Zürich – Im Gegensatz zu Wiederkäuern zerkleinern Pferde ihr Futter nur einmal – dafür mit ebenso regelmässigen, rhythmischen Kaubewegungen wie Kühe, die ihre Nahrung nach dem Fressen wiederkauen. Dies zeigen Forschende der Universität Zürich und der ETH Zürich auf. Sie vermuten, dass Wiederkäuer ihre Nahrung beim ersten Fressen weniger intensiv kauen, um ihre Zähne zu schonen.
Pflanzenfresser verdauen ihre Nahrung besser, wenn sie durch intensives Kauen stark zerkleinert wird. Bei Wiederkäuern wie Kühen, Schafen, Ziegen, Hirschen, Lamas oder Kamelen sind Fressen und Wiederkauen zwei verschiedene Vorgänge: Nach dem Äsen würgen sie grössere Teile ihrer Nahrung wieder hoch und kauen sie noch einmal mit besonders gleichförmigen, rhythmischen Bewegungen durch. So erreichen sie den höchsten Zerkleinerungsgrad ihrer Nahrung.
Forschende der Universität und ETH Zürich gingen nun der Frage nach, ob die Kaubewegungen der Wiederkäuer untereinander sowie mit denjenigen anderer Pflanzenfresser vergleichbar sind. In ihrer Studie mit Pferden, Kühen und Kamelen benutzten sie spezielle Kauhalfter, welche die Bewegungen des Maules registrieren und automatisch zwischen Fress- und Wiederkauen unterscheiden können.
Ähnlich rhythmische Kaubewegungen
Bei den Kühen und Kamelen unterschieden sich die Kaurhythmen erwartungsgemäss deutlich: Die Bewegungen beim Fressen waren viel unregelmässiger als diejenigen beim Wiederkauen, wobei sich die Kamele generell mehr Zeit beim Wiederkauen liessen. Anders beim Pferd: «Zu unserer Überraschung ergab die Auswertungssoftware, dass das Pferd nicht frisst, sondern sozusagen wiederkaut», erzählt Marie Dittmann, Doktorandin der Universität Zürich und der ETH Zürich. «Obwohl Pferde keine Wiederkäuer sind, zerkleinern sie ihre Nahrung mit ebenso rhythmischen Kauschlägen wie die Kühe beim Wiederkauen.»
Für Marcus Clauss, Professor an der Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere der Universität Zürich, ist die Ähnlichkeit im Kaurhythmus von so unterschiedlichen Tiergruppen verständlich: «Pferde haben keine zweite Chance, schwer Verdauliches noch einmal zu zerkleinern. Daher müssen sie gleich beim Fressen sehr gründlich kauen. Das geht offenbar am besten mit rhythmischen und gleichmässigen Bewegungen.»
Unregelmässiges Fressen schont die Zähne
Dies wirft eine weitere Frage auf: Warum kauen Kühe beim Fressen anders? Die Forschenden haben dazu eine interessante These: Pflanzenfresser nehmen beim Äsen in der Natur auch Staub, Dreck oder Erde auf, was beim Kauen die Zähne zusätzlich abreibt. Pferde müssen dies in Kauf nehmen. Wiederkäuer dagegen können nach dem ersten Fressen das gründliche Kauen auf später verschieben, wenn die Nahrung im Pansen von solchen Verunreinigungen freigewaschen ist. So produzieren sie beim Fressen durch weniger intensives Kauen einen geringeren Zahnabrieb. «Das unregelmässige Fresskauen von Kühen könnte sich somit entwickelt haben, um die Nahrungsaufnahme möglichst zahnschonend zu gestalten», so Clauss. Weitere Studien müssten diese Vermutung jedoch erhärten. (UZH/mc/ps)
Literatur:
Dittmann Marie T., Kreuzer Michael, Runge Ullrich, Clauss Marcus: Ingestive mastication in horses resembles rumination but not ingestive mastication in cattle and camels. 17 May 2017, Journal of Experimental Zoology Part A. DOI: 10.1002/jez.2075