Ausschnitt Open Street Map von Port-au-Prince. (www.openstreetmap.org)
Portland/Aachen – Mithilfe von Crowdsourcing sollen Online-Landkarten bei der Bewältigung von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdbeben oder Wirbelstürmen künftig einen wesentlichen Teil beitragen. Deren Leistungsfähigkeit wurde anhand des Dienstes Open Street Map im Rahmen der kürzlich stattgefundenen Open Source Convention in Portland, Orgeon, diskutiert.
Im Gespräch mit pressetext unterstreicht auch Crowdsouring-Experte Matthias Lenssen von Nufari das grosse Potenzial solcher Plattformen für die Bewältigung von Naturkatastrophen. «Ich bin überzeugt davon, dass die Anwendungsfälle in Zukunft facettenreicher werden», so Lenssen. Als Gründe führt er die kurzen Kommunikationswege sowie den Mehrwert des sich gegenseitigen Informierens an, von der die involvierte Community profitiert.
Private laden Geodaten hoch
Open Street Map sammelt frei nutzbare Geodaten mithilfe freiwilliger Nutzer. Diese erarbeiten seit 2004 in mühevoller Kleinstarbeit eine Weltkarte, die nicht nur Strassen, sondern auch Rad-, Fuss- und Wanderwege, öffentliche Verkehrsmittel, Seekarten oder Gebäudefunktionen berücksichtigt. User laden mit einem GPS-fähigen mobilen Endgerät Geodaten bei OSM hoch und können so auch aktuelle Entwicklungen dokumentieren.
Kate Chapman, Direktorin der humanitären Abteilung von OSM, hat in Portland die Rolle der Online-Landkarte bei der vergangenen Flutkatastrophe in Jakarta hervorgehoben. Man habe sich mit lokalen Entscheidungsträgern und Studenten zusammengesetzt und gefragt, wo die wichtigste Infrastruktur der Dörfer sei. «Daraufhin haben wir mit dem Kartenzeichnen begonnen», so Chapman. Überschwemmte Gebiete und Informationsstellen wurden eingezeichnet.
Musterbeispiel Haiti
Auch in Haiti war Chapmans Team tatkräftig engagiert. Nach dem Erbeben im Jahr 2010 wurden Hilfseinrichtungen, Auffangstationen und andere provisorisch organisierte Unterkünfte rasch in die Karte eingetragen. Innerhalb kürzester Zeit entstand so die genauste Karte der Hauptstadt Port-au-Prince. Auf diese haben dann Rettungsteams, die Vereinten Nationen sowie die Weltbank zugegriffen.
Für Harry Wood von der OSM-Foundation – einer Non-Profit-Organisation, die das Crowdsourcing-Projekt unterstützt – ist die Open Street Map aus einer Reihe von Gründen ein nützliches Werkzeug für Hilfskräfte bei Naturkatastrophen. «Sie finden sehr leicht Zugang zu den Daten, die im Minutentakt aktualisiert werden können», erklärt er gegenüber der Plattform SciDev.Net. Zudem betont Wood die enorme Detailtiefe sowie die Möglichkeit Marker zu platzieren.
Alternative zu kommerziellen Anbietern
Während der grossräumigen Überflutungen in Deutschland und Österreich Anfang Juni hat ein ähnlich gelagertes Projekt die Hilfsarbeiten erleichtert. Wenn auch nur provisorisch eingerichtet und auf den Grossraum Dresden begrenzt, haben Bewohner auf einer Darstellung von Google-Maps Evakuierungszonen, Verpflegungseinrichtungen und vieles mehr in Echtzeit eingetragen (pressetext berichtete).
Der Fortschritt bei der Erschliessung von Städten und ländlichen Regionen hängt bei Open Street Map gänzlich von den freiwilligen, digitalen «Kartographen» ab. Bei der Strassenabdeckung hat OSM bereits den ein oder anderen kommerziellen Anbieter im Navigationsbereich überholt. Doch die Arbeit ist noch lange nicht beendet. OSM müsse noch benutzerfreundlicher werden, um sein ganzes Potenzial auszuschöpfen, so Chapman. Sie bemängelt, dass die Handhabe noch sehr technisch sei und Sprachbarrieren bei der Dokumentierung bestünden. «Aber die Situation verbessert sich. Nach und nach werden immer mehr Menschen darin involviert sein.» (pte/mc/ps)