Pius Marti, CEO Tropenhaus Wolhusen
Pius Marti, CEO Tropenhaus Wolhusen.
von Radovan Milanovic
Moneycab: Coop ist neuer Mehrheitsaktionär des Tropenhauses Wolhusen. Inwieweit nimmt Coop Einfluss auf das operative Geschäft?
Pius Marti: Coop unterstreicht mit diesem Schritt ihr Bekenntnis zum innovativen und nachhaltigen Projekt. Mit zwei Verwaltungsräten bestimmt Coop die Strategie massgebend mit, hat aber keinesfalls die Absicht, in die operativen Geschäfte einzugreifen.
Was sind die Motive für Coops Grosszügigkeit Ihrem Unternehmen gegenüber?
Das Tropenhaus Wolhusen ist eine ideale Kommunikationsplattform für die Strategie von Coop, die ganz der Nachhaltigkeit verpflichtet ist.
Wie entwickelt sich das laufende Geschäftsjahr?
Wir sind ganz erfreulich unterwegs. Insbesondere läuft das Restaurant Mahoi sehr gut. Vor einem Monat durften wir die hunderttausendste Besucherin seit der Eröffnung begrüssen.
„Wir haben zu unseren Aktionären eine persönliche Beziehung.“
Pius Marti, CEO Tropenhaus Wolhusen
Wieso haben Sie die Rechtsform der AG und nicht der Genossenschaft gewählt? Im Falle der Genossenschaft kämen Sie einfacher zu Kapital, zudem könnten Sie eine persönlichere Beziehung zu Ihren Besuchern und „Fans“ aufbauben.
Wir haben auch zu unseren Aktionären eine persönliche Beziehung, betrachten doch die allermeisten von ihnen dieses Investment vor allem als Unterstützung einer guten Sache und nicht als Finanzanlage. Von daher hätte es auch eine Genossenschaft sein können.
Grundlage für das Projekt Tropenhaus Wolhusen war die gesetzliche Verankerung der Nutzung der Abwärme als Energiepotenzial für eine nachhaltige Energieproduktion durch den Kanton Luzern im Jahre 1987. Doch zuerst nahm das Pilotprojekt Tropenhaus Ruswil 1999 den Betrieb auf. Wieso wurde das Projekt Ruswil nicht weiter verfolgt und statt dessen mit dem Tropenhaus Wolhusen ein Neuanfang gewagt?
Die Infrastruktur des Pilothauses Ruswil war absolut nicht für Besucherströme ausgelegt. Zudem lag das erste Tropenhaus vollumfänglich in der Landwirtschaftszone und hatte nur eine Bewilligung für landwirtschaftliche Produktion und Forschung.
Inwieweit beteiligt sich oder hat sich der Kanton Luzern an Ihrem Projekt beteiligt? Die Idee der Nachhaltigkeit bezüglich der alternativen Energie stammt ja vom Kanton selbst und er dürfte auch aus wirtschaftlichen Gründen ein Interesse am Gedeihen des Unternehmens haben
Der Kanton und der Bund haben sich im Rahmen der „Neuen Regionalpolitik“ mit einer Anschubfinanzierung und einem zinsgünstigen Darlehen engagiert.
Das Tropenhaus Wolhusen bezieht seine Energie aus der nahegelegenen Gasverdichtungsstation der Transitgas AG, welche in einer Pipeline Erdgas von der Nordsee nach Italien transportiert. Können Sie uns diesbezüglich weitere Informationen geben?
Die Transitgasleitung ist das Schweizer Teilstück (300 km) der Erdgashochdruckleitung, welche die Gasfelder Nordeuropas mit Italien verbindet. Gleichzeitig wird damit mehrheitlich der Erdgas-Bedarf der Schweiz gedeckt. Transportiert werden kann bis zu fünf Mal so viel Erdgas, wie die Schweiz verbraucht. Dies entspricht der Leistung von bis zu 20 Kernkraftwerken. Die Leitung ist wichtiger Teil des europäischen Erdgas-Verbundsystems.
„Wir haben einen Wärmebedarf von 3000 bis 3500 MWh pro Jahr. Dieser Bedarf soll soweit wie möglich mit Abwärme gedeckt werden.“
Wie hoch ist Ihre Energieersparnis durch die Verwendung der Abwärme?
Wir haben einen Wärmebedarf von 3000 bis 3500 MWh pro Jahr. Dieser Bedarf soll soweit wie möglich mit Abwärme gedeckt werden. Unwetterbedingte Leitungsunterbrüche und Revisions- und Erweiterungsarbeiten verhinderten eine Vollversorgung durch Abwärme.
Produzieren Sie ebenfalls Energie durch Ihre Abwärme und gegebenenfalls durch Sonnenergie? Falls dem so ist, speisen Sie diese ins Netz ein?
Unsere Pflanzen brauchen sehr viel Sonnenlicht. So ist eine anderweitige Nutzung der Sonnenenergie nicht möglich.
Sie haben es angesprochen, Anfang Juni konnten Sie bereits den 100.000sten Besucher begrüssen. Entwickeln sich die Besucherzahlen nach Ihren Vorstellungen?
Der Tropengarten mit den über 100 Nutzpflanzen und den Themenausstellungen ist so ausgelegt, dass jährlich bis ca. 65‘000 Besucher empfangen werden könnten. Im Restaurant haben wir schon einen sehr hohen Auslastungsgrad erreicht.
„Wir haben mit unserem Hauptpartner Coop, aber auch mit weiteren Partnern wie WWF, Caritas und The Bodyshop tolle Kommunikationspartner.“
Das Tropenhaus Wolhusen ist fast nur regional bekannt und allenfalls – wenn auch nur bedingt – mit der bekannten Maosala Halle des Zürcher Zoos vergleichbar. Was planen und unternehmen Sie, um schweizweit bekannt zu werden?
Wir investieren dieses Jahr klar mehr ins Marketing als im Vorjahr. Zudem haben wir mit unserem Hauptpartner Coop, aber auch mit weiteren Partnern wie WWF, Caritas und The Bodyshop tolle Kommunikationspartner die eine nationale Ausstrahlung.
„Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Thema, dass wir in unserer Ausstellung den Besuchern näher bringen, sondern ist das Fundament unseres Unternehmens. Dazu gehört auch die soziale Nachhaltigkeit.“
Wie wichtig ist Diversity für Ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind in Ihrem Unternehmen zum Thema geplant oder schon umgesetzt?
Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Thema, dass wir in unserer Ausstellung den Besuchern näher bringen, sondern ist das Fundament unseres Unternehmens. Dazu gehört auch die soziale Nachhaltigkeit. Bei uns arbeiten Menschen aus verschiedenen Ländern zu fairen Anstellungsbedingungen. Personen die (noch) nicht oder schon längere Zeit nicht mehr im ersten Arbeitsmarkt tätig waren, bieten wir Praktikumsmöglichkeiten an. Viele Mitarbeitende arbeiten bei uns Teilzeit.
Was sind Ihre Visionen bezüglich des Topenhauses Wolhusen? Auf welche Überraschungen und Neuheiten können sich Ihre Gäste freuen?
Wir eröffnen am 20.September unsere neu Sonderausstellung „Wasser – Geschichten der Zukunft“. Die Ausstellung soll den Blick öffnen für die weltweiten Zusammenhänge und die sich verändernden Aussichten rund um das existenziellste aller Lebensmittel: Wasser. Bezugsbereit ist schon bald auch unsere neue „Kreativ-Plattform Going-Bananas“. Mitten im Bananenhain wird jedes Meeting zum Erfolg.
Zur Person
Nach der Matur und dem Agronomiestudium an der ETH Zürich absolvierte Pius Marti sein Praktikum auf einer grossen Rinderfarm in Brasilien und schrieb seine Diplomarbeit am Centro Internacional de la Papa (CIP) in Peru. Dann amtete er zehn Jahre als Lehrer und Berater in der Landwirtschaft. Seine grosse Freude war, sein Wissen und Erfahrungen weiterzugeben und neue Ideen zu entwickeln sowie die Bauern zu Innovationen “anzustiften”. Nach Abschluss eines Nachdiplomstudiums (Marktorientierte Unternehmensführung) an der Hochschule für Wirtschaft Luzern übernahm Marti während drei Jahren die Leitung der Beratung für die Landwirtschaft im Kanton Luzern.
2002 wurde er zum Leiter der Betriebe der Strafanstalt Wauwilermoos in Egolzwil gewählt, verantwortlich für einen der grössten Bio-Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz, Bio-Gemüsegärtnerei mit Glashaus, diverse Gewerbebetriebe und einen Hofladen. Nach fünf Jahren wurde er von der Tropenhaus Wolhusen AG zum Geschäftsführer berufen, mit dem Auftrag, das neue Tropenhaus Wolhusen zu realisieren. Das Unternehmen mit heute rund 45 Mitarbeitenden (25 Stellen) ist erfolgreich gestartet. Eine gewisse Hartnäckigkeit, viel Begeisterungsvermögen und die Fähigkeit, auch in hektischen Phasen die Übersicht zu behalten, waren für Pius Marti während dieser Aufbauphase von grosser Wichtigkeit.
Zum Unternehmen
Am 27. April 2007 wurde die Tropenhaus Wolhusen AG gegründet und im Handelsregister eingetragen. Sie übernahm am 10. Juli 2007 sämtliche Rechte und Pflichten des Vereins Tropenerlebnis Wolhusen Ruswil. Die Tropenhaus Wolhusen AG ist verantwortlich für Bau und Betrieb des neuen Tropenhaus in Wolhusen. Nachdem die Finanzierung zu einem grossen Teil sichergestellt werden konnte, gab der Verwaltungsrat grünes Licht für die Realisierung. Das Architekturbüro Schärli AG, Luzern, und der Gewächshausbauer Gysi, Baar ZG, wurden mit der Detailplanung beauftragt. Nach der Erteilung der Baubewilligung im Mai 2008 erfolgte am 26. Juni 2008 der Spatenstich für das Tropenhaus Wolhusen. Die Erschliessungsstrasse mitsamt allen Werkleitungen sowie der Parkplatz beim Spital sind mittlerweile erstellt. Der Platz für die Produktionsanlage wurde vorbereitet und das Fundament wurde Ende September 2008 betoniert. Inzwischen wurde das Gewächshaus fertiggestellt und seiner Bestimmung übergeben.
Das Erlebnishaus ging nach den letzten Feinabstimmungen des Projektes in die Detailplanung und Baubeginn war im Februar 2009. Inzwischen wurde die Hülle fertiggestellt und der Innenausbau vollendet. In der zweiten Januarwoche 2010 konnte mit der Bepflanzung begonnen werden. Dank der über 10jährigen Vorlaufzeit mit dem Pilotprojekt konnten schon grosse Pflanzen in das Besucherhaus gezügelt werden. Das neue Tropenhaus Wolhusen öffnete am 21. März 2010 seine Tore.