von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Mettler, das erste Halbjahr ist für Novavest trotz Coronakrise gut gelaufen. Welche Bilanz ziehen Sie?
Peter Mettler: Die Novavest Real Estate AG ist im 2020 sehr gut unterwegs – trotz der Wirtschaftskrise und den Unsicherheiten, die durch das Coronavirus ausgelöst wurden. Unsere Kapitalerhöhung im Dezember 2019, mit gleichzeitigem Wechsel der Kotierung von der BX Swiss zur SIX Swiss Exchange, hat einen weiteren substanziellen Ausbau des Immobilienportfolios im ersten Halbjahr 2020 ermöglicht. So konnten wir im April und Mai 2020 in St. Gallen und Obernau zwei interessante Wohnliegenschaften übernehmen und vor allem per Ende Juni 2020 auch noch ein gut rentierendes Portfolio mit vier Wohnliegenschaften und zwei Wohn-/Geschäftsliegenschaften in Basel akquirieren. Alle Liegenschaften dieses Basler Portfolios sind vollvermietet und die entsprechenden Mieterträge werden sich ab dem zweiten Halbjahr 2020 so richtig entfalten.
Insgesamt haben wir per 30. Juni 2020 nun ein Portfolio an Liegenschaften von CHF 630 Millionen mit einem Wohnanteil von über 60% am Soll-Mietertrag. Wir sind überzeugt davon, dass wir mit unserer langfristigen Wachstumsstrategie und dem Fokus auf Wohnliegenschaften über ein sehr robustes Geschäftsmodell verfügen. Gleichzeitig haben wir bei den Gewerbeflächen diverse grössere Mieter, wie beispielsweise die SBB, BMW (Schweiz) AG, das Kantonsspital St. Gallen oder auch LIDL Schweiz AG, die über eine sehr hohe Bonität verfügen und dem Portfolio auch bei den Gewerbeflächen eine grosse Stabilität geben.
26 Prozent mehr Gewinn, EBIT 17 Prozent im Plus – was waren die Hauptursachen für den Erfolg?
Ein Teil der Gewinnsteigerung ist auf den Ausbau des Liegenschaftenportfolios durch die Akquisition einer Liegenschaft in Olten in der zweiten Jahreshälfte 2019 zurückzuführen, ein weiterer Teil auf die Reduktion der Leerstandsquote aufgrund erfolgreicher Wiedervermietungsaktivitäten. Dadurch stieg der Netto-Mietertrag im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zur Vorjahresperiode um 10% auf CHF 11.6 Millionen. Der Betriebsaufwand blieb insgesamt betrachtet relativ konstant. Die Bewertung der Liegenschaften durch den unabhängigen Immobilienschätzer Wüest Partner AG führte zu einem Erfolg aus Neubewertung von CHF 4 Millionen. Dies führte dann mehrheitlich zu der Ergebnisverbesserung auf Stufe EBIT von CHF +1.6 Millionen und auf Stufe Gewinn von CHF +1.7 Millionen im ersten Halbjahr 2020 gegenüber den Ergebnissen des Vorjahres.
«Durch den hohen Anteil von 61% der Soll-Mieterträge durch Wohnnutzung waren die Auswirkungen der Coronakrise und den durch den Bundesrat verordneten Lockdown relativ gering.»
Peter Mettler, CEO Novavest Real Estate
Inwieweit hat der Lockdown Ihr Geschäft im Büroflächen-, im Retailflächen- und Gewerbebereich beeinflusst?
Durch den hohen Anteil von 61% der Soll-Mieterträge durch Wohnnutzung waren die Auswirkungen der Coronakrise und den durch den Bundesrat verordneten Lockdown relativ gering. Bei den Gewerbeflächen haben wir wie ewähnt diverse Grossmieter mit Konzerncharakter. Bei kleineren Gewerbemietern, die vom Lockdown besonders betroffen waren, haben wir frühzeitig das Gespräch gesucht und auch individuelle Lösungen erarbeitet. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2020 Mietzinsreduktionen von CHF 46’000 gewährt, was ca. 0.2% der Soll-Mieterträge in unserem Portfolio ausmacht. Sie sehen also, der Einfluss auf unser Geschäft war relativ gering.
Wie sehen Sie die langfristige Entwicklung im Gewerbe- und Bürobereich – Stichwort Home-Office?
Die spezielle Situation um COVID-19 hat gezeigt, dass Home-Office für viele Mitarbeitende im «Notfall» funktioniert. Inwieweit dies jedoch einen klaren Trend hin zu weniger benötigten Büroflächen und mehr Home-Office Arbeit auslöst, ist fraglich. Denn ein langfristiger hoher Anteil an Home-Office Work löst auch andere Fragen aus: Reichen die Platzverhältnisse zu Hause? Steht ein zusätzlich abgetrennter Raum für die Arbeit zur Verfügung? Wer kommt für die entsprechenden Kosten für einen ergonomisch / technisch professionell ausgerüsteten Arbeitsplatz zu Hause auf? Wie kann die IT-Sicherheit gewährleistet werden? Wie können neue Mitarbeitende eingearbeitet werden? Wie verändert sich die Unternehmenskultur?
Ich bin davon überzeugt, dass sich der Anteil an Home-Office langfristig zwar etwas erhöhen wird, dass aber vor allem neue Formen der Arbeitsplätze in Büros sich etablieren werden. Zum Beispiel dürfte sich der Bedarf an abgetrennten Büros für kleinere Teams wieder erhöhen. Grosse offene Räume mit engen Einrichtungen werden dagegen eher an Bedeutung verlieren. Zudem werden die Anforderungen an Büroflächen steigen: Hohe Luftqualität, Sauberkeit und Rückzugsräume im Gebäude oder in nahegelegene Grünflächen werden für Mieter wichtige Faktoren bei der Suche nach Büroräumlichkeiten sein.
«Ich bin davon überzeugt, dass sich der Anteil an Home-Office langfristig zwar etwas erhöhen wird, dass aber vor allem neue Formen der Arbeitsplätze in Büros sich etablieren werden.»
Wie planen Sie für die kommenden Monate?
Wir bleiben unserer Wachstumsstrategie mit Fokus auf den Bereich Wohnen und unserer Standortstrategie mit Bezug auf Objekte, die sich im Einzugsbereich der Zentren Zürich, Basel, Bern, Winterthur, Luzern, St. Gallen und Aarau sowie auf deren Achsen befinden weiterhin treu.
Wie beurteilen Sie die möglichen Auswirkungen der Coronakrise auf das Niveau der Mieten?
Wir sehen aus heutiger Sicht und der Beurteilung der aktuellen COVID-19 Situation keine wesentlichen Auswirkungen auf das Mietzinsgefüge.
Sie haben die zahlreichen Zukäufe der letzten Monate erwähnt. Geht es in diesem Stil weiter?
Wir verfolgen seit Gründung der Gesellschaft im Oktober 2012 eine langfristige Wachstumsstrategie und sehen diesbezüglich auch in den kommenden Jahren noch gutes Potenzial, um weiter zu wachsen.
Die Hypothekarverbindlichkeiten liegen nun bei 350 Mio. Franken. Wie sieht es mit der Zinsdauer und der Zinshöhe aus?
Der durchschnittliche Zinssatz der Hypothekarverbindlichkeiten lag im ersten Halbjahr 2020 bei 0.8% (Vorjahr 0.9%). Die durchschnittliche Restlaufzeit der Finanzverbindlichkeiten lag bei 2.8 Jahren.
In welchen Stadien befinden sich die Umnutzungs- und Entwicklungsprojekte in Zürich, St. Gallen, Olten und Luzern?
Bei dem Umnutzungsprojekt in Zürich handelt es sich um eine ehemalige Geschäftsliegenschaft, die rückgebaut wurde. An deren Stelle erfolgt der Neubau eines 7-geschossigen Mehrfamilienhauses mit neu 57 Wohnungen (1½- bis 3½-Zimmer). Der Baustart erfolgte im 2. Quartal 2019. Der Bezug der Wohnungen ist auf Oktober 2021 vorgesehen.
In St. Gallen ist ein drei- bis fünfgeschossiger Neubau vorgesehen. Im Sockel- und Erdgeschoss sind Dienstleistungs- und Detailhandelsflächen geplant, die zwei bis vier Obergeschosse werden mit Wohnungen ausgestattet. Wir erwarten die Baubewilligung bis 1. Quartal 2021 und danach die Realisierung des Neubauprojekts im Zeitraum Sommer 2021 bis 1. Quartal 2023.
Bei den Projekten in Luzern und Olten sind die Vermietungen nach den erfolgten Sanierungsarbeiten in vollem Gange. Voraussichtlich gegen Ende des Jahres 2020 werden beide Liegenschaften von den Projekten in die Renditeliegenschaften überführt.
Herr Mettler, besten Dank für das Interview.