procure.ch: Globale Beschaffungsrisiken kontrollieren

Die Pandemie zeigt, wie verletzlich internationale Zulieferketten geworden sind. (Bild: AdobeStock/ procure.ch)

Die Kontrolle von internationalen Beschaffungsrisiken erfordert eine Priorisierung der Einkaufsteile, die Einschätzung der vorhandenen Risiken, Massnahmen zu deren Bewältigung und ein System zur Überwachung der Risikoexposition. Das Innosuisse-Projekt iBERIMA liefert die entsprechenden Instrumente dazu.

Die Coronapandemie hat die internationalen Zulieferketten vieler Schweizer Unternehmen stark beeinträchtigt. Ausländische Produzenten mussten ihre Werke schliessen, Frachtkapazitäten wurden vermindert, Transportzeiten verlängert, die Lagerbestände schrumpften und zahlreiche Betriebe mussten ihre Pro­duktion einstellen.

Die Coronapandemie zeigt, wie störungs­anfällig internationale Zulieferketten geworden sind, und lässt die Forderung entstehen, Zulieferketten nicht mehr nur kostenorientiert zu optimieren, sondern die Risiken bei deren Gestaltung mitzuberück­sichtigen.

Ein Innosuisse-Projekt unter der Leitung der Fachhochschule Graubünden und der Berner Fachhochschule in Kooperation mit Industriepartnern und dem Fachverband procure.ch hat untersucht, wie die Risiken der internationalen Beschaffung kontrolliert werden können. Das Ergebnis des Projektes ist die Methodik iBERIMA, die Unternehmen beim Management von interna­tionalen Beschaffungsrisiken unterstützt. iBERIMA besteht aus einem Prozess, der durch die Schritte des Beschaffungsrisiko­managements führt sowie Instrumenten, die deren Umsetzung unterstützen.

Fokussierung auf die grossen Risiken
Der Prozess startet mit einer Priorisierung der im Ausland eingekauften Teile. Von deren Verfügbarkeit hängt die Fähigkeit des Unternehmens ab, Marktleistungen anzubieten. Die Einkaufsteile werden anhand der beiden Kriterien Ergebniseinfluss und Verfügbarkeitsabhängigkeit bewertet und in einer Matrix positioniert. Einkaufsteile mit einem hohen Einfluss auf das Unternehmensergebnis und einer hohen Abhängigkeit bei der Beschaffung gelten als strategisch und werden im Risikomanagement priorisiert.

Strategische Teile werden danach analysiert, welche potenziellen Risiken mit ihrer Beschaffung verbunden sind. Dies können Umfeldrisiken sein, die aus der politischen Instabilität eines Landes, aus Korruption oder einer mangelhaften Rechtssicherheit entstehen. Es können Lieferantenrisiken sein, die aus finanziellen Problemen von Zulieferern, qualitativen Mängeln oder Preiserhöhungen resultieren.

Es können logistische Risiken beim Transport oder bei der Zollabwicklung auftreten. Beschaffungsrisiken können aber unterneh­mensintern durch eine falsche Einkaufsplanung, durch Missverständnisse und konstruktive Veränderungen von Produkten entstehen. Die erkannten Risiken werden dokumentiert und beschrieben.

Bewertung der Risiken
Die Bewertung der identifizierten Risiken befasst sich mit der Frage, wie hoch deren Eintrittswahrscheinlichkeit und der potenzielle Schaden sind, für welche Risiken Massnahmen im Bereich der Risikobewälti­gung getroffen werden müssen und welche Risiken für ein Unternehmen tragbar sind. Das Ergebnis der Risikobewertung ist eine Risikomatrix, die die Risikoexposition des Unternehmens bei der internationalen Be­schaffung darstellt.

Risiken mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit und grossem Schadenpotenzial müssen reduziert werden, um sie für das Unternehmen tragbar zu machen. Risiken mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit oder grossem Schadenpotenzial müssen geprüft werden, um sicherzustellen, dass die Risiko­exposition für das Unternehmen insgesamt bewältigbar ist. Risiken mit tiefer Eintrittswahrscheinlichkeit und kleinem Schaden­potenzial benötigen keine Kontrolle. Sie sind für das Unternehmen unkritisch, weil sie relativ selten eintreten und der Schaden das Unternehmen nicht gefährden kann.

Massnahmen zur Risikoreduktion
Bei der Risikobewältigung geht es darum, Massnahmen zu entwickeln, die die Wahrscheinlichkeit eines als kritisch eingestuften Beschaffungsrisikos reduzieren oder dessen schädliche Auswirkungen verkleinern.

Grundsätzlich stehen den Unternehmen drei Arten von Bewältigungsmassnahmen zur Verfügung. Zur Risikovermeidung können sie beschliessen, auf die Beschaffung aus kritischen Märkten zu verzichten, Teile selbst herzustellen oder Währungsschwankungen abzusichern. Zur Risikoverminderung können sie kritische Lieferanten regelmässigen Audits unterziehen, langfristige Lieferantenbeziehungen pflegen, kritische Teile von mehreren Lieferanten beziehen oder Sicherheitsbestände lagern. Zur Risiko­übertragung dient der Abschluss von Versi­cherungen für Haftpflichtfälle oder Betriebsunterbrechungen, die Einrichtung von Konsignationslagern oder die Verwendung von Incoterms.

Um die Risikoexposition bei der internationalen Beschaffung grundsätzlich zu verringern und die Resilienz der Zulieferkette zu verstärken, können Unternehmen die Lagerbestände erhöhen, die Lieferantenstruktur geografisch diversifizieren und die Zulieferbeziehungen flexibilisieren.
Jede Massnahme zur Bewältigung von Beschaffungsrisiken wird bezüglich ihrer Wirtschaftlichkeit evaluiert (Kosten der Massnahme im Vergleich zur Risikoreduktion), die Risikomatrix wird neu beurteilt und es werden Umsetzungspläne erstellt, um bei einem Risikoeintritt bereit zu sein.

Überwachung der Risiken
Die Risikoüberwachung prüft, ob die beschlossenen Massnahmen zur Kontrolle der Risiken umgesetzt werden, ob sie Wirkung zeigen, die Schadenpotenziale und Eintrittswahrscheinlichkeiten wie gewünscht reduziert werden und wie sich die Risikoexposi­tion des Unternehmens insgesamt verändert. Zusätzlich beinhaltet dieser Prozessschritt die Einrichtung eines Frühwarnsystems, das das Unternehmen frühzeitig auf den Eintritt von Beschaffungsrisiken aufmerksam machen kann.

Das Frühwarnsystem beobachtet interne und externe Risiken anhand von definierten Indikatoren, meldet unvorhergesehene Veränderungen und verschafft dem Unternehmen Zeit, um rechtzeitig reagieren zu können. So können Entlassungen oder Nachfolgeprobleme bei wichtigen Lieferanten auf entstehende Lieferengpässe hinweisen und so hat die Abriegelung von Wuhan im Januar 2020 auf eine drohende Pandemie hingewie­sen und es aufmerksamen Unternehmen erlaubt, ihre Warenbestände rechtzeitig aufzustocken.

Um ein kontinuierliches Beschaffungsrisikomanagement sicherzustellen, ist es wichtig, diesen Prozess im Unternehmen zu institutionalisieren und regelmässig zu durchlaufen. (procure.ch/mc/ps)

Autoren:

iBERIMA
Das Innosuisse-Projekt iBERIMA hat eine Methodik zur Kontrolle von internatio­nalen Beschaffungsrisiken entwickelt. Das entstandene Prozesshandbuch und die unterstützenden Instrumente sind kostenlos verfügbar auf der Website www.iberima.ch.

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