Permanente Reorganisation belastet Vertrauen in Unternehmen
Bochum – Nach der Reorganisation ist vor der Reorganisation. In vielen Unternehmen stehen tiefgreifender Wandel und «Change Management» auf der strategischen Agenda. Die Auswirkungen auf die Belegschaften und die Vertrauenskultur im Unternehmen sind jedoch riskant. Eine empirische Studie des IAI Bochum im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung untersucht die Auswirkungen von 286 Reorganisationsprozessen auf das Vertrauen in Unternehmen.
Reorganisationen, Fusionen, Outsourcing, Downsizing sind Schlagworte für Wandel und unsichere Zeiten in vielen Grossunternehmen. Je höher das Tempo des Wandels, desto wichtiger wird Vertrauen als sozialer „Kitt“ innerhalb von Unternehmen. Doch welche Auswirkungen hat tiefgreifender Wandel auf das Vertrauen in Unternehmen? Wie können Unternehmen in Vertrauen „investieren“, um Wandel nachhaltig umzusetzen?
Zu diesen Leitfragen hat das IAI Bochum das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „InVest – Vertrauensmanagement als stabilisierender Faktor bei organisatorischen Innovationen“ (www.projekt-invest.info) durchgeführt. Zentrale Ergebnisse und Handlungsempfehlungen wurden jetzt veröffentlicht. 286 Führungs- und Fachkräfte nahmen an einer branchenübergreifenden Studie teil und gaben in einer schriftlichen Befragung Auskunft zu Auswirkungen von Reorganisationen.
Voraussetzungen gut, aber…
Einerseits zeigt die Studie: Die Voraussetzungen für Wandel sind vielerorts gut, das Vertrauen der Führungs- und Fachkräfte in die Unternehmen ist robust. Die Zukunft der Unternehmen liegt den Befragten überwiegend am Herzen – die Unternehmen haben „Kredit“ bei den Mitarbeitern. Andererseits sind Indizien für ein schwindendes Vertrauen als Folge von Reorganisationen zu sehen:
- 66% der 286 Unternehmen haben Erfahrungen mit tiefgreifendem Wandel und Personalabbau. Doch nicht die Reorganisation an sich, sondern erst der Umgang mit derartigen Reorganisationen ist entscheidend: In gut einem Drittel wurden Zusagen durch die Unternehmensleitung nicht eingehalten. Wortbruch führt jedoch zu Vertrauensverlust.
- 90% der 286 Prozesse wurden von den Unternehmen als Erfolge kommuniziert. Doch nur in 46% der Fälle fanden die Ergebnisse auch hohe Akzeptanz bei der Belegschaft. Interessenkonflikte sind bei Veränderungen „normal“: Innovationen im Konsens sind Nonsens! (Prof. Dr. Erich Staudt, IAI-Gründer) Doch wenn Unternehmen als Erfolge „verkaufen“, was in der Belegschaft ganz anders wahrgenommen wird, belastet das das Vertrauen in den Wandel. Wenn man den „Schein des Erfolgs“ um jeden Preis wahren will, ist „Change-Zynismus“ eine wahrscheinliche Folge.
Prof. Dr. Bernd Kriegesmann, wissenschaftlicher Leiter und IAI-Vorstand: „Unternehmen müssen sich bewusst machen, dass Change Management ohne Wertschätzung derjenigen, die den Wandel akzeptieren und mit Leben füllen sollen, nicht tragfähig ist. Wenn Veränderungen permanent das Vertrauen der Mitarbeiter beanspruchen und sogar enttäuschen – besteht die Gefahr, dass sie ihre Mitarbeiter verlieren. Die Besten werden dann die Ersten sein, die ihr Vertrauen anderen Unternehmen „schenken“.
Die Unsicherheit als steter Begleiter
In der schönen neuen Arbeitswelt der Zukunft werden Mitarbeiter und Unternehmen sich an Unsicherheit gewöhnen müssen. Geschwindigkeit des Wandels und Wettbewerbsdruck werden nicht nachlassen. „Change Management“ muss daher weitergedacht werden. „Ansagen“, „Kontrollieren“ und auf „die Macht des Faktischen vertrauen“ – diese Strategie des Wandels wird nicht länger tragfähig sein. Ein „Vertrauensorientiertes Change Management“ ist zu etablieren, das konsequent auf Vertrauen schaffende Tugenden (der Führungskräfte als Vertrauensmanager) setzt, die Folgen von Veränderungen realistisch kommuniziert, keine falschen Sicherheiten vorspiegelt, das Selbstvertrauen der Betroffenen durch Kompetenzentwicklung stärkt und Nischen für Partizipation findet.
Den Einstieg in ein Vertrauensorientiertes Change Management kann eine Rückschau auf Veränderungsprozesse bieten, mit dem Ziel, aus Fehlern zu lernen. Auf diese Weise in die Ressource Vertrauen zu investieren, kostet jedoch Zeit und wird daher im schnellen Wandel häufig gemieden. (IAI Bochum/mc/pg)