren.
Umwelt:
Unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes geht es vor allem um die Verwendung nachhaltiger Baumaterialien, den Einsatz ressourcenschonender Technik und eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Nutzer, Verwalter und Eigentümer.
So können als nachhaltige Baustoffe etwa Holz, Lehm, Ziegel, Natursteine, Reet oder Naturlacke zum Einsatz kommen. In puncto Energieeffizienz und Ressourcenschonung spielen daneben Techniken wie Wärmepumpen, Photovoltaik und Geothermie eine immer größere Rolle. Sie sind nicht zuletzt deshalb so interessant, weil auch Bestandsimmobilien damit ausgestattet werden können und Asset Manager beim Thema Nachhaltigkeit nicht auf Neubauten beschränkt sind. Auch Dachbegrünungen, umweltfreundliche effizientere Dämmungen und Gebäudeaufstockungen zur Reduzierung von Flächenversiegelungen sind in diesem Zusammenhang zu nennen.
Soziales:
Der Sozialgedanke kann sich beispielsweise in der Mieterstruktur niederschlagen. So besteht etwa die Möglichkeit, eine Immobilie als Seniorenwohnheim zu nutzen oder preisgünstige Sozialwohnungen bereitzustellen. Weitere Ansatzpunkte sind Mikrofinanzfonds, Zinsspenden für soziale Zwecke oder Aktienerwerbe von Unternehmen mit guten Produktionsbedingungen. Auch die Auswahl nachhaltig agierender Property Manager und die Sicherstellung öffentlicher Verkehrsanbindungen in Immobiliennähe sind hier zu nennen.
Unternehmensführung:
Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit steht der Lebenszyklus der Immobilie im Fokus. Hier geht es darum, dass sie sich über ihren gesamten Lebenszeitraum trägt und solide Erträge erwirtschaftet. Faktoren, die hierbei eine Rolle spielen, sind die Qualitätssicherung bei der Bauausführung, regelmäßige Audits bei bestehenden Dienstleistungsverträgen, die Auswahl der Investitionsstrategie (z. B. Buy and hold vs. Fix and Flip) und das Risiko (Core- oder opportunistisches Segment).
Die Prüfung von ESG-Kriterien ist ein zyklischer Prozess
Die Umsetzung ESG-bezogener Maßnahmen erfolgt im Rahmen einer klassischen Feedback-Schleife. Zunächst werden Ziele bezüglich Umweltverträglichkeit, sozialer Komponente und Wirtschaftlichkeit definiert. Anschließend folgt ein Audit, in dessen Rahmen Bestandsobjekte, in Betracht kommende Zukäufe und Projektentwicklungen auf ihre Eignung für das Portfolio hin untersucht werden. Dies geschieht üblicherweise anhand eines festen Schemas, das Aspekte wie Nutzungsart, Mieterauswahl, Energieversorgung und Klimazertifizierungen umfasst.
Passen interessante Objekte zu den Vorgaben der Investoren, werden sie in das Portfolio aufgenommen. Weisen Bestandsimmobilien Mängel auf, werden sie entsprechend modernisiert oder verkauft.
Da das Thema Nachhaltigkeit einen langfristigen Fokus hat und sich die Rahmenbedingungen immer wieder verändern, beginnt auch die Feedback-Schleife immer wieder von Neuem. Der Asset Manager ist also gefordert, seinen Bestand regelmäßig zu prüfen und so unter umweltbezogenen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten die beste Performance sicherzustellen.
Ein Blick in die Zukunft
Geht es um das Thema ESG, stehen wir gerade erst am Anfang einer langfristigen Entwicklung. Es ist zu erwarten, dass in Zukunft weitere gesetzliche Vorgaben folgen – wie zum Beispiel die jetzigen Debatten über das neue Wärmegesetz zeigen, weshalb von Asset Managern proaktives Handeln gefordert wird. Hinzu kommt, dass der wirtschaftliche Druck auf die Immobilienbranche seitens der Investoren und der Finanzindustrie zunehmen wird. Unter diesem Gesichtspunkt ist davon auszugehen, dass das Thema Nachhaltigkeit im modernen Asset Management weiter an Relevanz gewinnen wird.
Deshalb tun unregulierte Asset Manager gut daran, sich spätestens jetzt mit der Entwicklung einer Strategie zu beschäftigen und diese in der vertraglichen Gestaltung konkret umzusetzen. Andernfalls drohen nicht angemessen bewirtschafteten Immobilien Wertverluste und eine eingeschränkte Vermarktbarkeit – sowohl bei der Vermietung als auch beim Verkauf. Voraussetzung für eine optimale Umsetzung ist dabei, dass in den Unternehmen ausreichend große Kapazitäten für die Bewältigung der komplexen Aufgabe bereitgestellt werden. (Grizzly/mc/hfu)
Über Grizzly Investors Seit seiner Gründung im Jahr 2011 hat sich Grizzly Investors zu einem der etablierten Full-Service-Dienstleister in den Bereichen Investment und Asset Management entwickelt. Unter der Leitung von Immobilienexperte Olivier Bourdais unterstützt ein erfahrenes Team Kunden bei der Entwicklung individueller Portfolio-Strategien und wirkt darüber hinaus an der nachhaltigen Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in der Bundeshauptstadt mit. |